Für uns, ich meine, in der Verantwortung als Industriegewerkschaft, uns im Zentralvorstand, war der 17. Juni das prägende Ereignis überhaupt in meinem Gewerkschaftsleben. Ich muss überlegen, war das noch prägender wie die Wende. Die Wende natürlich war, glaube ich, ja, noch prägender. Aber ich will da gar keine Eingruppierung machen. Es war ein Ereignis, was uns vorher, zum 17. Juni und nachher, die ganze Zeit nachher, immer wieder beschäftigt und belastet hat, als Industriegewerkschaft, weil immer wieder Vorhaltungen gemacht worden sind, uns gegenüber, was nicht in Ordnung ist, was wir falsch gemacht haben, ideologisch gesehen, dass der Sozialdemokratismus zu stark in uns drinstecken würde. Ich habe zu der damaligen Zeit überhaupt nicht geahnt und gewusst, was das überhaupt ist. Ja, das mag komisch klingen, aber es waren eben Jahren des erst Hineinriechens und überhaupt Groß werden, in Bezug auf die Probleme der Gewerkschaften. 1951, wo ich Stellvertreter wurde, kurze Zeit danach kam man zu der Entscheidung im Sekretariat des Zentralvorstandes, dass ich zuständig bin, für die Koordinierung der Gewerkschaftsarbeit auf der langen Stalinallee, dieser sozialistischen Großbaustelle. Ja, ich ahnte ja damals nicht, was auf mich zukommt, keinesfalls. In dieser Zeit schon, ab Ende ´51, habe ich immer mehr spüren können, was in den Köpfen unserer Bauleute, der Berliner Bauleute – es arbeiteten ja auch Kollegen aus der Republik – ich betone, der Berliner Bauleute vor sich geht. Die sozialistische Straße wurde ja genutzt, das heißt, sollte vor allen genutzt werden, um alles Neue einzuführen, zu beweisen: „Das geht!“, ja. Ja, das war eben das Mauern in Dreiermethode, Fünfermethode, das waren die Ecklehren, Fensterecklehren, Ecklehren, nicht mehr Wasserwaage reinhalten, ranhalten und das mechanische Putzen mit der Pumpe und, und, und. Bei den Huckern waren es die motorbetriebenen Aufzüge, sprich die „Hexen“, die sie auf einmal zum Hilfsarbeiter machten. Und die Kollegen hatten bei all diesen Dingen die Befürchtung: „Das führt zur Normveränderung, ich kriege weniger Geld ins Portemonnaie“, und die Frage des Geldes war damals genauso wichtig, wie heute, vielleicht sogar noch wichtiger, weil die Lebensbedingungen schwieriger waren, viel schwieriger und nur mit Geld was zu machen war. Ja, natürlich kriselte es immer mehr und wir hatten ja das Kulturhaus der Bauarbeiter errichtet, hinter dem Stalindenkmal, um eine Stätte der Zusammenkünfte, der Betreuung, der Versorgung und so weiter zu haben. Kam nicht ganz eine Million der Bau, war ein provisorischer Bau natürlich, ist klar und ist ja später wieder weggerissen worden, weil dort auch Wohnungen, Häuser entstanden, nicht Wohnungen. Mit der zehnprozentigen Normerhöhung, dem Beschluss der Parteiführung der SED, das zu tun, durchzusetzen, und einigen anderen Dingen, was die Rückfahrkarten anbetrifft und Kuren und so weiter, wo die neuen rechtlichen Regelungen besagten, die und die Verschlechterungen treten ein, trat natürlich naja dieser (…) ich will nicht sagen Hass, das war es nicht, aber nicht zufrieden sein, das ist nun auch wieder milde ausgedrückt, nicht mehr so wollen, dieses Regimes, sprich SED-Führung, immer mehr in den Vordergrund. Aus den ökonomischen Problemen, Forderungen („Geld im Portemonnaie“) und soziale Regelungen, die uns zufrieden stellen und nicht das Leben erschweren, wurden