Ernst-Friedrich Schäfer

IG Metall
IG Metall
Audio 1 – 4:02
Arbeiter_ini
Betriebsrati
Betriebsverfassungsgesetzi
Christliche Gewerkschafti
Tarifvertragi
Audio 2 – 1:15
Betriebsrati
Christlich Demokratische Union Deutschlands (CDU)i
Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)i
Audio 3 – 2:42
Werkarbeiti
1964, in dem Jahr, wie ich gekommen bin, äh, gab es plötzlich in der Abteilung für jeden Mann eine Flasche Bier vom Chef.(pocht wiederholt auf den Tisch) Da ham mir gefragt, „Was?“ – „Ja des ist Treuebier.“ – „Wieso, warum?“ Da gab es draußen in Graben den Versuch, über die IG Metall mit Flugblättern ei nen Betriebsrat zu gründen. Und da sind damals Arbeiter mit Transparenten durch den Fabrikhof gelaufen: „Wir brauchen keinen Betriebsrat“. Und ob dieser freudigen Veranstaltung für den Chef, hat er allen Mitarbeitern eine Flasche Bier spendiert. Das war noch ’64. ’68 also dann diese andere Variante. Und dann sind wir zu dritt losgezogen, nachdem wir gewählt waren und haben uns beim Chef vorgestellt. „Wir wollen einen Antrittsbesuch machen.“ – „Ich kenn euch doch.“ – „Nein, wir wollen eine offiziellen Antrittsbesuch als Betriebsräte machen.“ – „Also dann kommt jetzt halt.“ Sind wir dahin. „Was habt ihr vor und was wollt ihr?“ – „Ja, zuallerst bräuchten mir mal a paar Bücher, wir haben nämlich nix.“ – „Was für Bücher?“ – „Bürgerliches Gesetzbuch, Betriebsverfassungsgesetz, REFA-Bücher.“ – „Nee“, sagt er. „Dafür hab ich kein Geld. Hier bei mir ist ’n Bücherschrank. Da ist a Bürgerliches Gesetzbuch drin. Wenn ihr’s braucht, leiht ihr’s bei mir aus.“ Waren wir aber ja net zufrieden. Ähm, mir sind dann trotzdem freundlich auseinander gegangen, haben dann drei Gewerkschaften angeschrieben. Es gab hier in dieser Umgebung noch einen christlichen Gewerkschaftsbund, es gab die DAG mit Sitz in Karlsruhe und es gab die IG Metall. Die christliche Gewerkschaft hat sofort geantwortet und hat gesagt- […] „Ihr könnt von uns Unterlagen, Tarifverträge und all diese Dinge dann bekommen, wenn ihr Mitglied werdet.“ (pocht auf den Tisch) Ham wir zurückgeschrieben, „Es tut uns leid die Sack, Katze im Sack kaufen wir nicht, wir wollen erst sehen was ihr könnt.“ Kam nix mehr. Der Fall hatte sich erledigt. Von der IG Metall ham mir auch nix gehört, zunächst. Bis der Pförtner angerufen hat im Werk Graben, „Hier ist ein Riesenkarton abgegeben worden mit ’n Haufen Büchern für den Betriebrat.“ Da ham wir uns a Auto geschnappt in Bruchsal sind nach Graben gefahren, haben mir uns den Karton geholt. Das war so ein Persilkarton so in der Größenordnung. Was da alles drinne war. Also Betriebsverfassungsgesetz, net eins, sondern mehrere. Es waren Tarifverträge drin, und=und=und. Also der Gerhard Holler damals, 1. Bevollmächtigter der IG Metall, der hat damals seinen Sitz für die Verwaltungsstelle noch in Bretten gehabt, der hat aufgrund unserer Anfrage einfach mal den Bücherschrank geräumt und Werbematerial, alles in den Karton, vorbeigefahren nach dem Motto: So a blöde Kundgebung erspar ich mir, ich geb des einfach mal ab. Mal sehen wie das funktioniert. Und wir sind über die Dinge hergefallen, Heißhungrig, wissbegierig.
Die SPD in Bruchsal spielte damals politisch keine Rolle, und wir hatten uns im Betriebsrat und unter diesen Leuten, die da Interesse hatten, dass für die Arbeitnehmer in dieser boomenden SEW was Positives passiert. Wir haben uns gesagt, wir müssen Netzwerke bilden, wir brauchen außen Leute, die auch mal nach innen Einfluss haben. Wie kommen mir mal da dran? Wer hat in Bruchsal oder könnte Einfluss haben? Gut, dann sind mir halt auf die CDU gekommen. Wir haben da ziemlich, für Bruchsaler Verhältnisse, linken Kreis gebildet. In der Bundestagswahl, wo Kiesinger zur Wiederwahl anstand, und die CDU mit dem Wahlplakat „Auf den Kanzler kommt es an“, bin ich mit’m Aufkleber, selbst gemacht: „Auf den Wähler kommt es an“ durch Bruchsal gefahren, ja. Die Junge Union wollt mir die Autoscheiben durchschmeißen.
