Ernst-Otto Constantin

Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr
Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr
Audio 1 – 3:53
Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB)i
Audio 2 – 1:09
Gerechtigkeiti
Vertrauenskörperi
Audio 3 – 3:41
Nationalsozialismusi
Eines Tages im persischen Golf, es war furchtbar heiß, an einem Samstach, da hat dieser Matrose, nen dicker fetter Kerl, nen Kleiderschrank war das, mit Vornamen Walter, weiß ich noch wie heute, mit einem nackten Oberkörper, schweißnass, ein Schweißtuch um den Hals rum, mit dem wischte er sich immer den Schweiß aus dem Gesicht, und dann kam der mit ungewaschenen, dreckigen Fingern da rein und nahm nen tiefen Teller und wischte mit seinem dreckigen Daumen drüber weg und hat geschrien: Moses! Schwapps, ich komm aus meiner Pantry raus, hatt´ ich den Teller am Kopf und da ist das über mich gekommen, ich hab damals gedacht jetzt ist mir alles egal, ich konnte das auch, diese ganzen Schikanen nicht mehr ertragen, dann hab ich die Fullbrass genommen, das war der Abfalleimer, in dem auch noch die ganzen Frühstücksreste drin waren, Kaffeesatz und auch vom Eintopf schon einiges was übrig geblieben war, da nahm ich den Eimer, ging in die Messe und hab ihm den auf´n Kopf gestülpt. Und das hatte dann eine, später auch eine Veränderung in meinem Leben mit sich gebracht, die ich mir nie hätte träumen lassen. Erstmal stand der Bootsmann auf, nen alter erfahrener Mann der noch auf Segelschiffen gefahren war und der sich schon lange gefracht hatte, wann wehrt der Junge sich endlich mal? Dann stand der auf, hat der dem Matrosen gesacht, wenn du den anfasst, es wird dir passieren, dass du keine Zähne mehr hast, ich sag´s dir, fass´den Jungen nicht an. Mein guter Rat. Der wusste, schwankte immer hin und her, am Ende hat er dann doch wohl Reschpekt und Schiss gehabt, ich hab dann den ganzen Dreck beseiticht, das war´s mir dann auch noch wert und alle andern haben sich eins gefeixt, dass dieser kleine Moses diesem großen Kerl da den Abfalleimer übern Kopf schüttet. Und dann holte mich abends der Bootsmann in seine Kammer und sachte, weißte mein Junge, ich hab mich gefreut, endlich hast du dich mal gewehrt. Und du musst eins wissen, im Leben kann man alleine nie etwas werden, du brauchst immer eine Gemeinschaft und er, wir ham lange miteinander gesprochen und dann sacht er mir am Ende: und du wirst das auch mit den Arbeitgebern, mit den Reedern sehn´, du musst in eine Gewerkschaft gehn´. Und dann kamen wir nach Bremen zurück und das hatte ich mir zu Herzen genommen und dann stand ich im Gewerkschaftshaus gegenüber vom Bahnhof und ich wusste gar nicht, wo ich da nun hin müsste, ich hatte mich nach dem DGB durchgefracht und dann kam ein Mensch und frachte, was willst du denn hier? Wo willst du denn hin? Ja, ich will in ne Gewerkschaft, in den DGB. Ja, dann bist du hier, aber zu welcher Gewerkschaft willst du denn? Sach ich, das ist mir egal, in irgendeine Gewerkschaft, und der sacht, ja, was machst du denn? Ja, ich fahre zur See, ja, musste zur ÖTV gehen. Also ging ich zur ÖTV rauf und der Sekretär Fritz Bund nahm mich dann auf. Und so war ich ganz stolz, Mitglied einer Gewerkschaft zu sein und man bekam damals noch ein Gewerkschaftsbuch und musste auch Marken kleben und da wir dann ja zur See fuhren, damit man ja die Mitgliedschaft nicht verliert, dann hat man immer, also ich hab dann für nen halbes Jahr voraus bezahlt, weil ich sachte, naja, in dem halben Jahr werd´ ich dann schon irgendwann wieder zurück kommen, notfalls muss ich halt nachzahlen. So fing ich an, fing meine Gewerkschaftslaufbahn an, eigentlich durch diesen Bootsmann und durch diesen Konflikt, der dort entstanden war.
Und dann ereichnete sich etwas was Einfluss auf mein zukünftiges Verhalten zur Gewerkschaft hatte, das war ein bleibender Eindruck. Auf schwedischen Schiffen hatte man einen Ombudsmann, das war der gewerkschaftliche Vertrauensmann und wie wir dort nun ankamen zum Kapitän, hatte mich angeguckt, Seefahrtsbuch angeguckt, sacht nehmen, so und dann hat er am Ende acht Leute genommen, unter anderm auch mich. Nu kam der Ombudsmann und wollte Unterschriften für Gewerkschaftsmitgliedschaft haben. Für mich war das kein Thema, ich hab meine Mitgliedschaft sofort unterschrieben und die andern ham gesacht, nö, das, wo sind wir denn hier eigentlich? Wir sind doch wohl in einem freien Land, das kann doch wohl nicht wahr sein. Da is der Ombudsmann zum Kapitän gegangen, der selbst gewerkschaftlich organisiert war, und hat gesagt, da sind Schnorrer. Die wolln zu unsern Lasten hier mitfahrn, klotzig Geld verdienen, aber sind nicht bereit, nen Gewerkschaftsbeitrag zu zahlen. Damit konnten die ihre Bücher nehmen und wieder nach Hause gehen. Das war für mich ein Gefühl der Gerechtigkeit.
Mein Vater war Landwirt. Wir hatten ein, mein Vater hatte ein- eingeheiratet in ein Gutsbesitzer der drei Güter besaß und eines davon war eine Stiftung und dies hatte mein Vater dann übernommen. Gegen die Begleichung der Schulden meines Großvaters. Ja. Der fiel, mein Vater fiel neunzehnhundertvierzich, da war ich grad mal drei Jahre alt, ich hab an ihn keine Erinnerungen. Mein Vater war Mitglied der Land-SA, wurde dann eingezogen als Feldwebel und kam in eine Kaserne nach Stutt-, nach Wuppertal und hatte dort, das war der letzte Brief, Feldpostbrief, der uns, der meine Mutter erreichte, unter anderem geschrieben, „Hitler ist ein Verbrecher. Ich hab mich geirrt“. Und der Bruder von ihm war einer der engsten Freunde von Graf von der Schulenburg, also mein Onkel. Und meine Mutter hatte dann, als mein Vater fiel, neunzehnhundertvierzich die Landwirtschaft am Bein und zwei Kinder, meine Schwester und mich und hatte nie Landwirtschaft gelernt. In den damaligen Kreisen war es offensichtlich nicht üblich, dass die Mädchen einen Beruf erlernten. Und meine Mutter heiratete dann neunzehnhundertvierenvierzich noch mal. Und sechs Monate später war auch dieser Mann tot. Der gehörte der Waffen-SS an, aber deshalb, weil der zwangsversetzt war, der kam aus der Gruppe Canaris, also strafversetzt hieß das damals und bei einem Einsatz ist der offensichtlich von Heckenschützen getroffen worden und hinten nen LKW runter gestürzt im Baltikum und dann war´s erledicht. Ja. Mein... dann kam die Flucht. Ich habe dann im, die Flucht im wesentlichen mit meiner Großmutter gemacht, die ich bis zum heutigen Tach sehr verehre. Sie lebt leider nicht mehr und meine Mutter is zunächst noch in Ostpreußen geblieben, ist dann aber getreckt und erzählt mir bis zum heutigen Tage nicht, was sie während ihrer eigenen Flucht erlebt hat, wo sie, wie sie geflüchtet ist, welche Umstände das waren. Das weigert sie sich bis zum heutigen Tag zu erzählen. Es gibt dort für mich zwei denkbare Gründe, der eine war, meine Mutter hatte zwei Mal den Reichsgauleiter Koch mit gezogener Pistole vom Hof gejacht, als er persönlich kam und die beiden einzich verbliebenen Pferde beschlachnahmen wollte. Das war Verzweiflungshandlung oder so was, jedenfalls in Wut und Zorn und ihr war´s auch egal. Es ist ein Wunder, dass sie das überlebt hat.
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Ernst-Otto Constantin wurde am 15. Mai 1937 in Königsberg geboren und wuchs auf dem ostpreußischen Gutsbesitz der Familie auf. Sowohl sein Vater als auch sein Stiefvater starben im Zweiten Weltkrieg. Gegen Kriegsende floh die Familie zunächst in die Altmark und dann ins Oldenburger Land. Die folgenden Jahre verbrachte er in Kinderheimen und bei Pflegemüttern.

