Michael Sommer

Deutsche Postgewerkschaft
Deutsche Postgewerkschaft
Video 1 – 3:33
Streiki
Bildungi
Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB)i
Solidaritäti
Vertrauenskörperi
Video 2 – 2:40
Unternehmeni
Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB)i
Gerechtigkeiti
Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)i
Video 3 – 2:28
Streiki
Ehrenamti
Und ich war dann eben auch so in dem Alter, 19, 20, als ich dann in die Gewerkschaft ging. Und das war für mich auch wichtig. Also, das war nicht nur, weil ich bei der Post war, sondern es war auch in meinem Bewusstsein klar: Man muss schon sich politisch engagieren und man muss … Und eine Gewerkschaft war gut. Nicht unbedingt Walter Sickert hier in Berlin als DGB-Vorsitzender, der galt sozusagen als absolut rechts außen, was er auch war. Aber so meine Postler, das waren so … Die waren auch in ihrem eigenen Bewusstsein immer so die Proletarier des öffentlichen Dienstes, verdienten wenig, Struktur war einfacher Dienst, waren eigentlich arm wie eine Kirchenmaus, brauchten alle einen Zweitjob und so. Und waren sehr normale, anständige Menschen, die eigentlich versuchten, sozusagen einigermaßen normal durchs Leben zu kommen. Aber wussten alle, sie können in ihrem Leben keine großen Sprünge machen, aber sie wollten eben als anständige Menschen durchkommen. Und das war so, wenn man so will, die gewerkschaftliche Prägung, die ich gekriegt habe in der Zeit. Und eben, dass die sich um mich kümmerten. Das war eine besondere Form von Solidarität. Die haben gesagt, Junge, ach, du hast wieder mal kein, du weißt nicht, wo es morgen weitergeht, wir besorgen dir mal wieder einen Job. Das war … Ich habe dann in dieser Zeit, in diesen sechs, sieben Jahren, als ich da war, dann auch alles gemacht. Also, ich habe Schalter gemacht, habe Telegrafenzustellung gemacht, Briefkastenleerung gemacht, Paketverteilung gemacht, Paketzustellung gemacht und, und, und. Und damals meine Haupttätigkeit bestand darin, dass wir immer den Passierschein aus Berlin, die kamen immer, damals schickten die Leute die, weil sie sicher sein wollten, per Eilboten/Einschreiben. Das heißt, die gingen dann immer zum Telegrafen, Telegrafendienst, ich habe auch damals noch Telegramme zugestellt mit Kündigungen und so, und Schmugglertelegramme und so, alles, was damals sozusagen State of the Art war. Aber das Hauptgeschäft war eben, was wir Osttüten nannten. Osttüten waren Briefumschläge mit Briefmarken aus der DDR, wo Einschreiben/Eilboten drauf stand, und da waren immer die Passierscheine drin. Weil, die Leute beantragten die in Ostberlin und dann schickten die die rüber und die waren meistens relativ kurzfristig, die hatten immer nur eine Frist von zwei, drei Tagen. Ja, und mein Geschäft war also Osttüten zustellen und auch mal lebende Tiere zustellen. Also, aus meiner Post-Zeit kann ich wochenlang Anekdoten erzählen. Lassen wir jetzt mal weg, sondern ich wollte eigentlich mehr zu mir kommen. Aber es war klar, ich war dann Gewerkschaftsmitglied und dann war es für mich auch klar, weil ich ja auch Schulsprecher war und so, dass ich dann auch was mache. Und dann habe ich denen gesagt, was machen wir dann, dann haben die gesagt, na ja, du kannst erst mal einen Bildungsvertrauensmann machen und so. Und ich habe auch 1974 den großen Streik im öffentlichen Dienst mitgemacht, wir waren pottsauer, dass wir nicht streiken durften, das war, weil die oberste Arbeitskampfleitung gesagt hat, ihr seid noch nicht dran. Und wir wollten eigentlich, aber wir durften nicht. Aber dann war auch klar, wenn die oberste Arbeitskampfleitung – ich war es dann später selbst –, wenn die oberste Arbeitskampfleitung sagt, das passiert nicht, dann passierte es auch nicht. Danach richtete man sich, so.
Also, wenn du nicht eine Emotion hast dabei und auch so ein Gerechtigkeitsgefühl mit dir rumträgst, dann kannst du den Job nicht machen. Ich habe mich immer wirklich darüber aufgeregt, wenn deutsche Professoren, gut gestellte deutsche Professoren armen Menschen erzählt haben, von wie viel sie leben können müssen. Ich rege mich auch über Unternehmer auf, die mit der tiefen Überzeugung meinen, der Staat müsse ihnen einen Teil ihres Lohns für ihre Beschäftigten bezahlen. Und ich glaube schon, dass ich mich schon auch so als ein persönlicher Kämpfer gegen den Neoliberalismus bekenne. Ich war – das war – ich habe das bekämpft, wo ich konnte, und ich glaube auch übrigens, eine Ursache für den tiefen Fall der deutschen Sozialdemokratie ist, dass sie den Kniefall vor dem Neoliberalismus gemacht haben und deswegen sich auch so schnell nicht wieder erholen werden. Und immer, wenn sie sich gerade erholen, wie jetzt nach der Europawahl, fangen sie wieder an, neoliberale Politik zu machen. Ich werde da fast verrückt. Aber ich glaube ernsthaft, das ist eine Ideologie, die letztendlich davon lebt, dass es den Reichen nicht reich genug geht, den Armen nicht arm genug. Und dann ist das etwas, wo ich sage, was gar nicht geht, sind die Menschenbilder, die dahinterstehen. Es gibt keinen Menschen der tausendmal mehr