Regine Möbius

Verband deutscher Schriftsteller
Verband deutscher Schriftsteller
Video 2 – 4:39
Arbeitslosigkeiti
Freier Deutscher Gewerkschaftsbund (FDGB)i
Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED)i
Gleichstellungi
Video 3 – 1:15
Arbeitsverhältnisi
ALG I und ALG IIi
Natürlich konnten sich in allen künstlerischen Bereichen, vielleicht noch am wenigsten im Wort, diese Künstler Freiheiten erlauben. Die war nicht grenzenlos. Ich hatte schon immer wieder Kontakt zu besonders Autoren, aber auch zu bildenden Künstlern. Ich habe Mitte der 80er-Jahre eine skriptorale Grafikerin, die an der Hochschule Professorin war, zu der ich einen sehr engen Kontakt über einen langen Zeitraum hatte, die nicht gegenständlich arbeitet und es da sehr schwer hatte. Wir haben intensiv zusammengearbeitet, ich habe sie porträtiert, also literarisch porträtiert, ich habe eine große Lebensausstellung von ihr eröffnet.Und bin natürlich auch sofort vom Hochschuldirektor nach meiner Eröffnungsansprache … Sie hat dort bewusst gesagt, ich möchte nicht jemand von der Hochschule nehmen, der natürlich ausspart, was auszusparen ist, und sein Lob dort ausbreitet, damit die Zeit gefüllt wird, sondern ich weiß, dass Sie da einen anderen Blick drauf haben und auch eine gewiss Courage. Ja, da wurde man natürlich dann sofort … Sie sehen das völlig falsch und so! All die Dinge, die man sich auch in den 80er-Jahren erlauben konnte, waren natürlich in einem engen Rahmen und waren überhaupt nicht mit dem Begriff Freizügigkeit zu untersetzen, sondern es waren Zugeständnisse. Und so ein ganz typisches Beispiel, ich habe ja 84 am Literaturinstitut angefangen zu studieren, war also damals 40. Und uns war gesagt worden … Man bewarb sich ja mit eigenen Texten. Und es war gesagt worden, also, zwei Gutachter wird es geben, und zwar Autoren natürlich, aus gewissen Autorendozenten am Institut, die über die Texte befinden. Und dann wird es noch ein Gremium geben, das dann abschließend … Ja, in meiner Akte fand ich das völlig anders! Also, als Erstes hat der Dozent für wissenschaftlichen Kommunismus, der wirklich bar jeder literarischen Ahnung war, die Texte durchforstet auf politische Glaubwürdigkeit und mir da ein ziemlich mieses Zeugnis ausgestellt. Und dann gingen die Texte nach Berlin ans Ministerium und wurden dort im Kulturministerium noch mal von Leuten, die vielleicht etwas mehr Ahnung hatten von Literatur, und dann erst kamen sie zurück. Und keiner von den Dozenten hat sie gesehen, sondern der Institutsdirektor hat dann noch mal so einen hoffnungsvollen Satz daruntergesetzt wie, es könnte ja sein, dass sich dadurch auch noch neue ideologische Konsequenzen entwickeln, und wir werden es doch noch erst mal versuchen und so weiter.
Es war ja so, dass der Schriftstellerverband in der DDR aufgelöst worden war und man per Einzeleintritt in den westlichen VS eintreten konnte. Das habe ich dann gemacht, weil ich mich natürlich auch interessierte, es waren neue Strukturen, es waren neue Leute. Und dann kam eine – Werner Heiduczek war es, der inzwischen 88 ist –, damals auf mich zu und sagte: Wir haben doch dieses Porträtgespräch zusammen gemacht und Sie sind ja jemand, der völlig unbelastet ist. Und hätten Sie nicht Lust, den Bezirksverband zu übernehmen und die Vorsitzende zu werden? Und da habe ich gedacht … Ich hatte keine Ahnung, welche Strukturen, ich hatte von den alten Strukturen keine Ahnung, weil ich nicht dabei war, und von den neuen, weil sie eben praktisch noch gar nicht griffen. Ja, habe ich gesagt, gut, wenn ich Hilfe kriege, auch Hilfe aus dem westlichen VS, mache ich das. Und habe das gemacht und habe da auch wirklich viel Hilfe erfahren. Und das war natürlich für mich auch gleichzeitig der Eintritt in die Gewerkschaft. Wir waren in der DDR ja alle zwangsverpflichtet, im FDGB zu sein, und ich hatte ein ausgeschlossen negatives Verhältnis zur Gewerkschaft, sie war für mich der verlängerte Arm der Partei. Irgendwelchen Nutzen hatte ich nicht von der Gewerkschaft, Ferienplätze hatten wir nicht, meine Eltern waren wohl immer mal, da war ich mit, aber wir sind campen gefahren immer, wir sind auch heute noch Camper. Und … Sodass ich dachte, na ja, wenn der Schriftstellerverband in der Gewerkschaft ist, du guckst dir einfach die Gewerkschaft mal an! Und habe dann 94, weil ich gesehen habe, dass die Strukturen eben völlig andere sind