Unter mir, mehr als 100 Leasing-Arbeitnehmer haben mir nie gehabt. Und wenn mir über 100 gekommen sind, ich hab die Methode mitgetragen. Gelegentlich, net, net überall. Wenn, wenn der Bewerber gut war, dann ham mir dafür gesorgt, dass der nicht über Zeitvertrag, und da ham mir Druck gemacht, sondern richtig gleich eingestellt (pocht wiederholt auf den Tisch) wird. Dann gab’s a paar Situationen, wo die Arbeitszeitlösungen wirklich net gereicht haben. Also lieber Leasing, einen da herin, als irgendwohin was verlagern, auslagern oder Werkvertrag, wollen mir net. Leasing (pocht auf den Tisch) und dann die Chance, den Mann kennenlernen, und dann aber regelmäßig die Zeitabläufe verfolgen. Und da hab ich drei Leute damit beschäftigt, net nur- Aber die haben jeden Dienstag in der Sitzung vortragen müssen: „In dem Abteilungsbereich ham mir jetzt so viel Leasingleute und da sind grad drei neue Stelle beantragt worden und genehmigt, die sind zu besetzen. Und von den zehn Leasingleuten passen zwei auf die drei Stellen.“ So, und dann haben wir das beschlossen und dann haben wir das gesagt, „Ihr kriegt von uns ’ne Zu-, Ein-, ‘ne Zusage zu einer Neueinstellung nur, wenn die zwei da rüberkommen.“ Und schon wurde des wieder weniger. Das hat funktioniert. Inzwischen ham mir vor der Krise, dieser Finanzkrise, 450 Leasingleute gehabt, und jetzt ham wir sie schon wieder. Und da gibt’s dann so den schwachen Trost, aber die SEW hat denen wenigstens das Weihnachtsgeld bezahlt wie uns auch. Aber des ist doch Käse, gell. Wie die zu uns gekommen sind, die haben uns gnadenlos gesagt: „EF, wir müssen mit Leasingleuten arbeiten, damit wenn’s mal morgen schlechter wird, unsere Stammmannschaft net entlassen wird.“ Ja, muss ich mir als Arbeitnehmervertreter, äh, Arbeitnehmer schlechten Ranges leisten. Das kann’s net sein. Das widerstrebt mir ins Tiefste. Für ’ne gewisse Zeit, aber ich hab ’ne Mitverantwortung, dass die da rüberkommen. Mensch, gesellschaftlich geht da bei uns so was in die Hose mit diesen, äh, Leasingverträgen, Zeitverträgen.
Ich meine schon, dass es Lebensinhalt gewesen ist. Ähm, es hat Spaß gemacht. Man war, oder ich war für die Leute da. Die Leute, wenn man sie heute trifft, ist immer noch ein freundliches Begegnen. In den ersten Jahren hat’s immer geheißen: „Schade, dass Sie nicht mehr da sind.“ Inzwischen aufgrund verschiedener Änderungen heben sie die Hände hoch „Seien Sie froh, dass Sie nicht mehr da sind.“ Das macht mich irgendwo traurig und es gibt Dinge, die sind für mich nicht nachvollziehbar, aber auch von außen überhaupt kein Einfluss, sondern es gilt das in der Zeit, in der man Verantwortung hatte und ja. Die Firma hat sich gut entwickelt, die Mitarbeiter haben sich bestens entwickelt. Das Klima hat gestimmt untereinander und mein Wunsch wäre, wenn das nur irgend- Es kann nur von globalen Bedingungen und so weiter, das alleine kann das nicht auslösen, sondern da sind schon andere, eher zwischenmenschliche Probleme, die ’ne große Rolle spielen. Und dort tät ich mir wünschen, dass man das wieder aufhebt, weil die Demokratie, Demographiekurve, die ist eindeutig. Wer, die Firma, die ihre Leute nicht gut behandelt, man muss sie nicht in Watte packen, das wollen die auch nicht. Äh, der die Leute nicht gut behandelt, dass es, dass sie sich anerkannt fühlen, dass sie wissen, jawoll, ich leiste hier etwas, werde dafür anständig bezahlt, und man denkt nicht automatisch, wenn’s morgen schlechter wird, dran, mich rauszuschmeißen. Da hat SEW ja was gelernt. Da sind die 450 wurden reduziert die Leasingleute. Aber alle andern, wurde alle Anstrengungen gemacht, zu halten. Das ist aber auch manchmal schwierig. Wir haben in einer Zeit, wir haben dann Leute, die den blauen Kittel in der Gussfertigung gewöhnt waren, mal in weiße Kittel, in die Elektronik, versetzt. Die Leute waren so was von unglücklich und haben sich gar nicht wohl gefühlt. Und ich kann’s nachvollziehen. Ich bin in meinen ersten Arbeitstagen, ich weiß net warum, ich hab bei der ersten Vorstellung gesehen, die im Konstruktionsbüro tragen alle weiße Kittel, also hab ich mir ’n weißen Kittel gekauft, ich Idiot. Angezogen und uäh! Ja. Am nächsten Tag los. Grauer Arbeitskittel. Da war ich wieder zufrieden, ne. Ich konnte auch unten mit dem Arbeitskittel rum-, rummachen. Es gab mal die Situation, ne, der Prüfstand, wenn ich die großen Leistungen geprüft hab, ging ja das nur nach Betriebssschluss, sonst hätt’s den Trafo auseinandergehauen und die SEW wär stromlos gewesen. Und da hat mich der Chef geholt, und das war grad zu einem Zeitpunkt, wo mir das Getriebe so und=und alles drum und dran halb auseinandergenommen hatten, und ich kam so richtig ölverschmiert kam ich dann bei ihm im Büro an abends um neune. Guckt er mich an: „Sind Sie ein Dreckbär.“ (Lachen) Mit Lachen, gell. Also das sind so, die andern positiven Beziehungen, gell.
