Karl Kantin

Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten
Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten
Audio 1 – 3:33
Nationalsozialismusi
Audio 2 – 4:01
Mindestlohni
Arbeitgeberi
Audio 3 – 3:15
Arbeiter_ini
Arbeitgeberverbandi
Betriebsrati
Arbeitgeberi
Tarifvertragi
Audio 4 – 2:24
Mitgliederwerbungi
Arbeitgeberi
Audio 5 – 2:16
Streiki
Arbeitgeberi
Auf einmal drei Tage oder so, was weiß ich, ‘ne Woche oder so, kam einer und sagte, „Karl, du weißt doch was mit Autos umzugehen.“ Ich hatte ja ‘n Führerschein, der einzige Junge, der da ’n Führerschein hatte, nicht, spielte ja keine Rolle ja da, aber- „Der Wagen des Kommandeurs ist eingefroren. Kannst du uns helfen?“ Hab ich gesagt, „Muss ich mir angucken.“ Ja, bin ich da hin, dann hab ich gesagt, „Dann sucht mal ’ne Wanne, denn machen wir da Benzin und Öl rein und stecken das an und schieben das unter die Ölwanne von dem Auto.“ Flamme! „Du brennst das Auto ab.“ Hab ich gesagt, „Da musst du doch dabei bleiben. Wenn’s brennt, muss es gelöscht werden.“ Ja. Und nach fünfzehn Minuten bin ich in das Auto eingestiegen und hab den Schlüssel rumgedreht, und der Motor lief, ja. Da war ich der König, (lacht) ja. Der Kommandeur der ganzen Truppe da hat mir auf die Schulter gehauen und hat gesagt, nicht, „Jetzt bist du mein Fahrer.“ Denn war ich Fahrer des Kommandeurs. Ja. Das ist dann so, so eine Erfahrung, nicht, ich war, wo ich in Berlin gefahren bin und in Berlin kann auch normalerweise im Winter 20 Grad Kälte, nicht, und wenn man da Auto fährt, denn sind die 53 Grad (lacht), die da waren auch zu überwinden, nicht, ja. Pfff- Ja dann hab ich viel, viele Zeitgenossen da in, da vorne zu sitzen und die Gespräche, die abfälligen Gespräche da mitzukriegen von den hohen Offizieren, und mich also dann auch bestätigt zu fühlen, dass ich genauso den Krieg verachtet habe.
Von Arbeitgeberseite wurde diese Kluft zwischen ‚Schwarz‘ und ‚Weiß‘ bewusst geschürt. Denn wenn Kellner und Köche sich verstanden, war die Gefahr, dass in der Kasse etwas fehlte, ziemlich groß. Das System mit den Bons und die permanente Unterstellung, Kellner würden geringfügig Geld unterschlagen, verleitet letztendlich dazu, dass sie dies auch wirklich tun. Weil das ganze System mit der Entlohnung der Kellner nicht taugte, haben wir immer den Festlohn gefordert, und damit gegen das Trinkgeld gekämpft, weil es im Grunde genommen eine Erniedrigung ist. Ist heute nicht anders. Aber es spielt natürlich, grade für den Kellner, eine wichtige Rolle. In Tarifverträgen, und das ist auch heute noch so, ist für die Kellner nur ein Garantielohn drin. Ich habe später als ich im Land Niedersachsen für die Tarifpolitik auf diesem Gebiet mitverantwortlich war und auch in der Tarifkommission auf Bundesebene saß, durchgesetzt, dass zusätzlich ein Festlohn von 25 Prozent zu dem Mindestlohn hinzukam. Mehr war nicht durchsetzbar. Außenstehende meinen oft, die Arbeitgeber würden die Kellner bezahlen. Das ist nicht richtig. Die Gäste entscheiden über die Provision der Kellner, und die kosten ihn kaum etwas. Ich möchte dieses in Form einer kleinen Anekdote kurz erläutern: Ein Handwerker montiert in einem Speisesaal eine Steckdose. Natürlich entsteht dabei ein bisschen Dreck. Nach einer halben Stunde kommt der Chef und sagt zu dem Kellner: ‚Karl, haben Sie nicht den Schmutz da gesehen? Wollen Sie den nicht wegmachen? Gleich kommen Gäste!‘ Da sagt der Kellner: ‚Den hat doch der Handwerker gemacht. Der, das kann der doch wieder wegmachen.‘ Daraufhin der Chef: ‚Also wissen Sie überhaupt, was mich der Handwerker in einer Stunde kostet?‘ Diese kleine Anekdote sagt viel über das Entlohnungssystem der Kellner aus. Und ich habe es in den 50er Jahren noch erlebt, dass in den Saison-Gebieten und, und, und, und. Das ist, na ja. Es gibt wenig, wenig Aufzeichnungen über diesen Berufsstand, der Kellner, nicht. Aber sie werden von den Köchen verachtet. Und dann dieses, also dieser Verachtungssatz der fällt mir nicht, nicht ein. Ich glaube nicht, der steht, dass der da drin steht. Ja. Ein Kellner ist ein in einen Frack gewickeltes Stück Scheiße, was sich mühsam vom Trinkgeld der Reichen ernährt.
Die Molkereien selbst, nicht, auf dem Lande, waren ja doch, doch mit sieben Beschäftigte oder so und so weiter. Ich habe den, diese Beschäftigten, ja, habe ich abends in, nicht im gleichen Ort, im Nachbarort dann eingeladen, nicht, zum Essen. Hab ihnen Abendessen spendiert und so. Und dann hab ich ihnen erzählt, was Gewerkschaft ist und wie das gemacht wird und hab ihnen gesagt, „Passt mal auf, ich mach euch das vor. Ihr tretet alle in die Gewerkschaft ein und ihr bildet alle gleichzeitig einen Betriebsrat. Ihr bildet einen Betriebsrat von fünfzehn Leute in, bei einer Beschäftigung von 18 oder 20. Die fuffzehn, die da waren, haben alle unterschrieben, sind in die Gewerkschaft eingetreten, haben alle unterschrieben den Tarifvertrag. So. Und dann bin ich zu dem Arbeitgeber gegangen. Der hat nicht anders zu tun gehabt als den Arbeitgeberverbandsvertreter der Milchwirtschaft. Es gab also einen Arbeitgeberverband der Milchwirtschaft. Aber nicht nur, nur den, sondern es gab auch einen Arbeitnehmerverband der Milchwirtschaft. In dem waren die Molkereileiter. Die Arbeiter und die Arbeiterinnen wussten von dieser Konstruktion überhaupt nichts. Und so haben die die ausgebeutet. Der Tarifvertrag, den die gemacht haben, das heißt, die Molkereileiter haben mit dem Arbeitgeberverband, Molkerei-Arbeitgeberverband, ja, nicht, haben Tarifverträge gemacht, ohne rechtliche Wirkung, nicht. Aber es gab welche. So, ja. Das alles auszuhebeln, nicht, ja, war eine, hat mir nur Spaß gemacht.
Erfolgreiche, wohl überlegte Arbeit. Es gibt hier Bereiche, ja, die vielleicht organisations-äh-fähig sind. Aber da ist die Arbeit. Man, man braucht zu viel Überzeugungskraft. Gewerkschaftsmitgliedschaft wird nicht freiwillig übernommen. Gewerkschaftsmitgliedschaft kostet Geld, und was kriegt man denn für das Geld wieder? Man soll sich engagieren gegen den Arbeitgeber. Mh? Und noch dafür Geld bezahlen? Da brauchen Sie schon Überzeugungskraft, um Leute dahin zu führen oder zu verführen, das mitzumachen. Nein, dann müssen, man kann Gewerkschaftsarbeit kann man nur machen, wenn man, wenn der Verantwortliche auf jeden Fall weiß, dass eine Veränderung der, äh, des Betriebsklimas oder was, gewollt wird und man es auch erreichen kann. Das muss man haben. Wer, wer scheitert, braucht zehn Jahre nicht wiederkommen.
Die Arbeitgeber haben die Erhöhung, die wir wollten, nicht mitgemacht. Die Tarifkommission bestehend aus der und da, da dreie, da fünfe, nicht. Waren auch so erbost. Ich hab die Verhandlungen scheitern lassen. Was macht man nun? Versammlung. Erklären das, warum, weshalb. Aber man muss die Arbeitgeber ja wieder an den Tisch kriegen. Das geht auch. Man muss sich ja einlassen, aber sie auch. Es ist äh, nun muss man, auch wenn die Arbeitgeber nicht wollen, die sagen denn- "Lassen wir den Kantin doch mal auflaufen, nicht." Die Je-, äh, in Jever der Direktor hat gesagt also "Streiken, das machen meine Arbeitnehmer nicht, bei mir nicht." Und da haben die zuerst gestreikt. Nicht gestreikt, sondern zur Urabstimmung gegangen. Ja? Vor einem Streik muss ja eine Willenserklärung abgegeben werden der-äh-jenigen für die verhandelt wird. Es ist doch eine Verhandlung gescheitert. Und wenn man jetzt will, dass der Arbeitgeber, also mein Gegner eingeschüchtert wird, dann muss ich zeigen, dass also, wenn ich will, der Betrieb lahm gelegt wird.
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Karl Kantin wurde am 22. Dezember 1918 in Berlin in einer Arbeiterfamilie geboren. Nach dem Besuch der Volksschule begann er  1933 eine Bäckerlehre. Im Anschluss an die Ausbildung arbeitete er als Chauffeur und Monteur für eine Fahrstuhlfirma. Im März 1939 wurde er zunächst zum Arbeitsdienst, dann zur Wehrmacht eingezogen.

