Hans Helmut Dutzi

IG Metall
IG Metall
Audio 1 – 4:42
Betriebsrati
Wilder Streiki
Personalabbaui
Vertrauenskörperi
Audio 2 – 2:53
Betriebsrati
Leiharbeiti
Unternehmeni
Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB)i
Vertrauenskörperi
Audio 3 – 1:30
Arbeiter_ini
Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB)i
1. Maii
Audio 4 – 4:29
Vertrauenskörperi
Betriebsrati
Akademie der Arbeit in der Universität Frankfurt am Maini
Arbeitswelti
Audio 5 – 2:16
Gleichstellungi
Aufsichtsrati
Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB)i
Und bin dann raus bis zur Arbeitsstätte, und da hab ich dann gekündigt und hab dann bei der Siemens AG ’69 angefangen. Und damals war ja noch Handkassierung, das heißt, äh, die Beiträge für die Gewerkschaften wurden ja noch einkassiert und als ich dann zur Siemens kam, hab ich gesagt, „So, ich war Mitglied bei der Post, und wie machen wir des?“ – „Ja, ja, geht alles klar. Da kommt einer vorbei und“- Ist nie einer gekommen und, und ’71 dann war bei uns so’n Warnstreik, wo die, man sagt heut Wilder Streik, wo’s ja darum ging, dass Arbeitsplätze abgebaut werden sollten in Bruchsal, damals schon, BMW. Und äh, da hab ich dann festgestellt, oh ja, ich bin ja kein Gewerkschaftsmitglied, und dann bin ich zweiter, äh, 1972 wieder in die, in die IG Metall eingetreten und hab dann dieses ganze Abbauthema, wo damals, wo der, der Formenbau, also im Kunststoffbereich wurde geschlossen und die Mitarbeiter als auch die, äh, Heimarbeiter wurden damals entlassen. Man muss das sich so vorstellen, in Bruchsal waren zu dem Zeitpunkt über 5.000 Leute beschäftigt, knapp 5.600 mit den Heimwerkern und St. Ingbert, Sankt Wendel, das waren zwei Ableger von Bruchsal waren’s insgesamt über 7.000 Beschäftigte. So und jetzt wurde ’72 auf einmal schlagartig reduziert, über 2.000 Beschäftigte abgebaut, St. Ingbert, Sankt Wendel wurden anders aufgestellt und Tiefenbach und in Elsenz, wo die Heimwerker waren, so kleine äh, Ableger wurden zugemacht. Die Heimwerker bekamen, bekamen immer weniger Aufträge, waren ja hauptsächlich Frauen und ganze Familien waren da beschäftigt und die haben dann Plastikteile entgratet, also das heißt so wie sie aus dem Guss rausgekommen sind, und die Zapfen abgeschnitten und mit der Feile bearbeitet. Und äh, dann wurden im BMW-Bereich als zweiter Schritt dann im Formenbau abgebaut und denn bei Zeiko-Maschinenbau wurden auch Mitarbeiter abgebaut, hauptsächlich aus’m, äh, äh, bei den Werkzeugmachern, die die Formenwerkzeuge gemacht haben, ja. Und des waren dann über 2.000 Beschäftigte, die dort abgebaut wurden, das heißt wir haben in Bruchsal dann auf einmal anstatt 5.600 nur noch 3.600 Beschäftigte gehabt. Und dies war ’n Riesenprozess. Und damals dann hab ich mich mit einbeziehen lassen. Wir hatten dann einen Sohn, ich hab auch in der Zwischenzeit geheiratet ’71 und äh, ’73 kam dann unser Sohn Marco zur Welt und äh, als Familienvater war’s ja dann ganz anders, ne. Ja, man hat sich viel stärker dann eingebracht. Und ich bin dann ’74 Vertrauensmann geworden und habe dann die nächste Periode bei Siemens erlebt. Also wieder Personalabbau ‘75/76. Und ich bin dann ’76 Delegierter geworden bei der IG Metall und Vertrauenskörper-Leitungsmitglied bei der Siemens AG. Und dann haben wir ja auch angefangen, Flugblätter zu kreieren. Das heißt wir haben dann mit Flugblättern die Belegschaft informiert, was alles so läuft. Es wurden Märsche gemacht nach Bruchsal. Wir sind dann, äh, ‘76/77 verstärkt auf die Straße gegangen. Die äh, einige Betriebsratsmitglieder haben dann in den Kirchen gepredigt, was ja von der katholischen und evangelischen Kirche, von den, ähm, betreuenden Pfarrern, wenn man so will, Betriebspfarrern, äh, gerne gesehen wurde, dass da was lief.
