Als wir reingingen in den Streik war so ‘ne Art, wir sind jetzt die Spitze der Organisation, man hat uns ausgesucht, Thyssen, um diesen Streik zu führen mit einem zentralen Thema, nicht 0,3 % mehr Lohnerhöhung, sondern den Einstieg in … in die 35-Stunden-Woche zu erreichen. Und ich kenne heut die Plakate noch, ne: Samstags gehört der Vati mir und die aufgehende Sonne mit den 35 Stunden. Es … Das war also so etwas, was einen unterstützt hat, was einem Dynamik gegeben hat. Selbst die Probleme, von denen ich vorhin gesagt hab, 20 Streiklokale rundum zu besetzen, die Tore zu besetzen, Notbelegschaften auszusuchen, das war eine wahnsinnige Aufgabe, aber die konnte nur gelingen, weil man den Drive hatte, in dem Augenblick, jawoll, die trauen dir das zu, du traust dir das auch zu, mach es. Und dann kamen diese sechs Wochen, die geprägt waren von weiteren Verhandlungen. Und waren die dollsten Dinge dabei. Wir haben dann natürlich, als die Verhandlungen hier in Duisburg stattfinden, im Duisburger Hof, werd ich nie vergessen, standen wir dann wieder mit tausend, anderthalbtausend Leuten vorm Tor, Megaphone in der Hand und jeder seinen Spruchzettel. Eins, zwei, drei und vier, die Arbeitszeit verkürzen wir. Und ich hab dann irgendeinem Kollegen, der dat Megaphon dann hielt, hab ich dann den Zettel gehalten und hatte vorher auf den Zettel draufgeschrieben gehabt als Spruch Nummer zwei: Lieber keine Überstürzung bei der Arbeitszeitverkürzung. Das hat mich irgendwie geritten und ich hatte aber geglaubt, der … der liest das vorher. Nee, aber der hat nur noch abgelesen und rief dann mit Megaphon vor den Arbeitgebern: Lieber keine Überstürzung bei der Arbeitsverkürzung. War konträr zu dem, was natürlich unsere Forderung war und das hat bei einigen zu Unmut geführt und die wenigen, die da verstanden, dat dat ‘n Jux war in der Zeit und noch im Grunde genommen zur Aufmunterung der Demenzen da führen wollte. Aber in den sechs Wochen hatte man kaum Gedanken und die Fragen zur Rückkehr zum Selbstbewusstsein, zu jawoll, wir können es, weil es eine wahnsinnig anstrengende Geschichte war. Es waren genügend Leute, die alle möglichen Ausreden hatten, warum sie nich mehr am Streik beteiligt sein wollten. Es gab ‘ne Menge Leute, die nur zu Demonstrationen kamen, weil sie an dem Tag während der Demonstration ihren Stempel, den sie täglich abholen mussten, für die Streikunterstützung, bekommen haben. Ich gestehe, dat war damals keine gute und vernünftige Entscheidung, aber wir … wir wollten es haben, um auch genügend Menschen präsentieren zu können und Veranstaltungen selbst für die Thyssen-Gruppe mit zehn-, zwölftausend Menschen zu machen. Und da ist bei einigen natürlich angekommen, dass sie gesagt haben, die haben mich gezwungen und weil ich auf das Geld angewiesen bin, bin ich da hinjegangen. Also man war in diesen sechs Wochen unwahrscheinlich vereinnahmt. Dann kam das Ergebnis. Wir haben den Einstieg in klassischer Form mit der Drei vorne nich geschafft. Das Ergebnis insgesamt vom Volumen her runtergerechnet war eine 38,5-Stunden-Woche. Also wir hätten es geschafft, aber die Vier stand trotzdem vorne und das war der schwerste Teil, weil man sagt, du bist voll da reingegangen. Du hast dich sechs Wochen aufgeopfert. Ich wusste zwar, so viel konnte man ja nun tarifpolitisch nachvollziehen, dass wir ‘n hervorragendes Ergebnis hatten, aber wir mussten uns auseinandersetzen mit denen, die sagten, ihr habt euer Ziel nicht erreicht. Und das hat natürlich an dem Selbstbewusstsein geknabbert. Heute weiß ich, dass ich sehr schnell damit fertiggeworden bin. Ich weiß nich, warum. Vielleicht hat ich noch die innere Stärke, weil ich viele Kollegen von mir, die im Vertrauenskörper an … an