Ghaouti Mimoune

IG Metall
IG Metall
Audio 1 – 5:59
Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)i
Audio 2 – 5:08
Angestelltei
Betriebsrati
Betriebsverfassungsgesetzi
Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB)i
Migrationshintergrundi
Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)i
Audio 3 – 5:04
Angestelltei
Betriebsrati
Unternehmeni
Betriebsversammlungi
Audio 4 – 2:17
Betriebsrati
Arbeitgeberi
Audio 5 – 1:35
Arbeitgeberi
Ja, äh, es ist eigentlich eine ganz, ganz spannende und, und ähm, ja, ähm, schmerzvolle, äh, Geschichte. Ich habe sehr früh meine Eltern verloren. Meine Mutter, äh, im ersten Lebensjahr und meinen Vater dann im sechsten. Ich wurde durch eine Oma erzogen. Sie hat, während der Kolonialzeit, fünf Kinder durchbringen müssen mit Saisonarbeit bei den colons ja. Ich äh, war in der glücklichen, trotzdem in der glücklichen Lage, jemand zu finden, der mich, äh, gefördert hat, mit seine Kinder hat er mir Hilfe, Unterrichtshilfe dann gegeben und äh, ich habe die Chance dann die französische Volksschule dann, äh, zu besuchen. Und später eine Schreinerlehre zu lernen, dreijährige Schreinerlehre zu lernen in Algerien. Ähm, mangelnde Arbeit, Beschäftigung in Algerien nach der Ausbildung habe ich mit 17, äh, Algerien verlassen. Da tobten schon die, äh, ähm, Waffen. Äh, es war ja Befreiungskrieg und das hat mich dann sehr früh gepackt. Weil ohne politisch reif zu sein, war mein Herz und mein Kopf bei der Befreiungsbewegung. Ich hab nur gehofft und geträumt davon, mal kontaktiert zu werden. Mit 17 habe ich aber Algerien, wie gesagt, schon verlassen nach Frankreich und dort wurde ich sofort von der FLN kontaktiert. Ich bin dann mit 17 habe ich angefangen zu aktivieren und äh, es hat dazu beigetragen, dass ich mit 19 verhaftet wurde, eine Woche lang gefoltert und äh, zwei Jahre im Gefängnis verbracht. In Frankreich und zwar, äh, in Macon, in Dijon und in Besançon. In Dijon habe ich die Aufgabe gehabt oder wurde ich als Sprecher der politischen Gefangenen. Aufgrund dieser, äh, Aufgabe, Verantwortung konnte ich die zum Tode Verurteilten, äh, besuchen, ja. Zwei davon wurden guillotiniert, und das hat mich sehr, sehr stark geprägt, ja. Also ich wurde nicht gebrochen, was die die die Franzosen gehofft haben, sondern das hat mich dann sehr stark geprägt. Und nach meiner Entlassung zwei Jahre später, wurde ich noch mal oder habe ich noch mal Kontakt aufgenommen mit der FLN, weil die Franzosen dann mich, äh, zu dem französische Armee einziehen wollten gegen der eigene, äh, Bevölkerung, gegen der eigene, äh, Armee dann zu kämpfen in Algerien. Äh, da hat der FLN mich dann nach Deutschland, ähm, ja delegiert, äh, weil wir in Deutschland eine sehr gute Basis hatten. Das waren damals ja die, die Gewerkschaften oder hauptsächlich die Gewerkschaften und die Jusos, ja mit äh, Hans-Jürgen Wischnewski damals von der SPD und so, ja. Und äh, ja. Ähm, da aber die äh, Verhandlungen mit der Befreiungsbewegung, also die Regierung de Gaulle ja damals die Befreiungsbewegung angefangen haben über eine eventuelle Unabhängigkeit zu diskutieren, hat die FLN beschlossen, ich sag mal ihre, äh, Mitglieder beziehungsweise ihre, ihre Verantwortlichen, äh, ich sag mal, ähm, ja in ihrer Basis zu, zu behalten, ja. Und da war ich dann, ähm, bin nach Böblingen gekommen und habe da aufgrund eben der Hilfe durch die Gewerkschaften habe ich Arbeit bei Daimler-Benz sofort aufnehmen können.