Warum bewegen wir uns net, warum lassen wir uns alles gefallen? Warum? Ja. Das war der Weg, wo, wo ich mich auch schon früher mit identifiziert hab, hab ich gesagt, „Das kann doch wohl net wahr sein, dass man sich immer alles gefallen lasst.“ Und oiner muss dann da sein, der die Fahnen voraustragt, dann schlappet se hinten nach. Was sind denn das für Hammel, die irgendwo so’n Rattenfänger brauchen, der vorne herlauft. Menschenskinner, ja. Des war alles so... Und mich dann auch geprägt hat in der Form, dass ich immer gesagt hab, in allen Gremien, wo ich war als Vorsitzender, hab ich immer gesagt, nicht ich will auf den Weg, ich will euch dabei haben, ja. Ich hab dann die Leut mitgenommen, und hab ich gesagt, es geht so net. Es kann net sein, dass der Vorsitzende das macht, sondern wir alle, ja. Ich sag: Also, was machst du und was machst du, okay, dann machen wir so, ja. Und dann war die Sache auch, und das Befinden da hat sich keiner aus der Aktivität rausgestohlen, weil er gewusst hat, er muss mitmachen, weil er gehört dazu. Er ist ein Teil, und er hat das positiv aber darstellen könne, ja. Das war net so, dass ich dann gesagt hab als Vorsitzender, na, Moment, äh, das hat der DGB gemacht, nein, nein. Das hat im DGB der Hermann gemacht, das hat im DGB der, der Wipfler gemacht, das hat im DGB der Bauer gemacht, ja. Dass man dann auch Bezug kriegt auf die Person, also der das war. Und die Leut hätten sich dann auch wohlgefühlt, und dann hasch au was machen können, ja. Und des isch ja des, was mir heute teilweise fehlt in der Gewerkschaftsbewegung, dass man einfach sagt, es kann ja wohl net wahr sein, dass sich in der Gewerkschaft alles projektiert und man sagt: „Der Huber hat dargestellt.“ Wer ischt denn der Huber? Wer ischt denn des? Das isch a net der Stankstiefel von oben, der Oberochs, er ist Vor-, er ist Vorsitzender, Punkt. Aber mir müssen uns da mal mit auseinandersetzen, was re-, repräsentiert er? Er repräsentiert die Gewerkschaft, a Einzelgewerkschaft, die sich zusammensetzt aus Mitgliedern, so. Und jedes einzelne Mitglied macht doch irgendwo als Betriebsrat oder Vertrauensmann seine Arbeit, repräsentiert die Gewerkschaft. Warum verflucht noch a mal gehen mir net her und sagen so. Machen mir einzeln denn. Und diese Einzelnen machen denn des. Und muss ich aber auch positiv wie negativ aufführe, dass die begreifen, wo die Sündigkeiten sind, ja. Man redet immer von Wertebewusstsein. Mir hätten gar kein Wertebewusstsein. Jeder setzt seinen Wert selber, weil irgendwo oiner ischt, der gibt zwar a Richtlinie vor, aber dass er die oinzelnen zur Verantwortung zieht, he du, wie bischt denn du mit den Werte umgangen? Betriebsratsvorsitzender der Siemens-Dematic AG, „Und was machst denn du?“ Oder GbR-Vorsitzender von Daimler-Benz oder von Siemens oder von Mannesmann, „Komm auf, zeig mir mal, was du machst in deinem Laden, was lauft denn da überhaupt?“ Ja, dass man Begrifflichkeiten und Wertigkeiten, da hab ich dann immer gesagt, hey, das kann doch wohl net sein, dass es Unternehmen gibt, wo die Betriebsräte froh sind, dass sie Leiharbeitnehmer hen, oder Befrischtete, weil’s net gleich an die Stammbelegschaft geht. Ist doch Quatsch mit Soß.
Musik ja. Es wurde immer die Klampfe gespielt und wir hatten so’n kleines Liederbuch, das heißt, hieß ‚Die Mundorgel‘. Und da sind dann die Arbeiterlieder gesungen worden. Ähm, das eine waren so Wanderlieder in der ‚Mundorgel‘ drin, das andere war dann ein altes Liederbuch, sozialdemokratisches Liederbuch und äh, des isch dann umfunktioniert worden auf, äh, DGB. Das heißt, wir haben das dann für uns in Anspruch genommen, dass wir die Lieder gesungen haben. Da waren Lieder dabei, äh, aus ich weiß gar net mehr, wie die heißen alle. Auch Lieder aus der sozialdemokratische Zeit her. Zum Beispiel, äh, Aufmarschlieder aus’m Ruhrpott. Dazu Lieder ge-, im Ruhrpott war ja jedes Mal am erschte Mai, wo die sozialdemokratische Jugend marschiert ischt, ne. Und das hat irgendwie seinen Ursprung gehabt damals in der Zeit nach 1920. Und äh, da sind einige Lieder gewesen, die mir dann auch gesungen haben. Oder ‚Es lief das Blut und der Preuße kam‘ und was weiß ich. Also so, so alte Lieder. Und dann ‚Die grauen Nebel hat das lustig drungen‘, also die Wanderlieder, wo man dann noch gehabt hat, ne. ‚Eine graue, äh, eine blaue Schar von Jungen‘ hem man da gesungen, weil man ja unsere blaue Anzüge gehabt hätten oder rote. Ich glaub, wir waren noch drinne als der DGB-Jahreszug gewesen ist.
