Eva-Maria Stange

Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft
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Wiedervereinigungi
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Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)i
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Ich bin Jahrgang 1957, bin in Mainz geboren, was immer etwas ungewöhnlich dann erscheint und immer zu Diskussionen führt. Meine Eltern haben eine, sie haben einen Ausflug nach Mainz gemacht von 1956 bis 1958 und in dieser Zeit bin ich geboren. Eigentlich kommen wir aus Magdeburg, da waren meine Großeltern und dort war auch der eigentliche Wohnort meiner Eltern, bis sie in den „Goldenen Westen“ gingen, der dann doch nicht so golden war. Das heißt, ich bin also im Osten sozialisiert, über den überwiegenden Teil meines Lebens und auch hier aufgewachsen, in die Schule gegangen und habe auch hier studiert. Zu meinen Eltern vielleicht so viel: Mein Vater war ungelernter Kraftfahrer, also ungelernter Facharbeiter und Kraftfahrer dann, hat also sehr viel gearbeitet in seinem Leben. Meine Mutter war überwiegend Hausfrau. Ich habe zusammengelebt mit einem meiner Geschwister, einem Bruder, einem jüngeren Bruder. Wir sind ... Wir haben sowohl in Magdeburg viele Jahre gelebt, dann aber vor allen Dingen auch in Elsterwerda und dann seit 1974 lebe ich hier in Dresden, also schon doch ein paar Jährchen. Hier habe ich auch mein Abitur gemacht in Dresden und habe dann auch auf Lehramt studiert. Ich bin also von meiner Profession her Lehrerin, habe das Lehramt für Mathematik und Physik zu DDR-Zeiten studiert, hier an der Pädagogischen Hochschule und war dann auch in dem Beruf tätig, bis ich mich entschieden habe dann auch zu promovieren. 1985 habe ich dann im Bereich der Physikmethodik, wie es damals hieß, heute Physikdidaktik, promoviert und halte das auch nach wie vor für eine ganz spannende Wissenschaft. Ich war dann viele Jahre auch, also viele Jahre jetzt nicht, aber doch etliche Jahre in der Lehramtsausbildung auch tätig und zwar bis, eigentlich bis zur Wende, bis 1989.
Ich war in dieser Zeit ... bin dann auch aus dieser gewerkschaftlichen Tätigkeit heraus auch in den Personalrat, den Bezirkspersonalrat gewählt worden und habe auch über diese Arbeit dann im Bezirkspersonalrat natürlich viel erfahren, über auch persönliche Schicksale. Also ich will das mal an einem Beispiel nennen: Wir haben angefangen, auch die Personalräte waren für uns ja was vollkommen neues gewesen, wir mussten alle lernen, sowohl diejenigen, die in dem Personalrat drin waren, als auch die Behörde, das Regionalschulamt damals, mussten lernen, was es heißt, Personalvertretungsgesetz und welche Rechte, welche Pflichten sind da auch zu erfüllen. Und wir haben unsere Arbeit begonnen im Schuljahr ´91/´92, als neu gewählter Bezirkspersonalrat hier im Regionalschulamt Dresden und an dem ersten Tag brachte uns der Leiter der Behörde 200 Kündigungen auf den Tisch, die wir innerhalb von, ich weiß es jetzt nicht mehr, 14 Tagen, wie die Fristen waren, ja zu denen wir uns positionieren sollten als Personalrat. Das ist eigentlich die schwierigste Situation, die einem als Personalrat – auch wenn man etabliert ist und wenn man Ahnung hat vom Gesetz und so weiter – passieren kann, dass man eine Kündigung auf dem Tisch hat und sich mit einer Kündigung auseinandersetzen muss. Und das war aber damals die Regel. Also ganz viele, insbesondere politisch begründete, Kündigungen, die den Personalräten vorgelegt wurden und wir mussten also ... wir wurden in das Wasser geworfen und mussten damit umgehen. Das hat mich sehr geprägt, also bis in meine spätere gewerkschaftliche Tätigkeit auch hinein, weil die GEW sehr früh erkannt hat, dass man nicht Blindlinks diesen Kündigungen folgen kann, auch wenn es zu dieser Zeit eine Art Hetzjagd schon gegeben hat, gegen Beschäftigte im öffentlichen Dienst und insbesondere in den Schulen, die Schulleiter waren oder eher Bürgermeister mal gewesen sind, natürlich Leute die Staatsbürgerkunde unterrichtet hatten, oder Freundschaftspionierleiter oder auch Parteisekretär an der Schule gewesen sind. Also es war ja alles ein Topf, bis hin zu den Stasi-Akten natürlich, wenn jemand eine Stasi-Akte hatte, dann war der per se schon mit in dem Kündigungsstapel mit drin, ohne das nochmal hinterfragt wurde, was steht eigentlich in der Akte wirklich drin. Und wir haben dann als Personalräte, also die GEW-Personalräte muss ich immer sagen, weil sich die Vertreter des Beamtenbundes schon anders verhalten haben, aber die Personalräte der GEW haben sich in Abstimmung mit der GEW und mit Juristen dann auch dazu entschieden, wirklich jede einzelne Akte genau zu prüfen und genau zu prüfen, ob es gerechtfertigt ist auch als Personalrat die Zustimmung zu geben, zu der Kündigung oder wie es ja auch möglich ist, sich der Stimme zu enthalten, also keine Stellung dazu abzugeben, so dass der Rechtsweg für den Betroffenen auch eher eingelegt werden kann. Denn wenn der Personalrat zustimmt, ist es auch für den Betroffenen schwer vor Gericht zu ziehen, mit dieser Kündigung.