und um etwas zu erreichen man sich auch in größeren Feldern vernetzen muss, habe dann mithilfe meiner bayerischen Kollegen, die da wirklich auch, denke ich mir, alle dummen Fragen wirklich rührend höflich beantwortet haben, haben wir dann 94 zum Tag des Buches am 10. Mai den Landesverband Sachsen gegründet, dem ich dann also auch vorgestanden habe. Und es war von Anfang an eine unkomplizierte und auch gute Zusammenarbeit. Ich bin dann zu so was eingeladen worden auch in dieser Zeit wie Schriftstellerinnenkongresse in Nordrhein-Westfalen oder so, wo sich alle Frauen trafen und furchtbar beklagten, wie schwer sie es als Autorinnen hätten. Und dann habe ich gedacht, was Gutes hat der Osten auch gehabt, wir Frauen sind einfach so ein Stück mit mehr Selbstverständnis ausgerüstet worden, ohne dass wir es wirklich gemerkt haben. Die Schwierigkeiten … Wir hatten ganz andere Schwierigkeiten, aber die Schwierigkeiten, die da beklagt wurden wie eben Kindergartenplätze oder so etwas, die gab es bei uns nicht. Ich habe aufgepasst, dass meine Kinder einen christlichen Kindergarten kriegen, dass sie nicht gleich die Sozialismuskeule übergezogen kriegten, obwohl sie noch gar nicht lesen und schreiben konnten. Aber im Prinzip waren ja Frauen … Sie sind durchaus nicht in die Führungspositionen katapultiert worden, das hat der Staat zwar immer behauptet, aber sie wurden natürlich – und das ist vielleicht boshaft von mir zu behaupten –, sie wurden auch deshalb voll in die Produktion und in alle Ämter mit integriert, weil man sie natürlich auch alle unter Kontrolle mit haben wollte. Also, für mich ist das immer ein Aspekt gewesen. Und dann gab es eben keine Arbeitslosigkeit. Auch wenn die Leute nichts zu tun hatten, hatten sie eine Stelle. Das war nicht generell so, aber es gab natürlich … Ich kann mich entsinnen, dass jemand mal, als wir unser Auto in die Reparaturwerkstatt brachten, sagte: Das Einzige, was uns hier fehlt, ist wirklich ein Sofa, dass man in den Zeiten, wo man keine Ersatzteile hat, auch mal ein Schläfchen machen kann!
Der Durchschnittsverdienst eines Autors in Deutschland liegt zurzeit bei 11.000 Euro im Jahr, da hat man eine Vorstellung, wie das mit der Erwerbsarbeit ist, muss man so sehr viel nicht dazu sagen, und wenn man sich dann vorstellt, dass es, wenn auch nur einige wenige, aber doch eben zwei, drei Hände voll Leute gibt, Autoren gibt und Autorinnen, die deutlich drüber liegen, ist einem auch klar, dass es schon eine größere Zahl Schriftstellerinnen und Schriftsteller gibt, die deutlich drunter liegen. Und ich weiß ja auch aus meiner Arbeit im Verband, dass nicht wenige der Autoren auch Hartz-IV-Empfänger sind, manche haben einen Halbtagsjob. Das ist schon etwas, was mich auch extrem motiviert, die Verbandsarbeit vorrangig als eine kulturpolitische Arbeit zu sehen, um einfach Mindeststandards zu verbessern und andere wenigstens zu halten.
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Regine Möbius wurde am 23. Juni 1943 in Chemnitz geboren. Im Alter von sechs Jahren zog sie mit ihrer Familie nach Leipzig. Nach der Ausbildung zur Laborantin an der Akademie für Wissenschaften in Leipzig studierte sie von 1963 bis 1967 Chemische Verfahrenstechnik an der Ingenieurschule Köthen und arbeitete anschließend an der Universität Leipzig.

Nach ersten literarischen Versuchen studierte Möbius von 1984 bis 1987 am Institut für Literatur „Johannes R. Becher“. In dieser Zeit engagierte sie sich zudem als Kirchvorsteherin einer evangelischen Gemeinde in Leipzig, organisierte literarische Veranstaltungen und war als freischaffende Schriftstellerin tätig. Nach der Einigung Deutschlands arbeitete sie als Korrespondentin des Börsenblatts für den Deutschen Buchhandel und als Honorardozentin.

In den Verband Deutscher Schriftsteller trat Möbius Anfang der 1990er Jahre. 1993 wurde sie Bezirksvorsitzende in Leipzig, 1994 Landesvorsitzende von Sachsen. Seit 1997 ist Möbius stellvertretende Bundesvorsitzende. Von 1997 bis 2000 war sie zudem Mitglied des Hauptvorstands der IG Medien, anschließend Mitglied im ver.di-Bundesfachbereichsvorstand für Medien, Kunst und Industrie. Seit 2007 ist sie Kunst- und Kulturbeauftragte bei ver.di auf Bundesebene und seit 2011 Vizepräsidentin des deutschen Kulturrates. Regine Möbius ist bis heute als Schriftstellerin tätig.

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