Constantin besuchte insgesamt 16 Schulen und verließ 1954 die achte Klasse ohne Abgangszeugnis. Danach begann er eine seemännische Ausbildung in Bremen. Nach mehreren Jahren auf See bestand er die Aufnahmeprüfung der Seefahrtsschule Bremen. Er erwarb das Steuermanns- und Kapitänspatent und fuhr als Erster Offizier und Kapitän erneut zur See.

In die Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV) trat Constantin bereits während seiner Ausbildung ein, wechselte aber 1960 zur Deutschen Angestelltengewerkschaft (DAG). 1968 wurde er DAG-Landesberufsgruppenleiter und war in dieser Funktion an der Durchsetzung verschiedener Verbesserungen für Seeleute beteiligt. Wegen Organisationsstreitigkeiten verließ er die DAG und bereitete mit Kollegen 1974 den Übertritt der Seeleute in die ÖTV vor.

Von 1973 bis 1977 war Constantin als Sozial- und Regionalsekretär der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA) in Hamburg tätig. Anschließend wechselte er zur ÖTV-Hauptverwaltung nach Stuttgart, wo er das Referat Unternehmens-Mitbestimmung leitete. Nach der Wende wurde er Geschäftsführer eines bundeseigenen Unternehmens, das den Abbau der innerdeutschen Grenze organisierte. Von 1995 bis 2002 war Constantin schließlich Arbeitsdirektor der Berliner S-Bahn.

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