Ab Juni 1941 nahm Kantin als Panzerfahrer am Ostfeldzug teil. Nach einer schweren Verwundung verbrachte er knapp zwei Jahre im Lazarett in Bad Harzburg, ehe er erneut zur Ostfront und dann nach Berlin versetzt wurde. Kurz vor Kriegsende desertierte Kantin und verbrachte die folgenden Monate in amerikanischer und französischer Kriegsgefangenschaft. Nach der Gefangenschaft ging Kantin nach Bad Harzburg, wo er schließlich ab Oktober 1948 als Kellner im Kurhotel „Harzburger Hof“ arbeitete.

Nach dem Krieg begann Kantins gewerkschaftliches Engagement. Bereits im Juni 1948 der neu gegründeten Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) beigetreten, wurde er bald darauf in den Betriebsrat und schließlich zu dessen Vorsitzendem gewählt. Im November 1953 nahm er schließlich eine hauptamtliche Tätigkeit als Sekretär der NGG in Göttingen an. Im gleichen Jahr trat Kantin der SPD bei. 1961 wurde er von der Gewerkschaft nach Oldenburg entsandt, um einen politischen Konflikt zu entschärfen. Von 1962 bis zu seinem Renteneintritt Ende 1981 war Kantin Geschäftsführer der NGG-Verwaltungsstelle Oldenburg/Ostfriesland.

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