Johannes Müllner

IG Metall
IG Metall
Audio 1 – 5:24
Betriebsrati
Jugend- und Auszubildendenvertretungi
Betriebsversammlungi
Solidaritäti
Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)i
Vertrauenskörperi
Audio 2 – 2:03
Tarifvertragi
Audio 3 – 1:34
Leiharbeiti
Audio 4 – 2:08
Arbeitswelti
Audio 5 – 3:59
Betriebsrati
Streiki
Arbeitslosigkeiti
Migrationshintergrundi
Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)i
Vertrauenskörperi
Ich wollte immer Elektromechaniker werden, aber das war also auch schwierig. Jedenfalls bin ich bei STILL Lehrling, in die Lehre gekommen und hab dann ’ne Lehre als Blechschlosser gemacht, hat mir unwahrscheinlich Spaß gemacht. Und äh, ich würde sagen menschlich solidarisch war die Zeit im Betrieb, nicht nur als Lehrling, sondern danach, die beste Zeit bisher meines Lebens. Das waren also menschliche Erlebnisse, wo man sagen kann: Also da war Solidarität praktiziert. Nun muss man sagen, STILL von Anfang an, fast aus-, fast 100 Prozent IG Metall organisiert, hatte auch ’ne schlimme Vergangenheit. Hatte ja die großen Fremdarbeiterlager in Boberg, wo heute Mümmelmannsberg ist, da waren die großen Lagerhallen von STILL. Also die haben nachher auch ausgezahlt an die, dann nach’m Krieg, ne, haben das auch bereinigt. Aber sie war nie bereit, ihre Geschichte schreiben zu lassen. Es war ein Historiker, der wollte mit mir diese Geschichte schreiben über STILL. Das haben sie, also hat die Firmenleitung verhindert. Das nur, das nur am Rande. Also wie gesagt, STILL hatte eine so, äh, schwierige Vergangenheit, äh, war ja ein wehrwirtschaftlicher Betrieb, also ein besonders ausgezeichneter Betrieb und ähm, äh als dann, da war ich also, war ich noch nicht da, aber in ’46 hat man dann von diesem sogenannten Betriebsausschuss hieß der damals oder Arbeiter-, Arbeitsausschuss, glaube ich, hieß er. Hat man dann dafür gesorgt, dass der Betriebsleiter da verschwindet. Es gab nur eine vorübergehende Zeit von zwei bis vier Jahren Entnazifizierung, dann war er wieder da. Ich kam dann also ’52 kam ich dann- Ich hab also relativ spät die Lehre begonnen, weil ich äh, ein Jahr nach- Also einmal hab ich das Jahr verloren durch die Diphterie, dann hab ich, äh, Mittlere Reife, äh, Mittlere Reife in, in Lauenburg gemacht und dann hab ich also, lebte mit meiner Mutter allein, meine Schwestern waren also woandershin haben sich neu orientiert. Und ich hab dann, ähm, ein Jahr gebummelt, ein Jahr hab ich nichts gemacht. Und denn hat sie gesagt, „So komm“, (pocht auf den Tisch) aber sie war so ’ne Superfromme, die war also nicht brutal, insofern ist alles gut gelaufen. Hat sie ja wie gesagt, äh, diese Stelle für mich besorgt und ich wurde dann unverzüglich Lehrlingssprecher hieß das damals noch. Das war eine betriebliche Bezeichnung, neben der gesetzlichen Bezeichnung, die hieß jetzt erst Jugendsprecher und nachher Jugendvertreter, ne. Das ist dann mehr als nachher als (Jugendsprecher?) und so weiter alles. Also wie gesagt, ich wurde Lehrlingssprecher, und äh, das war also ganz toll da. Es war eine wunderbare Zeit, da war alles, wie gesagt, war alles gut organisiert, aber Linie war klar bei STILL, ne, gewerkschaftlich, ne, und dann aber auch, ak-, äh, aktiv. Und wir haben natürlich, äh, von Anfang an immer, äh, mitgewirkt im Vertrauenskörper und überall, auch die Lehrlingssprecher, ich wurde nachher Jugendvertreter. Und dann gab es also schwere Auseinandersetzungen hier bei STILL. Und zwar, äh, in den Betrieben seinerzeit in den Fünfziger, ja Fünfziger Jahren muss ich mal sagen, Sechziger Jahre, äh, gab es noch ganz straff organisiserte SPD-Betriebsgruppen, und die haben also letzlich bestimmt, wer denn nun in den Betriebsrat reinkommt. Und die haben also mit Einfluss