Klaus Zwickel

IG Metall
IG Metall
Video 2 – 4:49
Betriebsrati
Unternehmeni
Angestelltei
Arbeiter_ini
Duales Ausbildungssystemi
Video 3 – 4:58
Betriebsrati
Betriebsversammlungi
Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB)i
Vertrauenskörperi
Mir scheint noch ein anderer Aspekt wichtig zu sein, den man, den ich noch gerne einflechten möchte, und zwar inwieweit war in den Jahren 60, 70, 80, inwieweit war damals die Gewerkschaftsarbeit sozusagen eingebunden in eine gesamtgesellschaftliche Debatte. Da muss ich vorausschicken, um selbst ein Stück weit das … diese ganzen gesellschaftspolitischen Zusammenhänge, die Widersprüche zu verstehen, das hab ich nicht in der Schule gelernt und zuhause hatte ich diesbezüglich, wie ich anfangs erwähnt habe, auch sozusagen keine Schule und im Betrieb war das auch nicht vordergründig, außer am konkreten Objekt. Da hingeführt zu sein, um ein gesellschaftspolitisches Verständnis zu entwickeln, da muss man auch Glück haben, zumindestens im Nachhinein muss ich das so sagen. Ich habe ja kein Studium, wo man das hätte mitbekommen können, sondern ich hab das sozusagen im Leben gelernt, und ich hatte das Glück, zwei, besonders zwei Persönlichkeiten, zwei Menschen kennenzulernen, die mich geprägt haben, die mich auch gefördert haben, um ... um diese ... diese Brücke von reiner gewerkschaftlicher Arbeit, was Tarifpolitik et cetera betrifft, direkte Interessenvertretung, aber das in einem großen Zusammenhang in einer … eines gesellschaftlichen, politischen Zusammenhangs zu stellen. Da gab es einmal den ehemaligen ersten Bevollmächtigten in Heilbronn, der Kollege hieß Erich Leucht, er war Kommunist. Ein hochgebildeter, sehr belesener Mann, der war sozusagen in meiner Jugendzeit als Gewerkschafter war der für mich diesbezüglich eine wichtige Person, und zwar weniger Orientierung was seine politische ... persönliche politische Einstellung betraf, sondern im Sinne von hinführen, von lernen. Weil ich habe in der Schule … aus der Schule nicht gelernt oder in der Schule nicht gelernt, dass es einen Kant gibt, dass es einen Marx gibt, dass es einen Hegel gibt und wie sie alle hießen die wichtigen Philosophen, und er war das, der sich die Zeit genommen hat, dass wenn ich abends oft nach der Arbeit zu ihm ins Büro kam und er da war, mir gesagt hat, du lies mal dieses oder jene. Es war nicht das Kapital von Marx oder solche, also nicht diese ganz dicken Schwarten, sondern einfach eine Broschüre, wo die Grundphilosophie von Hegel oder von irgendeinem dieser Philosophen sozusagen erklärt war. Lies das mal! Das heißt, erst durch seine Hinweise bin ich damals mit diesen … mit diesen wichtigen Philosophen gewissermaßen in Kontakt gekommen. Ich hab’s natürlich nicht studiert, wie man das auf der Uni tut, hatte ich weder Zeit noch, ja, noch die Unterlagen dazu, aber sozusagen er war das, der mich mehr oder weniger an die ... der Hand, an die Hand genommen hat und hat gesagt, lies das mal und wenn du 'ne Frage hast, dann reden wir darüber. Und dieser Mann, von dem ich heute noch hohen Respekt habe, der hat mich im wahrsten Sinne des Wortes kontrolliert, denn wenn ich wiederkam n paar Tage später, sagt er, hast du's gelesen und hast du's verstanden? Und wenn ich’s nicht gelesen hatte, hat er das sofort gemerkt, weil er hat doch irgendwie gefragt, war ich platt, blank. Also ich will damit nur sagen, es ist oft, so hab ich ... ist mindestens meine Lebenserfahrung, oft wichtig, mit welchen Menschen man sozusagen in Kontakt kommt und