wert ist als der andere. Und es tut mir Leid, es drückt sich eben auch über Einkommen aus. Es drückt sich über Einkommen aus. Auch die Bemessung jetzt von Arbeit. Und wenn ich weiß, dass mein Lohn höher ist als der meiner Mitglieder und ich habe wirklich auch nicht schlecht verdient beim DGB und ich lebe auch gut, und trotzdem weiß ich immer noch, wer mich bezahlt, und dass es immer noch so ist, dass ich auch meinen Leuten sagen kann, ich verdiene so und so viel, ohne mich dafür jetzt schämen zu müssen. Und im Prinzip müsste diese ganze Managerelite vor Scham permanent sozusagen in Sack und Asche laufen. Was die machen, ist ja noch viel mehr. Das sind ja Menschen, die erstens tatsächlich davon überzeugt sind, dass sie mehr wert sind, was ich schon für ein Unding halte, also in dem Bild von Menschen, von anderen Menschen. Und zum Zweiten, die auch der Meinung sind, sie stünden über dem Gesetz, für sie würde die normale Gesetzlichkeit einer menschlichen Gesellschaft nicht gelten. Und das ist etwas, das akzeptiere ich auch nicht.
Und wenn wir sagten, wir machen eine Demo, dann machten wir eine Demo. Und wenn wir gesagt haben, eine Demo, dann machten wir, dann war auch klar, die waren da. Und wenn wir einen Streik gemacht haben, dann wurde der befolgt. Es war nicht so, dass man zitterte oder so, oder so eine Situation wie der IG-Metall-Streik im Osten hier, der zusammengebrochen ist. Bei uns ist nie ein Streik zusammengebrochen. Das hatte aber sehr viel damit zu tun, dass wir eine sehr straffe Organisation hatten und eine sehr hoch bewusste Mitgliedschaft hatten. Ich erinnere mich, nur ein Döneken aus der Zeit: Ich war schon Vorstand damals, zu meiner eigenen Karriere komme ich gleich noch mal zurück, war Vorstand damals schon und sage zu meinem Veranstaltungsleiter, ich sage, komm, setz dich mal dahin, ich sage, du hast mal wieder das große Los gezogen, da sagt er zu mir, was meinst du denn, ja, ich sage, du, in 14 Tagen eine Demo in Bonn gegen das Postgesetz. Da sagt er: Wie viel? Ich sage: 60.000. Dann sagt er zu mir: Wo? Ich sage: Nicht Beuel, auf der richtigen Seite. Und da sagt er: Das geht nicht. Ich sage: Es geht. Dann sind die verhandeln gegangen, zum Polizeipräsidium nach Bonn, da haben die gesagt, so und so, machen wir nicht und Innenstadt geht gar nicht und machen wir nicht, tun wir nicht. Da hat er gesagt: Na ja, gut, dann müssen wir eben doch unseren Freunden von der PKK Bescheid sagen und so. Und so wurde dann damals verhandelt. Und dann kriegten wir den ganzen Platz vor dem Poppelsdorfer Schloss. Und der war zu, der war voll vom Poppelsdorfer Schloss bis zum Bahnhof, standen nur die Postler, war 60.000 Leute. Wir sind in Beuel, sind wir gelandet und kamen wirklich im Halbminutentakt die Busse an aus der ganzen Republik. Und die hatten … innerhalb von zwei Wochen 60.000 Leute da. Also, das war so eine Organisationsleistung! Oder auch, wie wir damals diese Aktion machten, die Bürgerpost, wo wir einmal am Bußtag die gesamte Republik mit einer Zeitung zugestellt haben! Das hat nie wieder jemand gewagt nach uns. Also, das war ehrenamtlich! Wir haben das selbst organisiert. Wir waren vom Fach, wir wussten ja, wie man Briefe verteilt! Aber trotzdem, wir konnten nicht auf die Post-Logistik zurückgreifen. Wir haben unsere eigene Logistik aufgebaut und haben an einem Tag 30 Millionen von diesen Dingern zugestellt in Westdeutschland, 30 Millionen! Das war Postgewerkschaft! So was … Deswegen, es gibt schon einen Grund, warum wir sozusagen an unserem alten Laden hängen, der war einfach nur toll. Der war einfach, das war eine richtig tolle Gewerkschaft.
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Michael Sommer wurde am 17. Januar 1952 in Meerbusch geboren. Nach dem Umzug seiner Familie wuchs er in Westberlin auf und studierte von 1971 bis 1979 Politikwissenschaften an der Freien Universität. Aufgrund seiner Nebentätigkeit im Paketdienst der Bundespost trat er 1971 in die Deutsche Postgewerkschaft (DPG) ein. Nach dem Studium arbeitete er als Dozent am Bildungszentrum der DPG im hessischen Gladenbach. 1981 wurde er Sekretär im Bezirksvorstand der DPG Bremen und trat in die SPD ein. Nach einem dreimonatigen Studienaufenthalt in den USA war er von 1988 bis 1983 Hauptabteilungsleiter beim Hauptvorstand der DPG und wurde 1993 Mitglied des geschäftsführenden Hauptvorstands der DPG. In diese Zeit fiel die Umwandlung des Staatskonzerns Bundespost in einen privatwirtschaftlichen Betrieb.

Nach der Gründung von ver.di wurde Sommer stellvertretender Bundesvorsitzender der neuen Gewerkschaft. Im folgenden Jahr wurde er zum Bundesvorsitzenden des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) gewählt und hatte dieses Amt bis 2014 inne. Sommer kritisierte die Reformpolitik der rot-grünen Bundesregierung und trat für eine Neupositionierung der Gewerkschaften ein. Neben seiner gewerkschaftlichen Tätigkeit gehörte Sommer den Aufsichtsräten der Postnachfolgeunternehmen Deutsche Telekom AG, Postbank AG und T-System international an.

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