Also, unsere GEW, manches habe ich ja damals schon mitbekommen, nämlich die GEW ist, das muss man dazu sagen, anders als alle anderen Gewerkschaften ja eine föderale Organisation, das heißt, die Landesverbände haben Personalhoheit über ihre Beschäftigten und Organisationshoheit und natürlich finanzielle Hoheit über ihr Geld. Und das ist anders als zum Beispiel bei der IG Metall oder bei ver.di oder damals ÖTV, wo ja die Gesamtorganisation auch für die Teilgliederungen, also ein zentralistisch organisierter Apparat ist. Wir sind föderal organisiert, das heißt, die Bundesorganisation hat den Aufbau mit unterstützt, aber die tatsächliche Hilfe kam aus den Landesverbänden. Also bei uns hat zum Beispiel der Landesverband Nordrhein-Westfalen und teilweise Baden-Württemberg sehr stark mitgeholfen. Das hing auch damit zusammen, dass Sachsen ja mit Baden-Württemberg, also das Land Sachsen mit Baden-Württemberg kooperiert hat. Damit haben sich unsere Kollegen in Baden-Württemberg auch stärker für die Gewerkschaftsarbeit hier interessiert und engagiert und die haben beim Aufbau der neuen Organisationsstrukturen vor allen Dingen geholfen. Also die sind nicht hierhergekommen und haben gesagt: „Das ist unsere Beschlusslage und die müsst ihr jetzt umsetzen!“, ich überspitze es jetzt mal ein bisschen, oder wir sagen euch wie Organisation funktioniert, sondern die haben uns einfach geholfen, diese gewerkschaftlichen Organisationen auch aufzubauen oder zum Beispiel auch die Personalratsschulungen, die sind sehr stark von einem Kollegen aus Baden-Württemberg durchgeführt worden, was uns sehr, sehr geholfen hat damals, dieses neue Instrument personalrechtlicher Arbeit überhaupt nutzen zu könne, auch als Teil gewerkschaftlicher Arbeit dann. Und es haben sich alle Kollegen ja wieder, also diese gewerkschaftliche Unterstützung hat sich ja dann wieder zurückgezogen. Das ist also nicht ... Wir haben auch hier keine Funktionäre aus dem Zentralapparat oder irgendwas, sondern das ist alles eine Rekrutierung aus den eigenen Reihen gewesen, also alle Kreisverbände, Landesvorstand und so weiter, das sind alles Kollegen aus den Einrichtungen gewesen oder eben zu mindestens aus Sachsen, also es sei denn, sie sind zu dem Zeitpunkt schon hierher gezogen gewesen und waren dann schon quasi Sachsen, mehr oder weniger. Es sind also keine jetzt, die vom Hauptvorstand gekommen wären oder aus dem geschäftsführenden Vorstand der Bundesorganisation und hier etabliert worden wären, sondern es ist eine komplette Besetzung aus der Organisation selbst, aus Wahlen aus der Organisation selbst. Und von daher war die Hilfe aus der West-GEW sehr gut. Die westliche GEW hat ja ähnlich, wie das auch bei der SPD der Fall gewesen ist, war sehr skeptisch gegenüber dieser Art des Einigungspro... oder der Wiedervereinigung, wie schnell sie gelaufen ist und wie sie verlaufen ist, also auch was das Thema Angliederung anbelangt, hat es sehr viel Skepsis gegeben, ob das der richtige Weg ist. Ja, und wie gesagt, gelebt wurde auch etwas anderes, gelebt wurde eben diese Eigenständigkeit: „Also ihr müsst selber wissen, was für euch gut ist! Wir sagen euch, wie so etwas funktionieren könnte, wie man Mitgliedsbeiträge einzieht und solche Sachen, aber ihr müsst es selber organisieren!“ Und das fand ich sehr hilfreich, das hat uns auch sehr stark gemacht und gut, da kann ich nachher noch was dazu sagen, das hat auch dazu geführt, dass die Ost-GEW in der Tat anders gearbeitet hat, von Anfang an auch eine andere Vorstellung von gewerkschaftlicher Arbeit hatte, als die West-GEW.
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Eva-Maria Stange wurde am 15. März 1957 in Mainz geboren, ihre aus Magdeburg stammenden Eltern siedelten 1958 wieder in die DDR über. Nach ihrer Schulzeit in Elsterwerda und Dresden nahm sie 1975 ein Studium als Diplomlehrerin für Mathematik und Physik an der Pädagogischen Hochschule in Dresden auf. Nach ihrem Abschluss arbeitete sie zunächst als Lehrerin in Dresden und promovierte danach an der PH Dresden auf dem Gebiet der Physik-Methodik.

Nach Tätigkeiten in der Lehramtsausbildung und Forschung sowie als Lehrerin an einem Gymnasium in Dresden wurde sie 1992 Vorsitzende des Bezirkspersonalrates Gymnasien in Dresden. Von 1993 bis 1997 war Stange Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) in Sachsen und daran anschließend bis 2005 Bundesvorsitzende der GEW. Neben ihrer gewerkschaftlichen Tätigkeit war und ist sie in zahlreichen kulturellen und sozialen Institutionen wie dem Deutschen Nationalkomitee für Denkmalschutz und der Volkssolidarität Dresden e.V. engagiert.

Als Mitglied der SPD war Stange unter anderem von 2006 bis 2009 Staatsministerin für Wissenschaft und Kunst in Sachsen, seit 2009 ist sie Mitglied des sächsischen Landtags. 2010 wurde sie zur stellvertretenden Parteivorsitzenden der SPD in Sachsen gewählt.

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