welche Menschen einen begleiten. Das war für mich sozusagen ein ganz, ganz wichtiger Weichensteller, weil damit hab ich mich natürlich dann mit diesen ganzen … mit diesen gesellschaftspolitischen Theorien auseinandergesetzt, auseinandersetzen müssen, hab das auch spannend gefunden und hab ein Stück weit das sozusagen dann auch verinnerlicht. Ein anderer war diesbezüglich wichtiger Wegbegleiter der, ja, legendäre Bezirksleiter in Baden-Württemberg, Willi Bleicher, der 'ne ganze junge Gewerkschaftsgeneration, und zu der hab ich damals gehört, im wahrsten Sinne des Wortes geprägt hat. Also jeder, jeder wusste von uns und die ganze Öffentlichkeit wusste, dass er, dass er Kommunist war, dass er lange im Konzentrationslager war, und er hat eine ganze Gewerkschafts… junge Gewerkschaftsgeneration im wahrsten Sinne des Wortes politisiert, weil für ihn war Tarifpolitik sozusagen immer nur Teil einer gesamtgesellschaftlichen Auseinandersetzung. Es ging nie einfach nur um Lohn, sondern im Hintergrund stand immer die Frage Verteilung und weit über die Frage materielle Verteilung, hinaus. Welchen Einfluss, welche Teilungsmacht haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und ihre Vertretungen auf die gesamte Entwicklung in der Wirtschaft und darüber hinaus. Das war hinter jeder, hinter jeder seiner Analysen war das sozusagen die Basis. Das haben wir alle und das haben wir Jungen alle sozusagen aufgenommen von ihm und entsprechend wurden wir geprägt.
Ich bin dann auch nach einigen Monaten meiner Lehre gewissermaßen zu meiner ersten Gewerkschaftsfunktion gekommen. Ich wurde Beitragskassierer und da muss man wissen, zu der Zeit, also 50er/60er Jahre, wurden die Gewerkschaftsbeiträge noch fast ausschließlich bar kassiert, also unmittelbar beim Mitglied abgeholt, beim Mitglied kassiert. Es wurde eine Wertmarke verkauft und diese Wertmarke hat das Mitglied in sein Mitgliedsbuch eingeklebt. Es wurde in den 50er Jahren noch jede Woche kassiert, weil es gab jede Woche Lohn, also bei den Arbeitern. Nur bei den Angestellten gab es Gehalt und das wurde einmal im Monat … im Monat bezahlt, aber bei den Arbeitern wurde jede Woche bezahlt. Und das hat bedeutet, du musstest auch jede Woche Gewerkschaftsbeitrag kassieren. Es gab einen Wochenbeitrag, der war damals, wenn ich mich richtig erinnere, zwischen 1 Mark und 3 Mark, so ungefähr. Die Löhne waren ja entsprechend und das hat für den Beitragskassierer bedeutet, er musste jede Woche zu seinen Mitgliedern, zu seiner Mitgliedergruppe, ich hatte damals ungefähr 25 zu kassieren, zu seinen Mitgliedern und eben unmittelbar, wenn der Lohn ausbezahlt wurde am Arbeitsplatz, das ... der war in einer Tüte, 'ner Lohntüte, und dann musste man als Beitragskassierer ganz schnell dabei sein, wenn das Mitglied seinen Lohn bekommen hat, sofort hinterher sein uns sagen, gib mir deine Mark, also einen Wochenbeitrag. Wenn man nämlich zu spät kam oder einen Tag später, dann hat man oft das Argument bekommen, du, ich hab grad kein Geld dabei und dann war es umso mühsamer, in der kommenden Woche zweimal zu kassieren. Das war sozusagen meine erste gewerkschaftliche Funktion, die ich bekommen hab. Das war 'ne mühsame, aber im Nachhinein betrachtet war es eine sehr wertvolle, und zwar deshalb, ich musste jede Woche gewissermaßen agitieren. Weil man kann sich vorstellen, es war nicht immer einfach, 'n Beitrag zu kassieren. Da gab’s dann viele Argumente warum heute nicht und da war man mit dem letzten Lohnabschluss nicht ganz zufrieden und