genommen auf die Kandidatenliste. Ich war damals noch nicht Mitglied der SPD, ich hab da mal so, mal so. Dann bin ich bei, zu den Weltfestspielen nach Moskau gefahren, ne. ‚Die Andere‘ hieß die Zeitung damals, die hat so was angeboten. Bin ich dahin, und da war ich in Ungnade gefallen. Da war also aus. Da bin ich also in Ungnade gefallen bei dem Betriebsrat, und äh, war weiterhin Jugendvertreter und an der Basis weiter, aber wie gesagt, es gab einen schweren Konflikt. Und ähm dann hat man, hat, hat so ’ne Oppositionsgruppe sich dann für die Betriebsratswahl engagiert und die haben mich dann mit auf die, äh, haben mich dann mit vorgeschlagen. Und dann erinner ich noch, da war hier noch der Musiksaal, der große Saal, der jetzt wieder restauriert wird in alter Form, war hier die Betriebsversammlung von STILL, und dann wurden die Kandidaten vorgestellt, und dann hab ich als junger Mann, hab ich denn da gesprochen, ‘n paar kritische Worte gesagt zu dem Betriebsratsvorsitzenden, und der hat dann einen Riesenfehler gemacht. Und der hat dann vor versammelter Mannschaft mich abgekanzelt, hat gesagt: „Kommt da so’n junger Spund mit ’ner Ballonmütze und will uns hier sagen, was richtig ist, nicht.“ (pocht auf den Tisch) Und denn war, kriegte ich, war ich an vierterster Stelle mit den Stimmen nachher, das war gemeinsame Wahl, bei STILL war das immer gemeinsame Wahl. Immer Persönlichkeitswahl, nicht, haben wir gemacht. Und denn bin ich natürlich und denn so in den Betriebsrat gekommen. Und dadurch, dass ich dann also Schlosser gelernt hatte und in der Schlosserei tätig war, und wir haben ja die, äh, Hauben für die Schaltschränke und für die, äh, Gabelstapler gebaut. Das war herrlich, herrliche Zeit.
Wenn da einer ankam und der war nicht organisiert, das gab ja dann die Zeit im, als dann die Arbeitskräfte knapp wurden, ne. Denn haben sie ja die Schlosser und Schuster, die wurden ja denn in der Werkschlosserei eingestellt (pocht wiederholt auf den Tisch) und wurden denn angelernt, ne, das war also- Und wenn einer, wenn einer überhaupt nur dran gedacht hat, nicht in die IG Metall zu gehen, dann war er, denn, denn war er, in vierzehn Tagen war der wieder weg, ne. Da waren wir knallhart auch. Man hat es sicherlich mal, manchmal war das nicht okay, aber nicht also wir hatten eine, eine, ein Ereignis hier bei STILL, das werd ich nie vergessen: Als wir dann ähm, gute Tarifverträge durchgesetzt haben, denn gab’s ja nachher denn die sechs Wochen Urlaub, ne. War ja alternativ zu der Arbeitszeitverkürzung, die sechs Wochen Urlaub halt. Na ja, und denn hatten wir so einen, es gab dann so eine Zelle von Leuten, die sich immer geweigert haben, so einer von uns, äh, ungefähr, ‘ne Gruppe von 50 bis 100 Leuten. Und einer war dabei, das war ein richtiger Querulant, der war Kontrolleur, der hatte natürlich Macht. Der, der lief, hat, (pocht wiederholt auf den Tisch) hat immer, ne, Werk-, Werkstück abgenommen. Und der stellte sich denn nach diesem Tarifabschluss denn so in, in der Dreherei hin und äh, „Ach! Haha, bei vierzehn, sechs Wochen Urlaub. (pocht auf den Tisch) Ihr seid alle schön blöd. (klatscht in die Hände) Ihr zahlt noch eueren Gewerkschaftsbeitrag und ich krieg das auch.“ Ja, was meinst du, was passiert ist? Da hat man Müllner angerufen. Ich mit ihm auseinandergesetzt. Ein Telefonat, wir hatten ja auch ’ne Macht, ne, das muss man ja’n bisschen- Ein Telefonat beim Personalchef, Störung des Betriebsfriedens, ne, und der war weg. Der musste gehen. Hat er auch definitiv gemacht. Er hat provoziert. Wenn das nun ‘n Ruhiger gewesen wär, aber der hat, der hat die Leute, äh, also praktisch aufgewiegelt, nicht, echte Störung. Das mag manchem zu hart erscheinen, aber in so einem Betrieb da war das halt.
