Hans Berger

IG Bergbau und Energie
IG Bergbau und Energie
Video 1 – 5:02
Arbeitslosigkeiti
Bergbaui
Nationalsozialismusi
Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)i
Reichsbanner Schwarz-Rot-Goldi
Steigeri
Video 3 – 2:43
Arbeitgeberi
Bergbaui
Tarifverhandlungi
Arbeitsdirektori
Pardon, ich muss noch vorher noch einfügen, ich wurde dann im Rahmen, nachdem ich, wie der Obersteiger gesagt hatte, es hat keinen Zweck, wurde ich zum Leiter des Ausbildungswesens gerufen, der hieß Gielen. Gielen, ja, und der erzählte mir dann, will ich Antrag auf Wehrdienstverweigerung gestellt hatte, sagt er, warum ich das machen würde. Das ging doch nicht. Das wäre doch vaterlandslos und wir wären doch ein Volk ohne Raum, wir müssten doch usw. Und als ich ihm gesagt habe, wir wären besser dran gewesen, wir hätten Traktoren als Panzer gebaut usw., war das Gespräch schnell zu Ende. Aber auch das erzählte ich meinem Vater und dann kam er mit einer Sache heraus, die er uns nie, auch der Familie nicht, erzählt hatte. Er war ja in Bayern geboren, wie ich sagte, und in Anfang der 20er Jahre wurden in Kochel das Walchensee-Kraftwerk gebaut. Da hat er und seine Brüder gearbeitet und bei dieser Arbeit gab es einen Polier, so nannten die sich auf dem Bau, auch heute noch, der alle in die NSDAP aufgenommen hatte. Mein Vater war auch darunter und im November 1923 hat er die alle aufn Lastwagen geladen und hat die nach München zum Marsch auf die Feldherrenhalle geschickt. Mein Vater ist da mitgewesen, ausgeladen worden, haben demonstriert, er ist angeschossen worden, zurück zum Walchensee-Kraftwerk, weiter gearbeitet, entlassen worden, arbeitslos und dann ist er dann aufgehoben worden für den Bergbau. 2…1933 erschien dieser Gielen mit zwei anderen auf dem Arbeitsplatz meines Vaters an der Grube und dann hat er gesagt, du bist doch der Johann Berger. Ja. Du bist doch ein altes Parteimitglied. Hat er gesagt, ja, ich kann mich erinnern, dass ich da mal in Walchensee da Mitglied war, aber das ist längst vorbei. Also er muss, wenn ich mich recht erinnere, so eine Mitgliedsnummer unter 15.000 gehabt haben und er war dann als Blutordensträger eingetragen. Sie wollten also ihn da 1933 überreden, wieder Mitglied zu werden, denn diese Alsdorfer SA-Mannschaft, die nahm an Reichswettbewerben teil und die kriegten dann Punkte und die waren immer gut bepunktet, aber denen fehlten solche alte Genossen und Blutordensträger, die hätten hohe Punkte bekommen, aber mein Vater hat gesagt, mach ich nicht. Und sie drängten ihn und da hat er gesagt, wenn ihr mich nicht in Ruhe lasst, schreibe ich dem Adolf Hitler. Davor hatten die Angst, aber die Frage für mich, warum hat mein Vater da nicht angebissen, hätte sich ja beruflich da sofort verbessern können, denn da gab es also in Alsdorf ein großes Fuhrgeschäft, die haben sofort gesagt, er kommt jetzt zu uns in eine gute Position. Mein Vater war, als er da nach Aachen kam, wurde er natürlich auch Gewerkschaftsmitglied, das war ja auch üblich, aber er wurde dann auch Mitglied der SPD. Also ganz genau weiß ich das nicht, aber er wurde jedenfalls beim Reichsbanner