dann gab’s dieses und jenes, wo man am Betriebsrat zu kritisieren hatte, und das hat man alles sozusagen als Beitragskassierer dann als Gegenargument bekommen, warum eben heute man nicht Gewerkschaftsbeitrag bezahlt. Also man musste schon sehr, sehr stark sein, um da nicht nachzugeben. Für mich war das 'ne gute Schule. Also ich wurde dann sozusagen wirklich ein Agitator im wahrsten Sinne des Wortes. Das hat mich persönlich geschult, aber man musste auch auf 'ne andere Art und Weise stark sein, nämlich den Gewerkschaftsbeiträg… den, den Gewerkschaftsbeitrag zu kassieren, das war in den meisten Unternehmen nicht gerne gesehen, zu kassieren während der Arbeitszeit, das war schon ganz, ganz schwierig. Also man musste schon einen Meister oder einen Vorgesetzten haben, der selbst vielleicht Gewerkschafter war, der dann großzügig drüber weggesehen hat, es mehr oder weniger geduldet hat, wenn man eben während der Arbeitszeit mal schnell auch den Gewerkschaftsbeitrag kassierte. In der Regel musste man’s während der Pause machen, also anstelle Vesperpause Gewerkschaftsbeitrag kassieren. Und insofern war das 'ne sozusagen meine erste unmittelbare Erfahrung mit Gewerkschaft als Funktion, in Funktion.
Aber nun muss man sagen, in den ersten Jahren, also ich hab ja grad gesagt, wo ich angefangen habe hier beim DGB, und mehr oder weniger am selben Tag mein, unser Sohn geboren wurde, in den ersten Jahren, als ich hier vor Ort war, war das natürlich auch mit dem Zusammensein natürlich auch … hat das auch noch relativ gut funktioniert. Also ich kann mich erinnern, da bin ich, wenn’s irgendwie ging, fast jeden Tag hier von, wo ich hier in Neckarsulm war, da bin ich, wenn’s irgendwie ging, fast jeden Tag mittags nach Hause gefahren zum Mittagessen. Ja, also sie hat dann nicht mehr gekocht, wo wir dann unsern Sohn hatten, hat sie aufgehört zu arbeiten. Und ... und dann ... also wenn’s irgendwie ging, Telefon gab’s ja auch schon, dann haben wir gesagt, wenn’s nicht funktioniert, dann ruf ich an rechtzeitig, dass ich nicht komme, aber ich sag mal, in zwei Drittel der Fälle hat es am Nachmittag funktioniert, dass ich keine … dass ich nicht in einem Betrieb war oder auch sonst nirgendwo und dass ich eben dann nach Hause gefahren bin und dann haben wir gegessen. Das war schon schön, ja, ich hab dann auch so doch relativ viel mitbekommen eben wie der Junge wächst und, und, und. Klar, die Hauptaufgabe ob das, das war immer bei der Frau, keine Frage, aber abends war schon heftig manchmal. Also ganz abgesehen davon, dass zu der Zeit, das ist heut auch nicht mehr so, ob das gut oder schlecht ist, will ich jetzt gar nicht bewerten, aber zu der Zeit gab es nicht nur wie oft abends Sitzungen, sondern es gab, es war selbstverständlich, es gab viel Nachsitzungen. Also du hast abends 'ne Sitzung gemacht mit Vertrauensleuten oder was weiß ich, oder hier mit der Ortsverwaltung oder egal was es nun gerade war, die ging um fünf, also um 17 Uhr oder so was los und dann ging die zwei Stunden oder auch mal etwas länger, je nachdem was zu besprechen war, ja, gut, dann war die Sitzung zu Ende und dann hat’s geheißen, dann hat irgendeiner, ich war da meistens nicht abgeneigt, oder mit der Initiator, hab gesagt, Leute, wo gehen wir hin, trinken wir 'nen Schoppen. Ja, selbstverständlich, nicht, und dann is' man da in eine der umliegenden Lokale gegangen, oder is' im Haus geblieben und hat da eben noch was zusammen getrunken und weitergeredet. Das war ja nicht, dass war ja nicht so, dass man