Und dann hab ich mich irgendwann doch auch entschieden, auch weil das materiell alles ein bisschen knapp wurde, im Juni 1968 mich ins Referendariat zu begeben. Und in diesem Referendariat (Pause) hab ich dann allerdings, das hab ich als sehr, sehr kritisch für mich erlebt, und ich kann einfach so viel zusammenhängend sagen, eigentlich von Station zu Station, die ich als Referendar der Rechte durchmachen musste, also zuerst beim Amtsrichter für Strafsachen, dann beim Amtsrichter für Zivilsachen, dann beim Landgericht, dann bei der Staatsanwaltschaft, dann beim Arbeitsgericht, dann bei der Verwaltung und dann wieder bei … wieder bei gerichtlichen Instanzen, hab‘ ich eigentlich nach jeder Station gedacht, und das willst du auch nicht werden. Und das willst du auch nicht werden. Also ich weiß, das war schon ganz interessant, das Erlebnis wie ich beim Strafrichter war, der auch irgendwo ein resignierter alter Mann war, der dann zu mir gesagt hat: Ach, Herr Schwegler, wissen Sie, bevor ich Richter geworden bin, hab ich mir überlegt, ob ich nicht Förster werden sollte. Und ich hätte das tun sollen, die Tiere sind doch viel besser als die Menschen. (lacht) Und andererseits hat er eigentlich wie so eine Rechtsprechungsmaschine im Wesentlichen zu Kleinkriminellen funktioniert, die irgendwelche Dinge gemacht haben, die man nicht tun durfte und für die dann mehr oder weniger eigentlich (kurze Pause) automatisch, elektrisch dann irgendwelche Strafsätze vorgesehen waren, oder er hat versucht, die Verhandlung möglichst schnell hinter sich zu bringen. Und das auch eigentlich mit einem etwas zynischen Verhältnis zu alledem, was er da betrieb. Da gab es eine herausragende Situation, die erzähle ich mal ruhig doch, weil ich die als besonders skurril empfunden habe, aber nicht unbedingt als vertrauensbildend. Wir hatten da einen Fall eines Türstehers von Sankt Pauli, der hatte zu später Stunde gegen 23 Uhr wohl so im Türbereich seines Etablissements Bilder verkauft, die man seinerzeit pornographisch nannte und die man heutzutage überall eigentlich sehen kann, also schon im Tagesprogramm des Fernsehens. Und dann stand dieser Türsteher wegen der Verbreitung unzüchtiger Schriften vor Gericht und hatte nicht den Hauch von Unrechtsbewusstsein. Und dann sagt der, also was ist denn, das ist doch alles ganz normal, was ich da gezeigt habe. Und da hat der Richter gesagt, aber na hören Sie mal, das sind doch Schweinereien. Och, sagt der, das ist doch eigentlich ganz normal. (lacht) Nein, das sind Schweinereien und das könnten doch auch Kinder sehen. Da sagt der, Herr Richter, doch nicht um 23 Uhr auf Sankt Pauli. Und die, die um 23 Uhr kommen, die kennen das auch, (lacht) für die ist das doch auch ganz normal. Nein, also, hat ihn dann verurteilt, nicht besonders hoch, ich weiß nicht mehr genau zu was, 1000 Mark Strafe oder so was, ersatzweise soundso viel Tage Haft. So weit, so gut, so schlecht. Und dann gingen wir hinterher zur Beratung und dann drehte sich die Szene. Dann sagte er, Herr Schwegler, ich denk mal, dass die Entscheidung, das Urteil, die könn … das können Sie dann schreiben. Dann können Sie ruhig auch die Akte und die Asservaten mal mitnehmen und sich angucken. Er nahm also die Rolle, wenn man so will im Verhältnis zu mir, dieses Türstehers ein. (lacht) Und dann hab ich gesagt, ja, ich tu mich aber ein bisschen schwer, das hier im Einzelnen zu begründen. Da hat er gesagt wieder plötzlich, aber na hören Sie mal, das ist doch unzüchtig. Da hab ich gesagt, wie begründe ich denn die Unzucht. (lacht) Eh, eh, schreiben Sie mal, eh, eh, mh, zeigt, eh, den, eh, menschlichen Geschlechtsverkehr in Abarten und Verschiedenheiten. Dann schreiben Sie das so und dann ist das so. Nun gut, hab ich dann mitgenommen, hab ich dann das Urteil geschrieben und ihm dann da abgeliefert, war ja eh schon gesprochen, musste nur noch begründet werden. Aber ich bin schon zu dem Ergebnis gekommen, eine solche an sich Vollzugsmaschinerie, die gar nicht danach fragt, wo kommt das her, was sind die Ursachen, wie hilft den Menschen, wenn sie denn ins Unrecht gekommen sind, weiter, wie sind sie überhaupt in diese Notlagen gekommen, ich hab gedacht, das ist für mich kein Lebensinhalt.