Mitglied und alle seine Arbeitskollegen waren entweder Sozialdemokraten oder Kommunisten, Reichsbanner, Rotfrontkämpfer usw. Und ich vermute nun mal, dass natürlich also auch die … dass er da untendurch gewesen wär, bei all seinen Freunde, wenn er damals der NSDAP beigetreten wäre, dass das wohl einer Hauptgründe war, warum er sich da hat nicht einfangen lassen, aber es kann auch viel ehrenwerter gewesen sein. Aber man ist ja nun misstrauisch nach all dem, was man so liest und auf der andern Seite weiß ich, dass mein Vater sofort nach dem Krieg auch wieder Mitglied der SPD geworden ist, nach dem Zweiten Weltkrieg, und das also bei uns die Hitler-Verehrung, wir hatten zwar ein kleines Hitler-Bild im Wohnzimmer hängen, aber die war nur reduziert, aber auch das hatte ja damals mit diesen SA-Leuten zu tun, die die Häuser inspizierten und die jeden, der so ein Bildchen nicht hatte, sofort als ihren Gegner betrachteten. Also mein Vater hatte abgelehnt und dieser Gielen erinnerte sich wohl, als dessen Sohn dann plötzlich so ʼnen Aufsatz schrieb, dass da wohl einer ist, den man unter besser mal ausschalten müsste und meine Kollegen aus der Gewerkschaft, aus den Betriebsräten, die waren damals also noch nicht so sehr, dass sie sich für mich einsetzten, weil denen war ich zu links. Als Mitglied der Sozialistischen Jugend, als jemand, der auch Karl Marx las und so was, das war natürlich für die also anrüchig, sodass die also im Prinzip sagten, der soll erst mal richtig arbeiten lernen, bevor der dann diese Steiger-Schule besucht und andere Leute irre macht.
Das führte auch dazu, dass er dann, nachdem ich den Anschluss gefunden hatte, darauf drängte, aufs Gymnasium zu gehen. Ich hatte also anderthalb Jahre Zeit nach meiner Rückkehr aus Bayern, mich also auf die Prüfung, es gab damals Aufnahmeprüfungen, vorzubereiten. Ich hatte die Prüfung bestanden, aber dann gab es den Schreck, dass wir hörten, wir mussten Schulgeld bezahlen. Da wir kinderreich waren, statt 20 Mark nur 10 Mark, aber die 10 Mark fielen unserer Familie schon schwer. Das hatte einmal den Grund, dass eh die Löhne sehr niedrig waren und mein Vater hatte ständig mit dem Magen Probleme und deshalb musste er öfter krankfeiern, sagte man, aber feiern war das ja nicht, wenn man Magenschmerzen hatte, sondern war arbeitsunfähig erkrankt und dann wurden damals schon die Löhne beträchtlich gekürzt. Wir kamen schon mit dem normalen Lohn nicht über die Runden und mit den 70 oder 75 %, die bei Kinderreichen dann noch übrigblieben, war kaum das normale Haushaltseinkommen aufzubringen geschweige denn auch noch Schulgeld. Aber neben diesem Schulgeld spielte natürlich auch eine Rolle, meine Eltern konnten mir keine Bücher kaufen, keine ordentliche Kleidung, die sozusagen dem Rahmen gemäß war, in dem man dann lebte. Ich erinnere mich grade, was die Kleidung angeht, an eine Geschichte. Ich hatte einen Kommunionanzug, den hatte ich noch aus Bayern mitgebracht und der wurde so oft gewaschen, weil das ja immer alles sauber sein musste, meine Mutter war eine sehr reinliche Frau, was ja gar nicht ausblieb, bei engen Verhältnissen und vielen