dann Blödsinn gemacht hat, sondern oft ist da vieles besprochen worden, was sonst gar nicht ... was sonst gar nicht auf die Tagesordnung gekommen ist, ne. Und da wurden die Abende dann schon oft lange, ja, und das war schon 'ne, das war schon so was wie 'ne Tradition. Also nach der Sitzung gibt’s 'ne Sitzung. Oder wenn du irgendwo bei 'ner Betriebsversammlung warst, das war ja sozusagen unser fast tägliches Geschäft, dass man auf 'ner Betriebsversammlung war, die Betriebsversammlung, wenn sie am Nachmittag war, dann hat man möglichst gesucht oder versucht, dass die Betriebsversammlung so lang gedauert hat bis Feierabend war, da ist dann immer wieder einem etwas eingefallen und so, und dann war die Betriebsversammlung zu Ende, dann hat der Betriebsrat, du, ich wollte schon lang, was weiß ich, was mit dir besprechen, der und der und die und die, die gehen mit, wir gehen noch was trinken. Dann bist du nach der Betriebsversammlung mit denen zur, zur, irgendwo hingegangen, hast dich mit denen da noch getroffen, war unglaublich wichtig. Also ich hab das unglaublich für wichtig empfunden. Und, also ich beobachte das, ich beobachte das, das is' heute fast nicht mehr der Fall. Ja, ich weiß nicht warum, aber ich hab das, es war belastend, keine Frage, und es war für die Familie natürlich also schon 'ne Zumutung, keine Frage, aber du hast, du warst unglaublich präsent und mit den Leuten in Kontakt. Du hast nicht nur … Du hast dann auch immer 'n bisschen was mitbekommen von ihren ganz persönlichen Problemen und Sorgen. Die hatten ja nicht nur Probleme im Betrieb, ja, sondern der eine hatte in der Familie ein Problem, der andere hatte 'n Problem mit der Abbezahlung seines Hauses oder, oder, oder, tausend Dinge, oder der andere hatte 'nen Unfall und 'n Problem. Das hast du alles irgendwie mitbekommen. Du warst irgendwie Beteiligter, konntest zwar nicht unmittelbar helfen, aber du hast die Menschen gekannt und hast auch manches verstanden, warum der so im Moment reagiert und nicht anders.
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Klaus Zwickel wurde am 31. Mai 1939 in Heilbronn geboren. Nach dem Besuch der Volksschule absolvierte er zwischen 1953 und 1956 in Nordheim eine Lehre zum Werkzeugmacher.

Bereits seit 1954 IG Metall-Mitglied, betätigte er sich von 1957 bis 1960 als Vertrauensmann und Beitragskassierer. Zwischen 1960 und 1965 stand er in der Firma Tuchel dem Betriebsrat vor. 1965 dann wurde er hauptamtlicher Organisationssekretär beim DGB-Kreis Heilbronn, Nebenstelle Neckarsulm, und von 1968 bis 1983 war Zwickel Erster Bevollmächtigter der IG Metall-Verwaltungsstelle Neckarsulm. 1984 wechselte er zur IG Metall nach Stuttgart, um bereits 1986 zum Geschäftsführenden Vorstandsmitglied gewählt zu werden.

Nach dem Rücktritt Franz Steinkühlers als Vorsitzender der IG Metall 1993 übernahm Zwickel dessen Amtsgeschäfte und wurde noch im selben Jahr zum neuen Ersten Vorsitzenden gewählt. Zur Schaffung von Arbeitsplätzen schlug er der Bundesregierung unter Helmut Kohl (CDU) und den Arbeitgebern Ende 1995 das sogenannte „Bündnis für Arbeit“ vor, welches jedoch schnell scheiterte. 1998 strebte Zwickel, seit 1959 SPD-Mitglied, mit der Regierung Gerhard Schröder ein neues „Bündnis für Arbeit“ an, welches jedoch ebenfalls keine Erfolge zeitigte. Im Juli 2003 trat Zwickel nach der Niederlage des Arbeitskampfes um die 35-Stunden-Woche in Ostdeutschland und dem folgenden internen Richtungsstreit zurück.

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