Inhaltlich hat’s sich verändert. Also ich mach’s a mal an ganz einfachen Positionen deutlich. Früher hat einer, wenn er Betriebsrat werden gewollt hat, erscht die sogenannte Eselstour machen müssen: Vertrauensmann, sich bewähren und dann isch er Betriebsrat geworden. Wenn er all diese Kriterien gehabt hat. In der Ortsverwaltung, in der Ortsverwaltung isch jemand kommen, wenn er sich bewährt hat und da war dann Betriebsrat und er isch von seinem Betrieb vorgeschlagen worden als Mitglied der Ortsverwaltung. Bevollmächtigter isch jemand geworden, wenn er vom Bezirk vorgeschlagen worden isch und der Betrieb ihn für gut befunden hat, oder die Betriebe in der Ortsverwaltung für gut befunden haben, dann isch er Bevollmächtigter worden. Und Bezirksleiter oder Angestellter im Bezirk hätt nur dort sein können, wenn sie vorher die Eselstour gemacht haben: Betrieb, dann weiterbilden die Schul, entweder die ADA oder a Studium, vergleichbares Sozialstudium, Politikstudium, dann Bevollmächtigter und dann Bezirk. Jetzt machen’s mir mal in der gleichen Stufe in heutiger Sicht. Heut kann jeder Depp, der studiert hat, über Seiteneinsteige zur IG Metall gehen. Ich sag ganz bewusst Depp. Weil der Mensch ja nix davor kann, dass er kein Vorbildung hat, dass er net weiß über was, das er redet, weil des isch sein Job. Und mit derem Job isch er ’n Depp, weil er die Szene net kennt. Ich muss a Szene kennen, bevor i hergehe und tu ins Holz bohren. Ich sag immer, wenn ich dicke Bretter bohren muss, und das muss ich bei der, in der Gewerkschaft, ich muss dicke Bretter bohren, bis ich teilweise zugang komm. Da muss ich wissen wie die Szene verläuft, dass ich schnell im Gang bin. Wenn ich aber nicht in der Lage bin, die Gewerkschafter richtig zu verstehen, dann hab i a Problem. So und des Verständnis war früher auch anders. Die sozialen Zusammenhänge waren auch andersch. Es hat auch noch des Private dazu beigeführt. Man hat die Möglichkeit gehabt, sich in Vereine einzubringen. Man hat sich kulturell eingebracht. Es waren Feschte in den Ortschaften, wo man von Fescht zu Fescht gegangen ist, und und und. Also vielfältige Aktivitäten. So, und heut, heut hab ich durch die veränderte Struktur am Arbeits-, in der Arbeit, die Möglichkeit nicht mehr, ah die Informat-, äh, Informationsstruktur isch anders. Ich hab heut Handy, ich hab heut I-Phone, ich hab PC, ich hab Fernsehen. Ich kann mich überall bewegen im privaten Bereich, ohne dass ich raus muss, ohne soziale Kontakte zu knüpfen. Früher war des gang und gebe. Schaff ich heut nicht mehr. So und so wie das Privatleben aussieht, so spiegelt sich’s auch im Betrieb ab. Und im Betrieb kann des net positiver sein wie’s Private. In der IG Metall kann’s net positiver sein wie im Betrieb. Und in der IG Metall hab ich sehr viele, die haben a unwahrscheinliches Fachwissen. Politisches Fachwissen, aber angelesen. Tarifliches Fachwissen, aber angelesen. Wirtschaftliches Fachwissen, aber angelesen. Nix Erlebtes. Und was mach ich, wenn ich’s net erlebt hab? Des isch das Schlimme. Ein Satz vom Willi Bleicher, der steckt im Kopf. Willi Bleicher hat a mal gesagt: „Wenn ich für den Menschen etwas tun will, muss ich erst wissen, was ich für mich tun wollte.“ Wenn ich für ’n andern was mach, muss ich erscht wissen, was ich für mich machen will, ne. A ganz einfache Aussage. Und des isch des Problem, des muss isch erscht wissen. Dann kann i handeln. Ich sehs doch im privaten Bereich, durch diese Veränderungen in der Arbeitswelt, ja durch die neue Einteilung, wie a Arbeit zu laufen hat, wie die Anforderungen der einzelnen Menschen wird immer grausamer, ja. Der Mensch hat doch gar kein Zeit mehr für sich selber, sich zu bewegen. Keiner kann sich mehr zu sich selber bewegen, im Gegenteil, er entfremdet sich immer mehr von sich selber. Dann kommen Depressionen, da kommen dann alles mögliche, ne.