Und wenn du das heute erlebst, was heute abläuft, ne, das ist ja, das ist ja so was Entsetzliches, was mit dem deutschen Arbeitsmarkt passiert, mit der Leiharbeit und mit den paar Kernbeschäftigten. Das merkt, die Leute merken das gar nicht, was da, was, was da sich eigentlich entwickelt. Die Gesellschaft, die wird doch zerrüttet, dadurch dass die Menschen nicht mehr wissen, was und wo sie morgen arbeiten, nicht. Und die, die, also die Leiharbeit ist, also das ist ein, ein, ein, eine gesellschaftspolitische Zeitbombe. Das wird nicht so spürbar, weil die Leute beschäftigt sind, die Konjunktur läuft, die tragen mit dazu bei und die Konjunktur läuft, aber wie sie für sich, (pocht auf den Tisch) ihre Lebensplanung ist ja völlig zerstört. Die wissen ja gar nicht wie’s, wie’s ist, nicht. Auch die, die großen Leiharbeitsfirmen, die sahnen ab, auf Deubel komm raus. VW hat ’ne eigene Leiharbeitsfirma, nicht, also das ist, ähm, denn die kriegen 30 Prozent weniger als der Kollege nebenan, also das ist, das geht also, das, das kann an die Substanz, oder das geht jetzt schon an die Substanz der Gewerkschaften, weil die Leiharbeitnehmer, mal unabhängig von größeren Betrieben, die treten nicht in die Gewerkschaft ein. An die kommen wir gar nicht ran so wie hier, ne, kommen wir gar nicht ran an die Leute, an die Betroffenen. An die kommen wir nicht ran weil die ja in einem, sie leben ja in einer Unsicherheit, in einer grundsätzlichen Unsicherheit, und wenn sie unsicher sind, organisieren sie sich auch nicht. Eigentlich müssten sie sich organisieren (pocht wiederholt auf den Tisch), aber eben aus Angst, dass ihnen dadurch Nachteile erwachsen.
Da warst du Seelsorger, Vertreter, Kämpfer, du warst für alles zuständig. Wieviel Gespräche ich geführt hab mit Leuten, die mit der Ehe nicht mehr klarkamen. Die nachher Selbstmord begangen haben. Also das, da warst du richtig so’n Beichtvater. Als ich da alleine (pocht auf den Tisch) freigestellt war. Als ich alleine freigestellt war. Nachher hatten wir noch ’ne Freistellung. Da war ich aber nicht mehr da. Aber Aufstieg? Also es wurde nicht so: Ach Gott, der ist jetzt was geworden oder was, also überhaupt nicht. Das ist Jonny Müllner, der ist, der ist jetzt bei IG Metall und war früher bei uns also so. War nicht irgendwie, äh- Also ich würd da auch persönlich nicht als, als sozialen Aufstieg ansehen. Ich würd sagen, ich hab also, ich hab meinen Weg gemacht, ne. Ich hab, ich hatte fürchterliche Angst hier hauptamtlich zu werden, ne. Ich hab ja gesagt, das hat zwei Jahre gedauert. Aber da, da spielte natürlich dieses, na, die Heimat zu verlassen ’ne Rolle, nicht. Also STILL zu verlassen, das spielte ’ne Rolle. Aber auf der andern Seite hab ich mir Vorstellungen gemacht, dass die- Um Gottes Willen, was wollen die denn, Sekretär werden? Mensch, was müssen die alles drauf haben. Und nachher hab ich denn da auch erst gedacht, die kochen ja alle nur mit Wasser. Als ich dann merkte, das sag ich ganz offen, dass ich dem gewachsen war und ich auch keine Schwierigkeit hatte, mich weiterzuentwickeln und auch Impulse zu geben, nicht, also ich bin auch so’n Organisationsfreak auch noch, das kommt auch noch dazu. Nicht, also dann, als ich merkte du, du kannst wirklich dazu beitragen die Organisation politisch aber auch organisatorisch voranzubringen, das hat mich natürlich gestärkt und das hat natürlich auch dazu geführt, dass man denkt, nee, aber wer soll das denn machen?