Da hab ich dann Maschinenbau studiert, Maschinenbauingenieur. Anschließend gleich noch den Schweißfachingenieur hinten dran gehängt. Während dieses Studiums, kirchliche Prägung mitgebracht, bin ich nicht zu den dort vorhandenen dreizehn verschiedenen studentischen Verbindungen. Ich hab damals schon gedacht: Was ist denn los, technische Schule und dann spinnen die hier mit Uniformen und kommen da in Wichs und mit Fahnen. Also meine schlimmste, ähm, Erfahrung war da wie der Volkstrauertag gefeiert wurde und wie diese studentischen Verbindungen da alle in Glanz und Gloria aufgetreten sind. So hatte ich bis zu diesem Zeitpunkt Volkstrauertag nicht empfunden, auch später nicht. Ähm, okay, wo bin ich hingeraten? Studentengemeinde. Ein rühriger Club für die, im Gegensatz zu diesen Studentenverbindungen, die gelegentlich ein Programm hatten. Wir hatten einen eigenen Studentenpfarrer, der war Gemeindepfarrer, der hat das nebenbei mitgemacht. Wir hatten für das jeweilige gesamte Semester ein komplettes Programm, mit Referenten, Veranstaltungen und einmal im Jahr war das Angebot, äh, net nur für Mitglieder, dieser Studentengemeinde, sondern für Studenten allgemein, in Arnoldshain eine Wochenendtagung der evangelischen Akademie, speziell nur für Friedberger Polytechnikum. Bei der Gelegenheit hab ich zum Beispiel einmal den Professor Oberth, den Raketenvater kennen gelernt, der uns da ’n tollen Vortrag gehalten hat. Und solche Dinge. Ist ja interessant, wenn man Geschichte, Leute aus der damaligen Geschichte und Technikgeschichte, auch wenn er Probleme durch die NS-Zeit hatte mit seiner Vergangenheit. Ähm, trotzdem waren diese Leute interessant und mit ihnen, äh, Begegnungen zu haben. Aber der Studentenpfarrer, der war natürlich insgesamt rührig. Wir haben auch mal eine Veranstaltungsreihe gehabt zum Thema Arbeit. Und da hat er sich aus der IG Metall-Schule Lohr den Heinz Raspini eingeladen.
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Ernst Friedrich Schäfer wurde am 25. Februar 1940 in Schweinfurt geboren. Nachdem die Familie 1944 ausgebombt wurde, zog sie zunächst in ein Dorf in Unterfranken und 1951 nach Bad Neustadt, wo der Vater als Ingenieur arbeitete. Dort besuchte Schäfer das Gymnasium bis zur Mittleren Reife.

Nach dem Schulbesuch und einem zweijährigen Praktikum bei Siemens studierte Schäfer Ingenieurwesen in Friedberg, wo er sich in der Evangelischen Studentengemeinde engagierte. Ab 1964 arbeitete er als Ingenieur bei SEW Eurodrive. 1966 wurde er in den ersten Betriebsrat gewählt, ab 1972 freigestellt. Als Vorsitzender stand er dem Betriebsrat bis 2004 vor.

In die IG Metall trat Schäfer 1968 ein. Als Mitglied der Ortsversammlung war er zweimal Delegierter auf IG Metall-Bundeskongressen. Parteipolitisch war Schäfer bis 1970 in der CDU und in der CDA aktiv. 1973 wurde er Mitglied der SPD, für die er viele Jahre im Gemeinderat Bruchsal saß.

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