Kindern, da musste man dafür sorgen, dass also Ordnung war und dass Sauberkeit war, sodass der nach vielem Waschen dann so porös war, dass ich also an der Schiefertafel stand, ich dann mit nacktem Hintern dastand. Unterwäsche war für uns damals eine unbekannte Kategorie und das war für mich natürlich sehr einschneidend und ich schämte mich, sodass also es mir sehr unangenehm war, überhaupt am nächsten Tag noch in die Schule zu gehen, aber es kamen auch weitere Dinge hinzu. Es kam dann hinzu, dass beim Schulausflug, den also dann Verwandte von uns bezahlten, dass ich dann 20 Pfennig mitbekam und dann das Essen war im Fahrpreis enthalten und ich hab dann noch ein Eis gegessen, dann waren die 20 Pfennig weg und als ich Durst hatte, dann musste ich dann also an den Rursee da hin und hab dann also aus dem Rursee mit den Händen hab ich also dann getrunken, während andere, die konnten noch ʼne Limonade oder ʼne Coca gab’s, glaub ich, damals noch nicht, kann mich nicht erinnern, aber jedenfalls sie konnten noch ein Getränk zu sich nehmen und das war wieder ein Punkt, wo ich gesagt habe, mein Gott, hier passt du eigentlich gar nicht rein. Und dann kam noch ein weiteres Ergebnis, wir hatten eine Fußballmannschaft, aber Voraussetzung war Fußballschuhe und ʼne Kluft und daran war bei unserer finanziellen Situation überhaupt nicht zu denken. Nach sechs, sieben Monaten oder ein bisschen mehr aufm Gymnasium kam dann der Gerichtsvollzieher und wollte das Schulgeld pfänden. Nun, zu pfänden gab es bei uns nichts, denn das was wir hatten, brauchten wir und das meiste hatten wir nicht, selbst Dinge, die man hätte brauchen können. Also was tun? Mein Vater wurde dann zum Rektor geladen. Der hat dann also großzügig erklärt, das Schulgeld wird erlassen, aber das half mir nicht, denn ich hatte keine Schulbücher und bei einem Haushalt, wie dem unseren, mit den vielen Kindern, mit den engen Räumen, gaben auch diejenigen, die uns kannten, nicht gerne die Schulbücher mit, weil sie alle Angst hatten, da könnte was drankommen. Und da die ja wohl auch nicht so üppig lebten und neue Schulbücher kaufen konnten, hatte man dann also das Problem, dass man seine Aufgaben ohne Schulbücher machen musste und das war nahezu unmöglich. Also habe ich dann entschieden, ich will nicht mehr, obwohl dann Bekannte und Verwandte gesagt haben, wir helfen usw. Aber ich hab also irgendwie mich schon so in schwieriger Lage gefühlt und beschämt gefühlt, dass ich einfach weg wollte vom Gymnasium. Und das ist dann auch geblieben, allerdings mit dem Ergebnis, als ich auf die Schule… Normalschule zurückkam, hat mein Lehrer mich nicht mehr angeguckt. Der war sauer, dass sein Versuch, Kinder aus der Arbeiterschaft aufs Gymnasium zu bringen, gescheitert war. Wir sind mit vier rübergegangen, neben mir drei Schulkollegen, einer, der hatte Eltern, die also finanziell gut dran waren, der ist auch geblieben. Ich weiß auch nicht, was aus ihm geworden ist. Zwei andere, die sind also dann vorzeitig vorm ersten Halbjahr sind die wieder zurückgegangen, aber die kamen mit unserm Lehrer auch ganz gut zurecht, während er mich ignorierte.