immer mehr politische Forderungen gegen das Regime als solches. Und das gab immer mehr Krawall in den Versammlungen. Wir überlegten, nicht mehr im Kulturhaus die großen Versammlungen zu machen, sondern wieder zurückzugehen in die Bauabschnitte, kleinere Versammlungen, um mehr persönlich ansprechen zu können, aber auch zu hören, was ist nun wirklich die Hauptforderung, um was geht es. Ja, in dieser Zeit schon bin ich selbst und natürlich die Kollegen, die mit mir dort für die IG, für die Industriegewerkschaft zu tun hatten, ins Zwiespalt gekommen, weil viele der Forderungen der Kollegen berechtigt waren, unter den Umständen, wie das ablief auf der Allee, es klappte nicht die Materialzufuhr und, und, und, vieles ging schief und die Kollegen hatten Probleme, der Verdienst stimmte nicht. Es ist schwierig gewesen, andererseits, naja, als Parteisoldat sozusagen, vertrat man die Meinung natürlich des Politbüros: „Zehn Prozent Normerhöhung. Die Situation erfordert es und wir müssen sehen, dass wir zurechtkommen. Und das und das wird dann besser werden“, sprich die Materialfrage und der Ablauf und, und, und, „so das ihr zügiger arbeiten könnt und auch unter diesen Bedingungen euer Geld verdient hier.“ Etwas mussten wir ja in dieser Richtung darlegen. Ob man selbst daran glaube, ich weiß nicht. Auf jeden Fall hat man es mit Überzeugung gesagt. So, und dann der 17. Juni selbst, das heißt der 16. ja vor allen Dingen und 17. und die Vorgeschichten: Wer ist verantwortlich mit der Dampferfahrt von Industriebau und was da besprochen wurde und, und, und … kam es zu diesem, nicht nur großen Streik, Generalstreik, sondern der geschlossener sich gegen die Regierung, gegen deren Politik, gegen die Parteiführung zu richten, ja. Es war nicht mehr aufzuhalten, es wollte auch keiner richtig in der Spitze darauf hören, was schon sich zusammenbraute. Das wurde immer wieder kleingeredet. Ja, wir verloren also immer mehr Vertrauen als Gewerkschaften, konnten sagen, was wir wollten, am 17. Juni selbst war ich ja auf der Baustelle Krankenhaus Friedrichshain und dann Staatsoper, Staatsoper von so einem Gerüsthaufen, auf so einem Gerüsthaufen stehend, versuchte ich zu den Kollegen zu sprechen, aber viel war nicht mehr möglich, überhaupt nicht mehr, denn es zogen schon daneben, „Unter Linden“, die Menschen vorbei, also die Bauleute. Ja und dann kamen wir zu dem Entschluss, also wir machen ein Forderungsprogramm und da bringen wir all die Forderungen rein, die vor allen Dingen den Bauarbeitern unter den Nägeln brennen. Das geschah erst mal im kleinen Kreis. Wenn es vorher schon bekannt geworden wäre, hätte es schon Krawall gegeben, ist klar, von Seiten der Partei und FDGB, spricht sich ja dann rum. Und dann wurde es in der Tribüne veröffentlicht, Tribüne war bereit, Gewerkschaftszeitung. Und dann begann der Krawall, aber wie. Und vom FDGB, von der Partei sowieso, wurde das gesehen als, naja, gegen die Partei, gegen den Bundesvorstand FDGB gerichtetes Produkt betrachtet, gar nicht im Sinne der Bauleute, sondern als feindliche Tätigkeit, ausgesprochen feindliche und alles unter dem Begriff „Sozialdemokratismus in den Köpfen“. Es wurde die Untersuchungskommission eingesetzt und die benutzte die Taktik einen gegen den andern auszuspielen, um möglichst eine kleine Schar Hauptschuldige herauszufiltern, aus dem Kreis der Sekretariats-, der Vorstandsmitglieder.