Ja, ähm, nach der Ausbildung, Techniker-Ausbildung, äh, habe ich eine, hab ich mich bei der Firma Schmidt in Bretten, sie hieß ja W. Schmidt, Bretten, ähm, beworben und auch eingestellt, ja. Und ähm, ja, hatten, hab ich dort, äh, als äh, Maschinenbautechniker, ähm, gearbeitet, und natürlich wollte, wollte ich auch, ähm, das war 1971, und dann wollte ich auch so, Mitglied war ich ja sowieso, sagen wir mal, der IG Metall und äh, wollte ich mich, ja, oder es hat mich ja interessiert, die Betriebsratsarbeit. Ja, weil das war ja ein typischer Familienbetrieb, Angestelltenbetrieb, der ja nicht, äh, politisch war, ja. Da waren kaum Mitglieder, ja, obwohl ja die, die, ähm, die äh, Be-, Beschäftigtenzahl, äh, bei, kurz vor 300 etwa, ja. Die ist ja bis in die Spitzenzeiten bis auf 350 dann gestiegen, ja. Es war wie gesagt kein, äh, mh, ja, politischer Betrieb, ja. Und äh, da ich ein politischer Mensch immer gewesen war, (pocht auf den Tisch) äh, wollte ich auch zu dem Betriebsrat, ja, äh, kandidieren. Und damals, und das ist das, was ich heute, also 2011, äh, den deutschen Gewerkschaften immer und auch die, die SPD von damals, ja, gut anrechne ist, dass man dafür sorgt, den Betriebsverfassungsgesetz zu novel-, novellieren und den Ausländer das passive und aktive Wahlrecht zugesteht, ja. Und durch die Novellierung in der Siebziger Jahre, konnten ja die Ausländer wählen und gewählt werden, ja. Und aufgrund dessen wurde ich dann neunzehnhundertsechund-, weiß ich nicht mehr genau, ’76 oder so (pocht auf den Tisch), nicht, ja. Äh, man musste ja prüfen, ob ’76 da Betriebsratswahlen gegeben hat, etwa in der, in der, in der Zeit konnte ich dann, äh, ja, kandidieren und auch, äh, siehe da, obwohl es kein, äh, Ausländerbetrieb war, weil damals war es, hat es immer geschwankt dann zwischen drei und fünf ausländische Beschäftigte dann in diesem Betrieb, ja, wurde ich dann zum Betriebsrat gewählt, ja. Dann habe ich dann dort aktiviert und äh, meine Aktivitäten sind zu meiner, ähm, politische Überzeugung. Ich bin meinen Prinzipien treu geblieben, ja. Also äh, nicht nur reden, sondern aktivieren und aktivieren für das, was man sagt. Äh, und das war ja ein Mangel an der Betreuung der Ausländer, habe ich festgestellt, sowohl in der Gesellschaft wie auch in der, in der Politik, also auch in den Gewerkschaften. Die Gewerkschaften waren mit den Aktivitäten der Ausländer sehr zufrieden. Die haben, wenn ich jetzt zurückdenke an den, an den Reden oder Gewerkschaftstagen oder Konferenzen der IG Metall, ja, wurden die Ausländer immer gelobt für ihre Aktivitäten bei Forderungen der IG Metall, ja. Allerdings war sichtbar, feststellbar, dass die Ausländer nirgends vorhanden waren, was die Führungsgremien der IG Metall oder des DGB, ja, war. Ich weiß nicht warum, ja. Und ich habe da ein Feld gefunden, um meine IG Metall auch in diesem Bereich, sprich Integration, nach vorne zu bringen.
