Dieter Walter

IG Metall
IG Metall
Video 1 – 7:10
Angestelltei
Arbeiter_ini
Schichtarbeiti
Video 2 – 7:01
Betriebsrati
Streiki
Treuhandi
Ja, geboren 1941 in Erfurt, aufgewachsen in Thüringen, in Elgersburg bei Ilmenau. Ich durfte die Schule besuchen, wie jeder andere auch, aber dann die Weiterführende Schule nicht mehr. Ich bin also kein Arbeiterkind gewesen. Mein Vater war Angestellter, deswegen kein Abitur – nur die Mittlere Reife. Habe ich dann in Gehren gemacht, die neunte Klasse und die zehnte dann in Potsdam, weil meine Eltern dann nach Potsdam übergesiedelt sind und in Potsdam hat sich dann mein weiteres Leben abgespielt. Ich habe dann zunächst erst eine Schlosserlehre gemacht bei „Orenstein und Koppel“, habe da Lokschlosser gelernt und als ich dann fertig war, ja das ist ein bisschen komisch, bin ich zu Hause rausgeflogen, weil wir waren so die erste Klasse, später hieß das Lehrausbildung mit Abitur. Wir waren also eine Klasse, die wusste schon, wenn sie fertig sind, da und da können wir studieren. Und ja ich sollte nach Dresden, aber in der Zwischenzeit hat sich da was ergeben über die Junge Gemeinde und den Kreisjugendwarte, da habe ich gesagt: „Ich will also lieber Theologie studieren“, und dann bin ich rausgeflogen zu Hause. Ja, solange habe ich dann gewohnt bei Joachim Franke, dem Kreisjugendwart und denn bin ich also auch über verschiedene Stationen, bin ich dann in Berlin gelandet, habe da meine Ausbildung gemacht und ´65 mein Examen und habe dann angefangen, als Kreisjugendwart in Luckenwalde und in Rostock und ja dann, wir hatten drei große Jugendsonntage in Templin, Hoyerswerda und in Burg. Und diese Jugendsonntage wurden immer unter ein Thema gestellt. Nun war also das Thema „Der Andere“ und das hat uns dazu gebracht, also den Anderen zu suchen in unserer unmittelbaren Umgebung und da sind wir auf die Leute gestoßen, die also mit 19 im Altersheim waren, weil sie sich nicht alleine bewegen konnten. Der Rollstuhl ist also, der Mensch im Rollstuhl ist also in unseren Fokus geraten und dann wurde daraus die, heute sagt man die Roller- und Latscher-Treffen, eine Urlaubsgemeinschaft mit Rollern und Latschern und zwar immer ein Roller, ein Latscher und das war auch so ein leichter Betreuungsstil. Ja und das haben wir ja seit ´70 gemacht und ja, und dann stellte sich für mich ja die Frage: „Was machst du nun weiter?“, und dann habe ich ... Die suchten damals, wir brauchten also damals eine Krankenschwester, einen Arzt und weiteres Pflegepersonal. Habe ich gesagt: „Gut, mach´ ich.“ Und da wollte ich also Rehamedizin machen, habe die Aufnahmeprüfung gemacht aber dann ... Ja, Buch hat gesagt, also ich brauche eine Delegierung und die hat mir das Krankenhaus nicht gegeben. Ich war damals in Wittenberg und Wittenberg hat gesagt, der Chef hat damals zu mir gesagt: „Wenn du da Rehabilitationsmediziner wirst, dann kommst du nie wieder zurück.“ Naja, hatte er Recht gehabt. Ich wäre auch nie wieder zurückgegangen. Und damit habe ich keine Delegierung gekriegt und musste mich dann nach Arbeit hier umsehen. Und dann bin ich im Stahlwerk gelandet. Ich war ja Schlosser und wurde hier also ganz bieder und treu und brav als Schlosser gearbeitet und im Schichtdienst als Schlosser gearbeitet. Und da war in der Betriebszeitung war dann eine Annonce, dass man noch einen Studienplatz belegen kann und da ich dachte: „Man wird nicht doofer, wenn man ein Stück weiterstudiert“, habe