Also immer wenn was passiert ischt, war ich nie da. Also im Klartext: Mei Frau war ja nun Hausfrau und Mutter. Die hat mir den Rücken freigehalten. Ohne meine Frau wär das alles net möglich gewesen, ja. Und sie war ja mei Sekretärin zu Hause, wenn was war, hat sie ja gesagt, „Moment, ich mach Termin. Ich guck a mal ob er da ischt oder net.“ Weil durch mein vielseitig oder vielschichtige Aktivitäten, einmal im DGB-Bereich, dann bei der IG Metall. Und dann war i ja teilweise noch Gaschtreferent, je nachdem, wo’s war, äh, wo ich auch noch unterwegs war, ähm, innerhalb des DGBs oder auf betrieblicher Ebene. Und durch meinen Aufsichtsrat GbR, KBR da war ich ja dann bei dem eigene GbR, der Siemens GbR, KBR-Sitzungen, Ausschusssitzungen, ja da hasch Aufsichtsratssitzungen gehabt. Denn war von der IG Metall Ausfahrt. Dann hascht du mal den Bildungslehrgang gemacht. Ich hab mal zusammengerechnet, wo wir 25jähriges Ehejubiläum gehabt haben, äh, meiner Frau gesagt, „Anhand dessen was ich daheim war, sind mir elf Jahre verheiratet, vierzehn Jahre war ich unterwegs. Und wenn du mal überlegst, dass ich von dene vierzehn Jahre, die ich unterwegs war, drei Jahr gar nicht mehr aktiv war, dann war i net nur elf Jahre daheim, sondern da war i bloß acht Jahr daheim, ja. Wenn man sich des so überlegt, äh, es isch schon a Problem gewesen. Also für meine Familie war’s ’n Problem, und immer wenn was war, war ich net da, ne. Ja. Und ich hab’s nachher bedauert, dass ich meinen Sohn net groß werden gesehen hab. Immer nur so Stichvisite und dann, „Ach Gott isch der groß“, ja. Von meinem Enkel auch recht wenig mitkriegt hab. Erscht jetzt die letzschten Jahre seit 2006 seit i daheim bin, ne. Aber äh, es isch schon so wenn, wenn du net a starke Frau hinter dir stehen hasch, kannscht du alle politische Aktivitäten vergessen oder insgesamt, gesellschaftspolitische Aktivitäten.
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Helmut Dutzi wurde am 8. Oktober 1947 in Langenbrücken in der Nähe von Karlsruhe geboren. 1962 begann er eine Lehre als Postjungbote in Bruchsal, die er erfolgreich mit dem Erwerb der mittleren Reife beendete. Zu Beginn der Ausbildung trat Dutzi in die Deutsche Postgewerkschaft (DPG) ein. Er engagierte sich als Jugendvertreter und in der DGB-Jugend Bruchsal.

Nachdem er seinen Wehrdienst als Militärpolizist abgeleistet hatte, wechselte Dutzi 1969 als Akkordarbeiter zur Siemens AG, wo er als Schichteinrichter arbeitete. Im selben Jahr wurde er Mitglied der SPD. 1972 trat Dutzi in die IG Metall ein. In den folgenden Jahren stieg er bis zum stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden auf.

Im Zuge der Fusion des Bruchsaler Siemens-Standortes mit der Dematic AG wurde Dutzi 2001 Betriebsratsvorsitzender von Siemens-Dematic in Bruchsal und schließlich bis zu seinem Ruhestand 2005 Gesamtbetriebsrat der Siemens-Dematic. In dieser Funktion war er auch Mitglied des Aufsichtsrates und nicht-stimmberechtigtes Mitglied im Konzernbetriebsrat der Siemens AG.

Von 1987 bis 2002 war Dutzi zudem DGB-Kreisvorsitzender in Bruchsal, ab 1988 auch Mitglied der dortigen Ortsverwaltung der IG Metall-Verwaltungsstelle.

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