Natürlich, ich, ich hab ja, glaube ich, am Anfang gesagt, ich sag mal das, äh, der Betrieb eine schlechte und für meine Begriffe sehr schlechten Organisationsgrad, ja, weil ich setz ein bissle, die Latte ein bissle höher als manche vielleicht, ja. Und was man von einem Gewerkschafter fordert oder fordern muss, ja. Ja. Ähm, ich, es ist mir gelungen, ich sag mal, da waren im Angestelltenbereich und das kann man ja, äh, ich sag mal, nachforschen, wenn man ja wirklich wollte, ja. Im Ange-, Angestelltenbereich waren vielleicht fünf Mitglieder, ja. So. Und äh, aufgrund meiner Aktivitäten, beziehungsweise Überzeugungsarbeit, beziehungsweise meiner, äh, wie sagt man da, Stellungnahmen bei Betriebsversammlungen und so weiter, ist es mir gelungen, äh, den Sympathisantengrad bis auf 60, 65 Mitglieder vom Angestelltenbereich, ja, äh, ich sag mal zu haben. Damals wurde, äh, über den Regie-, den äh, bezirklichen und den nationalen Durchschnitt, ja, ich sag mal im Angestelltenbereich, weil, ich hatte ja eine, eine Vorgehensweise, äh, zu kommunizieren, eine besondere Vorgehensweise zu kommunizieren, ja. Wenn von der IG Metall Flugblätter kamen oder Zeitungen kamen, habe ich nicht, wie es üblich war in vielen Betrieben, dass man die in eine Ecke gestellt hat mit dem Verzeichnis Gewerkschaft oder was weiß ich oder auf eine Treppe, sondern ich habe mir zur Aufgabe gemacht, jedem Mitglied, das auszuhändigen. Da wir aber in Büros Großräume hatten, in einem Büro war nie allein, es sei denn es war der Chef, ja. Da waren immer zwei, drei, ja. Und so konnte ich nicht nur unser Mitglied ansprechen, sondern die Gruppe. Es war immer so, dann habe ich da die Zeitung und dann fing dann das Gespräch an. „Ja, was machst du, wie geht’s oder was, gibt’s was Neues?“ Weil meistens meine Kolleginnen und Kollegen im Betrieb, der Betriebsrat weiß immer was, ja. Oder wenn er irgendwas, wenn die ihn stehen sehen mit dem Chef oder mit irgendeinem, ein, ein Leiter und das sind Gewerbliche in dem Angestelltenbereich, dann heißt es: Oh da, der erfährt was Neues, ja. Und dann heißt es sofort: „Ja, gibt’s was Neues?“, ja. Und dann die so genannte Buschtrommel, was sagt die Buschtrommel, ja. Also, also ich habe mir einen ganz anderen dann Aufgabe gemacht, und zwar, ja, die Kommunikation direkt zu machen, ja. Später als ich dann Betriebsratsvorsitzender wurde, konnte ich sogar den gewerblichen Bereich erreichen. Also habe ich meine Rundgänge auch im Betrieb gemacht, ja. Also ich bin nicht nur in, durch die Büros, sondern bin auch so durch die Halle, ja, so so. Es ist ein Familienunternehmen, der groß ist, aber es ist nicht Daimler-Benz oder, oder BMW, ja. Aber es ist groß für unsere Verhältnisse. Und dennoch habe ich mir die Mühe gemacht wie gesagt, einen Rundgang zu machen und das Gespräch zu suchen, ja. Wenn jemand was gefragt hat, ja was Neues, dann bin ich hin und hab gesagt, ja, so und so. „Ja, ist deinerseits was Neues, ja? Ja läuft da bei euch?“, oder so. Und ich glaube, äh, das hat ja wie du das siehst in den, in den Unterlagen der Betriebsratswahlen und Bekanntmachung des Ergebnisses, dann siehst du ja schon allein der Abstand zum zweiten oder zu dem gewerblichen Bereich, ja. Weil da sind Gewerbliche und Angestellte, ja. Es ist für meine Begriffe dann groß, ja. Also der Ausländer wird gewählt und so. Warum wird der Ausländer gewählt? Es ist nicht, weil er ja, was weiß ich, äh, heilig ist, sondern weil er was macht.