Als ich hier anfing, war grade Betriebsratswahl. Es waren grade Tarifverhandlungen und beides haben wir erfolgreich durchgeführt, was natürlich auch dazu geführt hat, dass dann erstens Mal diejenigen, die mich noch nicht kannten, mich akzeptierten, mit Ausnahme des Arbeitgeber … des Vorsitz … des 1. Vorstandsvorsitzenden der Saarbergwerke, Lennert hieß der. Der ist allerdings durch also die … durch unsern Verband weitgehend nach hier zum Vorstandsvorsitzenden gebracht worden, aber ich war ein zu junger Kollege, war zu jung für ihn. Er konnte … Er war älter und er konnte mit mir nichts anfangen. Er hat immer, wenn er Probleme hatte, nicht mit mir gesprochen, sondern mit Adolf Schmidt nach Bochum und der Arbeitsdirektor, der hier war, war auch ein älterer Kollege, der hat mich immer Hänschen genannt sozusagen und ich musste natürlich aufpassen, dass ich nicht hier so ʼn Anhängsel wurde sozusagen, der als nicht eigenständig galt. Und das war natürlich schwer genug und das hat mir schon ein paar … harte Gespräche waren da nötig, um das also sowohl unserm Vorsitzenden, dem IG Bergbau-Vorsitzenden, wie also auch dann dem Arbeitsdirektor zu sagen. Aber ich hatte ein Glück, dieser Vorstandsvorsitzende, der war sehr alkoholfest. Der war kein Alkoholiker, nicht, aber wenn er trank, dann trank er also eine Unmenge. Der konnte so den Schnaps so zweiseitig in den Mund spülen und hinterher auch noch und wenn man mit ihm gesprochen hat, wenn er getrunken hat, er hielt sich daran, was abgemacht hatte und wenn er getrunken hat und ich auch mitgetrunken habe, dann war es so, als wenn wir vernünftig reden konnten. Aber nur in einem solchen Zustand, jedenfalls am Anfang, später hat sich das auch ein bisschen verbessert, aber er hat sich daran gehalten und insofern musste ich dann, also wenn ich was wollte von ihm, eine Gelegenheit suchen, wo wir getrunken haben (lacht leicht). Also Alkohol hat im Bergbau schon oft eine Rolle gespielt bei diesen Dingen. Geprägt war diese Alkoholgeschichte durch die Nachkriegszeit, wo die Bergleute auch im Krieg waren und dann in der Nachkriegszeit, wo es keinen Alkohol gab, war so eine Entzugszeit und als dann plötzlich die Läden wieder voll mit Schnaps waren, dann haben die Alten natürlich nachgeholt und wir Jungen waren zum Teil also Schnapsträger. Ich weiß, wie oft ich als junger Kollege im Betriebsrat gesagt, du bist der Jüngste, jetzt gehst du eine Flasche Schnaps holen. Aber zurück zu den Themen, aber man muss ja wissen, woher so ʼne Geschichte kam. Heute ist also nix mehr von übriggeblieben. Gott sei Dank, sag ich.
Herunterladen Drucken

Hans Berger wurde am 28. Februar 1938 in Alsdorf bei Aachen geboren. 1953 begann er eine Ausbildung im Bergbau, besuchte nebenher die Aufbauklasse und zwischen 1957 und 1959 die Bergvorschule. Währenddessen arbeitete er mehrere Jahre als Bergmann in Alsdorf.

Parallel zum Beginn seiner Ausbildung trat Berger in die IG Bergbau und Energie (IGBE) ein. 1956 wurde er zunächst Schriftführer seiner Ortsgruppe, später auch Mitglied im Betriebsgewerkschafts­ausschuss. 1961 wurde er in den Betriebsrat gewählt, 1962 übernahm er dessen Vorsitz.

Nach einem einjährigen Studium an der Akademie der Arbeit in Frankfurt übernahm Berger 1966 die Aufgaben eines Gewerkschaftssekretärs in der IGBE und betreute zwischen 1967 und 1978 den Bezirk Rheinland (Aachen) als Betriebsräte- und Tarifsekretär. Von 1978 bis 1984 war er Bezirksleiter für den Bezirk Saar, bevor er 1984 in den Geschäftsführenden Vorstand der Gewerkschaft kam und dort die Hauptabteilung Tarifpolitik übernahm. Vier Jahre später erfolgte seine Wahl zum Zweiten Vorsitzenden, 1990 zum Ersten Vorsitzenden der IGBE. Während seiner Amtszeit musste sich Berger mit den Folgen der deutschen Wiedervereinigung und des Strukturwandels auseinandersetzen, aufgrund dessen die Kohlesubventionen zurückgefahren wurden und sich die Zahl der Arbeitsplätze im Bergbau stark verringerte.

Für zwei Wahlperioden – zwischen 1990 und 1998 – war Berger, der bereits 1957 in die SPD eingetreten war, Mitglied des deutschen Bundestags. 1997 führte er die IGBE in die Fusion mit der IG Chemie-Papier-Keramik und der Gewerkschaft Leder zur IG Bergbau, Chemie und Energie. Berger selbst trat mit der Fusion in den vorzeitigen Ruhestand.

Herunterladen Drucken