Also betrieblich war das also eine hoch interessante Entwicklung. Wir haben ja, äh, STILL war natürlich daran interessiert, damals sofort Gastarbeiter zu bekommen, ne. Da haben wir den Parkplatz geschlossen und haben dort Baracken gebaut. Aber sauber, alles ordentlich, ne, und waren so die ersten quasi da untergebracht. Haben also, die wurden Vertrauensleute und, ne, wurden also integriert, wurden aufgenommen, gab keine, keine Feindseligkeit in der Belegschaft, ne. Und sind so richtig so reingewachsen, so wie sie auch in die Gesellschaft sowieso hineingewachsen sind. Also das, das, äh, das war also betrieblich. Und dann hat es ja also, ähm, es waren ja viele, mh, äh, überaus aktiv in den Gewerkschaften und von den Migranten, von den ausländischen Kolleginnen und Kollegen und hier der Ausländerausschuss war sehr aktiv. Und auch bei den, bei den Warnstreiks, wir haben ja äh, hier, hier, im äh, die, na wie haben wir sie genannt? (pocht wiederholt auf den Tisch) War nicht mal Bewegung. Na ja also die Warnstreikkultur, die die IG Metall ja dann entwickelt hat im Laufe der Zeit neben den offiziellen Tarif-, Tarifkämpfen, war ja ’ne, waren ja die Warnstreik die neue Bewegung. Das war also etwas, was also, äh, eine große, große Rolle spielte, und haben wir natürlich hier in Hamburg auch. Und da waren immer, die ausländischen Kollegen immer an der Spitze, also das muss ich ja sagen. Also gewerkschaftlich haben die sich unwahrscheinlich engagiert. Bishin zu dem, äh, Boskurt Sönmez, Betriebsratsmitglied bei MAN, der hier damals den, diesen berühmten Satz geprägt hat auf dem SPD-Parteitag, also der, der stammt nämlich von ihm: „Es sollten Arbeiter kommen, es sind aber Menschen gekommen“, ne, also das war, der, das war, der war auch damals in der Ortsverwaltung, also kein Problem, ne. Also diese, die Integration der ausländischen Kolleginnen und Kollegen jetzt mal unabhängig davon, ob sie sich haben eingebürgern lassen. Das stand damals überhaupt nicht zur Debatte, das stand damals überhaupt nicht zur Debatte. Das ist wunderbar gelaufen. Wunderbar gelaufen. Also wenn man, wenn man so überlegt, dass, dass heute diese Migranten nur durch die Entwicklungen oder diese Skepsis gegenüber der Migration sich viel mehr mit islamistischen Problem auseinandersetzen, war das damals überhaupt nicht. Und also das war klar, dass die, die haben eine andere Kultur, eine andere Religion gehabt und da hat also, äh, der alte Herr Sitas, Gott habe ihn selig, der hatte ja seine, seine Auftragsbücher alle, hat er so ein kleines Büchlein gehabt. Da hat er die Schiffe dabeigehabt, welche er bauen muss. Der hat dann gesagt, die ganze Abteilung wird leer geräumt, und da haben die ihren Gebetsraum gekriegt. Die haben extra einen Gebetsraum gekriegt, der hatte jede Menge, und die durften ihren ganzen Urlaub aufsparen, die durften dann zwei Monate in die Heimat fahren. Also das war überhaupt kein Thema. Das war überhaupt kein Thema. Also die Betriebe sind da wunderbar mit klar gekommen. Das war’s ja auch in der Automobilindustrie, nicht wahr heute- Und erst so nachdem, ja, die Arbeitslosigkeit um sich griff und das alles nicht mehr so einfach war, Arbeit zu finden, und dann, dann hat sich das mehr so in diese, äh, Gemeinden verlagert, ne, diese Zusammengehörigkeit, die haben sich wieder zusammengefunden. Also vorher waren sie da mit zwischen waren sie also inner-, innerlich schon deutsch und so weiter, mit den Deutschen zusammen. Aber dann haben sie sich also wieder mit, mehr isoliert, würd ich sagen. Sie haben sich dann mehr isoliert. Das war am Anfang überhaupt kein Thema.
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Johannes Müllner wurde am 28. September 1932 im böhmischen Roßbach als Sohn eines Pastors geboren. Aufgrund der oppositionellen Haltung des Vaters zum Nationalsozialismus emigrierte die Familie in die Schweiz, wurde aber nach Deutschland ausgewiesen. Nach zahlreichen Schulwechseln erlangte er 1948 den Realschulabschluss in Hamburg. 1950 begann er eine Ausbildung zum Blechschlosser und arbeitete im Anschluss bis 1959 in diesem Beruf.

Bereits während der Lehre war Müllner Lehrlings- und Jugendsprecher. 1957 wurde er in den Betriebsrat und 1961 zu dessen Vorsitzenden gewählt. Im gleichen Jahr wurde er Mitglied der IG Metall-Vertreterversammlung und 1963 der Ortsverwaltung Hamburg.

1967 wurde Müllner hauptamtlicher Sekretär der IG Metall, 1973 stieg er zum Zweiten Bevollmächtigten der IG Metall-Verwaltungsstelle Hamburg auf, die er schließlich von 1975 bis 1989 leitete. Bereits seit 1978 war er zudem ehrenamtliches Mitglied des IG Metall-Vorstandes. Im Ruhestand war Müllner Mitglied, von 2002 bis 2007 Vorsitzender des Kontrollausschusses der IG Metall.

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