Eva Kaiser

IG Chemie-Papier-Keramik
IG Chemie-Papier-Keramik
Video 1 – 5:01
Betriebsrati
Arbeiter_ini
Duales Ausbildungssystemi
Arbeitgeberi
Betriebsversammlungi
Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)i
Video 2 – 2:37
Betriebsrati
Arbeitgeberi
Betriebsversammlungi
Video 3 - 4:05
Betriebsversammlungi
Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)i
Na ja, das hab ich mir dann Jahr lang mit angesehen und dann wurde ich also immer mutiger. Ich hab nämlich dann mit der Industrie- und Handelskammer in Oldenburg gesprochen und hab gesagt, ich möchte meine Lehre zu Ende machen. Ich hab ja nur zwei Jahre. Und dann haben sie mir die Möglichkeit gegeben in Abendkursen. Und mit jedem Kursus kam mein Selbstbewusstsein. Ja, und dann kam mein Vater auch zurück aus dem Krieg, aber auch sehr krank und der blieb erst mal bei meiner Mutter mit den Kindern. Die hatte da in Hamburg 'ne Wohnung, 'ne Wohnung auch oben auf dem Dach und der kam denn nach Delmenhorst und der hat mit mir gesprochen und der sagt: Mädchen, ich kann dir nur auch sagen, was ich immer gesagt hab. Ihr müsst alle einen Beruf haben. Ich begrüße, dass du jetzt deine Lehre zu Ende machst und alle anderen Kinder, die kriegen auch 'n Beruf, so wahr ich hier stehe. Und er war auch schon schwer krank. Er kam aus Russland. Ja, und so hab ich dann mit ... mit der Hilfe meines Vaters und hat er gesagt: Pass mal auf, hier gibt’s auch 'ne SPD – muss ich mal mit einbringen – und die SPD hilft dir. Das sind Arbeiter. Geh hin und dann gibt’s bestimmt auch 'ne Gewerkschaft. Und das wirst du ja nun alles kennenlernen. Na, und es dauerte nicht lange, es gab 'ne Betriebsversammlung, nicht die erste, aber für mich jedenfalls die entscheidende. Es war wie immer. Der Arbeitgeber sprach, hat uns erzählt, dass wir alle in einem Boot sitzen und also wir ... wir ganz gut dran sind und sie sind ja ganz nett zu uns und so. Ja, und dann der Betriebsrat und dieser Betriebsrat war ein Mann aus echtem Schrot und Korn, der hat gesagt was er dachte. Und auch die ganzen Probleme, die die Frauen in den Betrieben hatten, dass sie also belästigt wurden und, und, das hat der alles eingebracht. Und da ging wieder der Arbeitgeber rauf und wollte das also nicht wahrhaben und da sehe ich mich heute noch, ich hatte so'n kariertes Kleid an, wog 80 Pfund, rannte den ganzen Weg da lang, das war ja lang, bis ich aufs Pult kam und wie ich dann da kam, da konnte ich kein Wort sagen. Da sagt der Betriebsrat: Sag mal, Kolleginnen und Kollegen, hab ich gesagt, und dann ging’s los. Dann hab ich gesagt, was ich da alles zu bemängeln hatte und dass wir ganz bestimmt nicht alle in einem Boot sitzen, er vielleicht im Boot, aber wir haben unten zu rudern. Und wir haben also kein leichtes Leben. Wir hatten kein richtiges Klo, so'n Donnerbalken, wenn da einer raufging, dann kloppten sie an die Wände und kommst du bald wieder zurück, also fürchterlich behandelt. Und die haben an die Erde gespuckt, das mussten wir mit Wolle aufheben. Und das alles hab ich gesagt. Das ist für mich unmenschlich und so was kann man doch nicht machen. Und ich begreif das nicht, warum macht ihr das? Na ja, wir waren ja fast alles Flüchtlinge, Frauen, alles Frauen, Witwen und mit uns haben sie also versucht, da sich mal ihre Mütchen zu kühlen. Na, um es kurz zu machen, meine Frauen jubelten, weil ich ja die Frauenprobleme angesprochen hatte, und die Männer waren natürlich leiser, denn die … von denen hatte ich ja gesagt, dass sie ja viel mehr verdienen als wir, ne, obwohl sie nicht so viel tun mussten. Aber einer tobte, Kleinmann, das war der Chef der Abteilung. Wir waren vielleicht jetzt da 800 und als ich rausgehen wollte, da haben schon zwei Aufseher gesagt, der Kleinmann, so hieß der, der will dich sofort sprechen. Und mein Betriebsratsvorsitzender, der Alte, der hat gesagt, das kann er haben. Und dann sind wir da reingegangen und der hat … da kam mein Trotz hoch. Und dann sagt der: Pass mal auf, wir lassen uns nichts gefallen. Und der Kleinmann sagt: Was haben Sie sich dabei gedacht? Und da sagt der Blüm: Wir haben uns gedacht, dass Sie uns 'n Stuhl anbieten. Dem blieb der Hals offen. Suchen Sie sich einen! Na ja, dann suchte er einen und sagt: So, und jetzt will ich Ihnen was sagen. Was ich in der Betriebsversammlung gesagt hab, das war nur so wenig. Ich kann noch viel mehr sagen. Und es ist ganz unerhört, wenn Sie das nicht wissen, Ihre Leute Ihnen das nicht gesagt haben, dann sag ich Ihnen das. So kann man mit Menschen nicht umgehen. Na ja, gut. Wir denn wieder raus und der ... der Blüm, hieß der, auch Blüm, und hat mir immer die Schulter gekloppt und hat gesagt: Mensch, sei froh und ich hab mich wieder versteckt. So wollten sie mich alle bejubeln. Hinterm Wollesack versteckt und dann bin ich doch wieder vorgekrabbelt und hab dann weiter gearbeitet. Ja, so fing eigentlich meine Karriere an, denn ich hatte nicht gewusst, weil ich gar nichts wusste von Gewerkschaften, der Gewerkschaftssekretär war da. Der hat das gehört. Und der saß schon im Betriebsratsbüro und hat gesagt: Mädchen, komm mal her. Du kommst zu uns. Ich sorg dafür. Du machst Schulungen mit und ich sage dir, aus dir wird was. Du hast Mut, bist nicht doof. Ja, und so war’s.