ich dann, es nannte sich damals Wartungstechnik MSR und dann später noch Elektronik studiert. Elektronik habe ich nie zu Ende gemacht, weil ich von Elektronik keine Ahnung habe. Das hier, mit dem Draht hier das Ganze hier gemacht habe, ist mir durch Zufall gelungen oder sonst was aber alles, was Schwachstrom ist ... Ich bin dann nach Riesa gegangen an die Fachhochschule, habe da mein Diplom gemacht und dann im Stahlwerk wurde, über so einen Vertrag, den man hatte, ja dann, wenn man mit dem Studium zu Ende ist, wurde man da gleich eingesetzt. Und dann war ich zuerst in der Investabteilung, also ein Investingenieur und dann ... Ach so, da musste ich, da war eine Anlage zu erstellen an der Drahtstraße und die Anlage habe ich dann übernommen, weil sie nicht funktioniert hat und haben wir dann auf die geforderten Parameter gebracht und dann habe ich die ganze Straße dann gekriegt. Da war ich also ja vom „Nichts“ zum Straßenleiter der Drahtstraße. Das ist die kleinste Straße von Querschnitten und ja da habe ich ganz gut gelebt und dann kam so die Wende.
Dann ist aus der volkseigenen Industrie ist dann eine Kapitalgesellschaft gegründet worden, die HSG, unser Hennigsdorfer Walzwerk. Und im Anschluss daran sind wir dann also der Betriebsrat von der HSG geworden und haben dann uns nach einem Eigner umgesehen und den hatten wir in Kehl gefunden. Kehl ist also ein Walzwerk, das hat dasselbe Profil wie Stahl- und Walzwerk Hennigsdorf. Die Kehler hätten es werden können, sind es aber auch nicht geworden, weil wir ja ein Treuhandbetrieb sind. Die Treuhand hat deutlich erklärt, dass der Betrieb Hennigsdorfer Stahl GmbH sanierungsfähig sei. Alle Betriebe, die sanierungsfähig seien, wurden ja nicht verhökert. Und wir haben dann auch ein bisschen mehr gemacht. Wir haben unseren Betrieb besetzt. Das heißt, wir haben gesagt, als Betriebsrat müssen wir ja für den, die Friedenspflicht wahren und haben uns an die Spitze gestellt. Wir haben natürlich geleugnet, dass wir das initiiert haben. Und das haben wir immerhin vier Wochen gemacht mit allen Höhen und Tiefen, die so eine Besetzungszeit mit sich bringt. Es wäre gut gewesen, wenn zur gleichen Zeit alle anderen Stahl- und Walzwerke also auch gestreikt hätten. Haben sie aber nicht gemacht. Wir haben dann eine Notbesatzung ins Werk gelassen. Wie gesagt, es ist sonst kein anderer Mensch reingekommen, bloß die Notbesatzung, weil wir ja als Betriebsrat für die Friedenspflicht sind und nicht zulassen können, wie soll ich das sagen, dass der Betrieb also vor die Hunde geht. Wir haben also quasi da, na wir haben uns nicht reinreden lassen. Wir haben gesagt, wir sind also, wir sind nicht da der, der den Betrieb besetzt hat, sondern das hat die Belegschaft gemacht. Wir sind nur dazu da, die Friedenspflicht zu wahren. Wir sind vor die Treuhand gezogen, wir haben alles Mögliche gemacht. Aber dann ist erklärt worden, dass also doch Riva die, der Eigner wird. Wir haben dann auch lange noch gegen Riva gekämpft mit Worten, Taten. Dann hat Riva uns eingeladen nach, ja wo sind die überhaupt, weiß ich gar nicht. Na jedenfalls haben sie eingeladen nach Italien und das Ulkige war ja, das Stahlwerk Riva läuft mit einem Siebtel des gesamten Geländes vom Stahlwerk Hennigsdorf. Die haben also zehn Mal so viel Gelände als Hennigsdorf und ... naja. Dann sind wir also zurückgekommen und dann hat die Treuhand in einer Nacht- und Nebelaktion denen das Ding geschenkt. Das war ... da war Kohl und Andreotti waren zusammen, die waren zusammen und ist also alles über den Tisch gegangen. Das was wir noch vorhatten, das Betriebsgelände zu retten, ist uns also auch nicht gelungen, also auch verwehrt worden. Ja das war Zeit der Besetzung. Wir kamen uns vor ... Ach so, wir haben in der Zeit der Besetzung die ganze Stadt hinter uns gehabt, weil wir gesagt haben: „Ein Arbeitsplatz im Stahl sind zehn Arbeitsplätze in der Peripherie.