durchaus gehobener Stelle waren, die also uns den Rücken zuwenden wollten, die hab ich wieder begeistert dafür, hab die zurückgeholt, hab die überzeugen können. Also das heißt, so die temporär mal verschwundene Dynamik, das Selbstbewusstsein war weg nach dem Arbeitskampf damals, aber nur ganz kurze Zeit und bei den ersten, wir haben sehr viele Veranstaltungen dann durchgeführt, haben nich versucht zu rechtfertigen, sondern haben auch, das war ja dann die rhetorische Geschicklichkeit, die man brauchte, darauf hingewiesen, welche Fehler, was man nich erreicht hatte, um letztendlich zu dem überzugehen, was man erreicht hat und wenn man einen gefragt hat, wie viel Wochen Urlaub hast du jetzt, der sagt 6 Wochen und zusätzlich, weil er älter als 50 war, noch 3 zusätzliche Urlaubstage, die hat keiner in Deutschland, in Europa, war er stolz. Dann hat man gesagt, gut gemacht. Also es war ‘n schwieriger Prozess und der hat mich geprägt, der hat mir auch gesundheitlich zugesetzt, hab ich noch nicht drüber gesprochen, aber ich bin anschließend irgendwo bei ‘m Besuch im Krankenhaus umgefallen und bin dann sofort zur Kur gekommen. Das hat mir zwar gutgetan, aber war für mich insofern ärgerlich, weil ich gesagt hab, jetzt fehlst du auch noch innerhalb des Betriebes, aber das war wie gesagt die Phase danach. Und ich will damit nur sagen, solche Dinge kann man einmal im Leben machen oder zweimal, also Streik einleiten, Streik durchführen, Ergebnis vertreten und weitermachen. Und wir hatten zwar politische Gegner auf der Arbeitgeberseite, aber ich hab sie nie als Feinde angesehen, weil ich gedacht hab, das geht einfach nicht. Ich hab andere Einschätzungen, andere Einstellungen. Wir treten uns auf Augenhöhe gegenüber, Visier hochgeklappt, offen ansehen und wenn man sich noch so beschimpft, am Tag darauf muss man sinnvoll wieder verhandeln können. Das hat nich jeder so gesehen. Ich erinner mich, als ich aus einer Tarifkommissionssitzung kam, nachts, irgendwo morgens zwei, drei Uhr, ich hatte dann veranlasst, dass sofort unser Vertrauenskörper zusammengerufen wurde im Kinosaal mit mehr als hundert Leuten und hab das Ergebnis vorgetragen, muss dazu sagen, während der Fernsehübertragung war eine kurze Phase, als ich mit dem Arbeitgeberpräsidenten zusammenstand, wir unterhalten uns über ein Fußballspiel, das lief, und als ich das Ergebnis hör, hab ich mich gefreut. Und diese Freude haben die Journalisten beziehungsweise die Fernsehreporter natürlich mitgeschnitten gehabt und der Vorhalt, der mir am nächsten Morgen gemacht worden ist, Schulte, erzähl nich, wir haben das gesehen, statt ernsthaft zu kämpfen und ernsthaft Tarifverträge abzuschließen, habt ihr Spaß gehabt und habt euch gegenseitig Witze erzählt. Das war deshalb für mich so nachhaltig, weil ich gedacht hab, mein Gott, verflixt noch mal, auf was achten die Menschen alles. Das hat mich insofern geprägt, ich hab vorhin schon mal gesagt, dass so die Spontanität bei mir verlorenging, dass ich jedes Wort überlegt hatte, weil mir das immer noch im Kopf war und hab gesagt, ich hab wirklich verhandelt bis zum Geht-nich-mehr. Es war nichts mehr drin und dann unterhält man sich kurz über ‘n Fußballspiel und Ergebnis, lächelt und andere legen das aus, als wenn man die Arbeitnehmer verraten hätte. Also das war auch so ‘n prägendes Element. Man kann’s nicht jedem recht machen, und ich muss nicht immer mit’m sauertöpfischen Gesicht rumlaufen, wenn ich mit’m Arbeitgeber sprech, sondern entscheidend sind die Ergebnisse, die ich da erreichen kann. Und ich glaub, heute sind mehr Leute dazu geneigt, einen an einem Ergebnis zu beurteilen und weniger an einer Darstellung im Fernsehen oder wie auch immer, obwohl das auch wichtig is.