Ja, und da hatten wir ja von Delmenhorst aus viele Betriebe zu betreuen – rings rum. Also 'ne ganze Menge Textilbetriebe. Und überall haben wir also versucht zu machen, was wir konnten, haben auch immer eins erreicht, dass bessere Akkordbedingungen hatten. Ich hab ja dann auch oft … musste ich zu ... auf Gericht gehen mit dem Betriebsrat und mit dem Arbeitgeber und dann haben wir also ausgetauscht. Ich hatte die Stoppuhr genommen, der Arbeitgeber hatte eine genommen. Wir sind runtergegangen, haben gestoppt. Der hatte – sagen wir mal – 100 war normal. Der hatte nur 80 und ich hatte 120, ne. Und dann haben die Richter sich in unserem Sinne entschieden. Also sie haben immer gesagt, ja, wenn das also jemand aus dem Betrieb sagt, der das weiß und die Arbeit kennt, dann müssen wir das so hinnehmen. So haben wir dann also einen ganz großen Teil auch von den kleinen Betrieben, die am Rande lagen, denke mal jetzt an einen, war mein Lieblingsbetrieb, in Lathen. Das waren so zwei ganz riesige Betriebsräte, beide sehr katholisch und fromm. Und man sagt ja immer Gewerkschaftern nach, dass sie das nicht sind, aber das stimmt nicht. Die sind auch fromm, aber jedenfalls auf 'ne andere Art, nicht so katholisch, wie die das so gemacht haben. Na ja, und da war es so, das muss ich nochmal schildern. Als ich da reinkam zum ersten Mal, Betriebsversammlung, da haben sie dann, die Betriebsräte, also die großen Kerle, ist der eine aufgestanden und hat gesagt: Ja, dann wollte ich ja hier nochmal was sagen. Wir dürfen nicht während der Arbeit essen und wenn wir einen Apfel essen, dann müssen wir 5 Euro … also Mark bezahlen. Ich sagte, das ist ja wohl nicht wahr. Und dann wieder der Arbeitgeber: Ja, wir haben doch hier Textilien. Dabei war das Wolle und Jute und also da kann man 'n Appel essen, ne. Also hab ich gesagt, gut, wenn das so ist, machen wir das anders. Hab ich mir den katholischen Pfarrer geholt, den evangelischen Pfarrer und dann mitgenommen in die Betriebsversammlung. Da sag ich, jetzt hören Sie sich das mal an. Sie sind ja für Ihre Leute auch verantwortlich. Ich hab versucht, was ... und hab gemacht, was ich konnte. Jetzt sind Sie dran. Haben wir alles hingekriegt. Die haben anständigen Lohn gehabt und waren meine besten Betriebsräte, hatte ich in der Tarifkommission, wenn wir also unsere Tarifkommissionen hatten, das war ja jedes Jahr, dass man Lohnerhöhung irgendwo hatte im Bezirk oder in der Hauptverwaltung, habe ich mir meine beiden Jungs geholt, die hatten ja kein Auto und nichts, und bin mit denen losgefahren.
