Man braucht sie auch nicht immer, glaub ich, aber man braucht schon eine Basis. Und was ich nicht in Ordnung finde an der jetzigen Situation ist eben, dass junge Leute und besonders Frauen eben immer nur befristete Arbeitsverträge bekommen, dass wir zwar wollen, dass alle Frauen möglichst Gebärmaschinen sind und zehn Kinder kriegen, aber gleichzeitig eben ihnen nicht die Chance geben, das auf einer einigermaßen abgesicherten sozialen Basis zu machen. Und ich hab gesagt, ich bin dafür, dass man begrenzte Risiken eingeht, aber eine totale soziale Unsicherheit führt dazu, dass Menschen … dass sich eben ein neues Nomadentum entwickelt. Gucken Sie sich mal die ICEs am Wochenende an, die voll sind von Leuten, die vom Arbeitsort nach Hause und umgedreht fahren. Da wird immer gesagt, die Deutschen seien so wenig mobil – das ist Quatsch, sie sind inzwischen übermobil. Aber man muss sich eben dann schon fragen, wie will man dann erreichen, dass Menschen eine Familie gründen und auch die dafür die notwendige Sicherheit haben, das heißt jetzt nicht, dass die ein Beamtenverhältnis bis 65 unbedingt haben müssten und dass was anderes nicht ginge. Aber man muss schon eine vernünftige Mischung zwischen Flexibilität, die man, glaub ich, durchaus braucht, und Sicherheit haben, damit Menschen eben auch irgendwo sich verankern können und ihr Leben selbst gestalten können und nicht von Praktikum zu Praktikum, oder von Werkvertrag zu Werkvertrag, oder dann eben von Leiharbeitsfirma zu Leiharbeitsfirma unter schlechteren Bedingungen als die Stammbelegschaften. Da sind die Gewerkschaften aber natürlich auch, glaub ich, nicht immer ehrlich genug, weil natürlich der Mensch mit dem Normalarbeitsverhältnis, das ist der klassische Gewerkschafter, der Mann, der bei einem Arbeitgeber von der Lehre bis zur Pensionierung oder Verrentung arbeitet. Und die Angst davor, dass Standards im Normalarbeitsverhältnis ins Rutschen geraten, hat, glaub ich, schon auch dazu geführt, dass man nicht immer mit der gleichen Verve sich um prekäre Arbeitsverhältnisse gekümmert hat, dass man Teilzeitarbeit zeitweise verteufelt hat. Natürlich ist Teilzeitarbeit auch in der Regel eine Sackgasse, wenn es um Karriere geht, wenngleich mit der, ja, positiven gesellschaftlichen Veränderung, dass Männer auch mehr Interesse an Erziehung ihrer Kinder und an Privatleben entwickeln, das irgendwann, wie soll ich mal sagen, wieder stärker in die Balance gehen kann. Aber was eben, denk ich, einfach wichtig ist, ist, dass ein Minimum an Sicherheit eben auch freie Entscheidungen ermöglicht und die Leute nicht zwingt dann eben diese prekären Beschäftigungsverhältnisse einzugehen, bevor sie dann gar nichts haben. Und wie gesagt, ich glaube, es ist eine schwierige Gratwanderung für Gewerkschaften, prekäre Arbeitsverhältnisse zu organisieren, zu tarifieren, aber wenn wir als Gewerkschaften nicht den Schwächsten der Gesellschaft helfen und quasi nur so in der Mittelschicht uns aufhalten, ich glaube, und diese Mittelschicht auch schrumpft, dann haben wir auch irgendwie unsere Aufgabe verfehlt. Und ich glaube, dass das ein Thema ist, was immer noch nicht so richtig ausbalanciert ist. Das ist jetzt mit den Aktivitäten, die gemacht werden, um Leiharbeit möglichst schnell in reguläre Arbeit zu bringen, da ist so ein Punkt. Aber das ist auch wieder mehr der Produktionsbereich und ist mehr der immer noch tariflich ziemlich komfortabel geregelte Bereich, also wer einen IG-Metall-Tarifvertrag hat, ist immer noch die Crème, wenn man so will, der Arbeiter, und grade diese ganzen unterschiedlichen Arbeitsverhältnisse, die Frauen angedient werden, die sie aber zum Teil auch deshalb eingehen, weil eben zum Beispiel die Kinderbetreuung nicht gesichert ist, oder weil, selbst wenn sie halbwegs gesichert ist, immer noch zusätzliche Aufgaben auf Frauen zukommen, diese Grauzone von ganz unterschiedlichen prekären Arbeitsformen, die schreit eigentlich nach einer noch sehr viel stärkeren Regulierung. Und da ist sicher die eine Seite, das was Gewerkschaften tun können, und die andere Seite eben auch, dass man bestimmte Dinge einfach verbietet, nicht, dass man eben die geringfügige Beschäftigung und die 400-Euro-Jobs eben nicht mehr zulässt in der Breite und nicht zulässt, dass ganze Geschäftsmodelle darauf beruhen, dass Menschen ein Arbeitseinkommen haben und dann dieselben Menschen noch Aufstocker bei Hartz IV sein müssen. Das kann nicht so sein, dass ein Geschäftsmodell nur darauf beruht. Ich hab das erlebt bei der Post, wo plötzlich die Wettbewerber eben anfingen Löhne von 3, 6, 7 Euro war schon viel, anzubieten und wo auch eben so ein Modell, wie das dann über die Bildzeitung und PIN lief, nur funktionierte, weil man sicher sein konnte, dass eben der Rest des Einkommens vom Staat über die Aufstockerregelung dazukam. Und es kann ja nicht sein, dass der Staat dann damit letztendlich dieses miese Geschäftsmodell finanziert und legitimiert.