“ Das haben die Leute begriffen, der Bäcker der kann also auch nicht mehr früh morgens seine Schrippen verkaufen und aber das Schlimmste war, dass wir allein gelassen wurden und dass im Nachgang zur Besetzung des Stahlwerkes die anderen, also Finow und Kaltwalzwerk Oranienburg im Nachhinein also auch versucht haben, noch was zu retten, aber nach dem Motto: „Erst wir, dann ihr“, ist das also alles den Bach runtergegangen. Ja, war zu spät. Ja, dann hat es noch eine zweite Schiene gegeben, dass die Betriebsräte, ja man könnte so sagen die linken Betriebsräte, sich versucht haben zusammenzutun. In dem „Haus der Demokratie“ in Berlin, aber das war auch, anfangs war das mehr so ein Strohfeuer, aber wir konnten also auch da nichts mehr drehen. Das ist dann alles so Stück für Stück auseinander gebrochen.
Na der erste Bruch war gewesen, als wir gemerkt haben, dass die neue Gesellschaftsordnung uns keine Sicherheit mehr bietet. Wir hatten ja im Stahl- und Walzwerk immer die Sicherheit gehabt, dass du bis zur Rente arbeiten kannst. Das ist weggebrochen. Wir hatten dann die Möglichkeit, dass unsere Kinder betreut werden. Das ist auch weggefallen. Wir hatten dann die Mögl... Ich dachte, wir hätten dann die Möglichkeit, dass sich Ost und West an einen Tisch setzen und man sich ausmalt oder miteinander berät, was habt ihr Gutes, was ist bei uns gut gelaufen, also Kinderbetreuung, Ferienbetreuung und so was. Und dann sagt: „Das müssten wir ...“, also das was am Runden Tisch passiert ist, in der ersten Zeit, dass dann gesagt wird: „Also bei euch ist das gut, bei uns ist das gut“, und das man dann sagt: „Das müssten wir erhalten!“ Das war ja nicht möglich. Dass stattdessen wir also auf Gedeih und Verderb überrumpelt worden sind, also ob es nun mit den Lebensmitteln ist, ob das mit allen anderen Sachen ist, das tut schon weh, wenn du weißt, in der und der Variante hatten wir also eine bessere Lösung. Und das tut nochmal weh, wenn du keinen hast der, weiß ich, der weiter mitdenkt.
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Dieter Walter wurde 1941 in Erfurt geboren und ging in Potsdam zur Schule. Nach seiner Ausbildung mit Abitur zum Lokschlosser studierte er von 1960 bis 1965 Theologie in Berlin, anschließend war er als Kreisjugendwart in Luckenwalde und Rostock tätig.

Von 1968 bis 1982 arbeitete Walter als Krankenpfleger und Schlosser in Wittenberg und im Stahl- und Walzwerk Hennigsdorf. Dort leitete er nach Abschluss eines Fernstudiums der Wartungstechnik/Mess-, Steuer-, Regelarbeiten und Elektronik in Berlin und Riesa als Investingenieur die Drahtstraße.

1989/90 gehörte Walter zu den Mitbegründern des dortigen unabhängigen Betriebsrates, 1989 war er in Halle und Berlin in der kirchlichen Opposition aktiv. Zwischen 1991 und 2001 war Walter freigestellter Betriebsrat der Hennigsdorfer Stahl GmbH und der anschließenden Auffanggesellschaft NOVAreg GmbH.

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