Weil ich kann nur ein starker Betriebsrat sein, wenn ich eine starke Gewerkschaft hinter mir habe, ja. Und eine starke Gewerkschaft kann nur stark werden durch Mitglieder. Und auch der Arbeitgeber guckt zu und sagt, wenn er, wenn er merkt: Aha, viele gehen hin, freiwillig zu der Gewerkschaft. Dann hat er auch das registriert, ja. Und da hat er auch ja, er weiß ja auch, was das für ihn bedeutet, er muss Zugeständnisse machen, ja. Aber er hat’s viel leichter, wenn die Betriebsräte und ich glaube, ich bin mir sogar sicher, ich wage es zu sagen, dass viele Arbeitgeber von uns mehr gelernt haben als wir von denen. Die kennen unsere Schwachpunkte, das habe ich dann erlebt. Früher als wir mit’m Arbeitgeber dann irgendwie verhandelt haben, ja sind wir dann, ich sag mal, haben wir uns geeinigt über den Termin, ja konnte man da und da und das über das und jenes. So. Da sind wir hin und dann haben wir über Probleme da dann. Und, und heutzutage oder, oder äh, bevor ich ausgeschieden bin, hat man ja eine Tendenz feststellen können, die, wenn man zu dem Geschäftsführer kam, ja sagt er, „Ja.“ Ruft er die Sekretärin, bringt Kaffee und so, „Kommt mal hin.“ Also diese psychologische Sache, ja, ja, diese, diese, die haben wie gesagt viel mehr von uns gelernt als wir von denen. Und deshalb sage ich ja, diese Kommunikation, ich kann keinem Kollegen dann Kaffee bieten, wenn ich zu ihm oder zum Arbeitsplatz und so. Aber ich kann ihn besuchen. Ich kann ihn regelmäßig besuchen und das steht mir zu als Betriebsrat. Ja, so. Und wenn ich das regelmäßig machen würde, dann bin ich mir fest davon überzeugt, wir hätten eine ganz andere Mannschaft.
Deshalb war meine Forderung immer gegenüber der IG Metall, weil ich ja der Überzeugung war, dass Gewerkschaftsarbeit ist tägliche Arbeit. Nicht nur im Betrieb, sondern auch am Stammtisch. Man muss sich bekennen. Man musste sich positionieren. Es ist wichtig und fördernd, nach vorne. Da ich aber oder das weiß man ja, in einer Konferenz hat man nicht viel Zeit, die Redezeit ist immer begrenzt, sei es fünf Minuten oder zehn Minuten, je nachdem, ja. Also habe ich diese Minuten, die ich ja reden durfte, konzentriert auf unsere innere Arbeiten, weil ich ja meine Arbeit im Betrieb machte, ja, die politische Arbeit, die gewerkschaftliche Arbeit war für mich eine Selbstverständlichkeit, ja. Also zu, äh, auf dem Pult, (pocht auf den Tisch) äh, zu-, zu hauen und zu sagen, „Die Arbeitgeber sind dies, die Arbeitgeber sind das oder, oder die Parteien sind dies oder sind das, das ist das tägliche. Aber die, die wahren Probleme, die ja auch uns, äh, beschäftigen müssten, sind auch: Was machen wir in unseren Reihen?
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Ghaouti Mimoune wurde am 27. April 1939 in Algerien geboren. Nach dem Tod seiner Eltern wuchs er mit seinen Geschwistern bei der Großmutter auf. Im Alter von 14 Jahren kam er in ein Internat und absolvierte eine Schreinerlehre. 1957 ging er nach Frankreich, wo er in einer Ziegelei arbeitete. Wegen seines Engagements für den Front de Libération Nationale (FLN) wurde er Anfang 1959 verhaftet und gefoltert. Die folgenden zwei Jahre war er im Gefängnis von Dijon inhaftiert.

Um den französischen Militärdienst zu umgehen ging Mimoune nach seiner Freilassung nach Deutschland, wo er mit Hilfe der IG Metall eine Lehre als Blechschlosser in Mannheim begann. 1964 unterbrach er die Ausbildung, um erneut für den FLN in Frankreich tätig zu werden. Als Mitglied der innerparteilichen Opposition wurde er nach dem Militärputsch 1965 in Algerien aus Frankreich ausgewiesen.

Mimoune kehrte nach Deutschland zurück und beendete seine Ausbildung. Anschließend besuchte er die Techniker-Schule in Mannheim und fand eine Anstellung als Maschinenbautechniker bei der Firma Schmidt in Bretten. Dort wurde Mimoune, der 1967 in die IG Metall eintrat, 1975 in den Betriebsrat gewählt. Von 1990 bis 1999 war er freigestellter Betriebsratsvorsitzender.

Darüber hinaus gehörte Mimoune der Vertreterversammlung der IG Metall Bruchsal-Bretten an. 1977 war er an der Gründung des Ausländerausschusses der IG Metall Bruchsal beteiligt, zudem war er bis 2000 Vorsitzender des Ausländerausschusses der IG Metall in Baden-Württemberg. Mimoune setzte sich auch abseits der Gewerkschaftsarbeit intensiv für Ausländerfragen ein.

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