Ja, und dann kam die Zeit und das war auch 'ne ganz große Zeit für mich, die ersten Gastarbeiter kamen aus Griechenland, aus der Türkei. Der Mann von der SPD, die Gewerkschaften und ich, wir standen am Bahnhof, haben die empfangen. Und jetzt hatten sie keine Unterkünfte, mussten sie also zunächst in ziemlich verdreckte Unterkünfte, die vorher von den Russen besetzt waren. Da hatten sie sie dann untergebracht. Ja, und nun haben wir überlegt. Der Gewerkschaftssekretär war auch mit im Stadtrat und ich, ja, und dann haben wir gesagt: Was machen wir? Das können wir nicht so hinnehmen. Ja. Dann haben wir also Gesundheitsamt geholt, gesagt, gucken Sie sich das an, das geht so nicht. Die Kinder hatten also Krankheiten alle Sorten und da hatte ich schon immer dafür gesorgt, dass die Kinder in entsprechende Heilstätten kamen und Krankenhäuser, weil die ja hilflos waren. Die konnten da … die andern konnte ja nichts machen. Und dann hab ich jeden Monat einmal wenigstens bei uns im Rathaus im Sozialamt gesessen und hab dann später, wenn Gerichtsverhandlung war, dafür sorgen wollen, dass die die in der Enklave, so hieß das, wohnen 30 Familien und nur eine Pumpe, dass da endlich Wasser hingelegt werden würde. Denn die Firma war reich, die konnte sich das spielend leisten. Na ja, das war nicht einfach und die haben schon gelacht im Rathaus, haben sie mir später erzählt, morgen kommt die Eva wieder, da gibt’s wieder so 'ne … Also ich hab mich immer versucht durchzusetzen, vielleicht auch aus Menschenliebe heraus. Ich hab wirklich mit denen gelitten, weil ich selbst auch Flüchtling war und wusste, wie schlecht wir behandelt worden sind und jetzt kommen die und ich sollte zusehen. Nee, das wollte ich nicht. Ja, und mit mir … und dann hat ich also nebenbei ja ziemlich viel Frauen noch aus der Kämmerei, wo ich ja herkam, alles gute Frauen, kamen aus Schlesien und wir hatten da eine Gruppe gebildet, eine Frauengruppe, die mich sehr unterstützte. Und diese Frauengruppe, mit der hab ich die geistig behinderten Kinder betreut. Die Frauen haben … sind mit den Kindern spazieren gegangen. Nach jeder Veranstaltung haben wir gesammelt, haben für die was gekauft, dann 'ne Ampel, dass sie wussten wie man über die Straßen geht und so. Wir haben also für diese Kinder sehr viel gemacht. Und so war das jetzt nun mit den Gastarbeitern. Ich hatte bald 'n Namen: die Syndikate-Eva. (lacht) Also Gewerkschaft für sie. Wenn da irgendwas war: Syndikate-Eva. Mein Büro war immer voll und meine Sekretärin, 'ne Deutsche, war ein kluges Mädchen, aber gezackte Nerven, wenn da vier, fünf standen, dann hat sie getobt mit mir (lacht). Was soll das, ich kann nicht schreiben. Da hab ich ihr gesagt: Also pass mal auf, meine Liebe, das wirst du lernen. Denen geht’s viel schlechter als dir und da will ich hören, was die haben und ob wir helfen können. Und dann haben wir als nächstes mit Betriebsversammlungen, wir konnten ja nicht an die Leute ran, wir konnten weder Griechisch noch Türkisch, und dann gab’s zwei, einen in der Wolle, einen in der Jute. Den einen haben wir auf die Gewerkschaftsschule geschickt und haben aus ihm 'n Gewerkschaftssekretär gemacht und Dolmetscher und dasselbe auch in der Jute. Ja, und nu hatt ich ja immer noch Sorgen, was machen wir jetzt. Dann haben wir ein Gemeindebüro geschaffen, weil das war ein Seltenheitswert. Das gab’s für keinen Gastarbeiter irgendwo und die SPD war da also immer mit dabei, der ganze … die waren alle SPD-Leute erst mal noch. Später wurde es ja auch wieder anders. Ja, und dann haben wir den gehabt und hatten wir Sprechstunden. Also, wussten sie genau, dann ist die Eva da und dann kamen sie, oder auch einer von der Gewerkschaft, ein anderer. Also wir haben viel, sehr viel für die Gastarbeiter getan.
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Eva Kaiser wurde am 3. Juni 1928 in Stettin geboren. Nach dem Besuch der Volksschule absolvierte sie eine Lehre als Industrie- und Handelskauffrau, die sie wegen der Flucht 1945 abbrechen musste, aber in Abendkursen an der Volkshochschule in Oldenburg komplettieren konnte. Hauptamtlich tätig bei der Gewerkschaft Textil-Bekleidung (GTB) war Kaiser ab 1960, zunächst als Sekretärin in der Verwaltungsstelle Delmenhorst, später als Geschäftsführerin ebendort. Von 1970 bis 1977 arbeitete sie als Bezirkssekretärin in der GTB-Bezirksleitung Hannover, ehe sie 1977 als Frauensekretärin in die Hauptverwaltung der IG Chemie-Papier-Keramik (IG CPK) ebenfalls in Hannover wechselte. 1982 wurde Kaiser vom Beirat als Nachfolgerin von Liesel Winkelsträter in den geschäftsführenden Vorstand der IG CPK gewählt und zwei Jahre später im Amt bestätigt.

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