Reinhard Büttner

Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr
Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr
Audio 1 – 0:59
Betriebsgewerkschaftsleitungi
Betriebsvereinbarungi
Betriebsverfassungsgesetzi
Betriebsrati
Mitbestimmungi
Audio 2 – 2:13
Betriebsgewerkschaftsleitungi
Freier Deutscher Gewerkschaftsbund (FDGB)i
Gewerkschaft der Mitarbeiter der Staatsorgane und der Kommunalwirtschafti
Audio 3 – 1:57
Freier Deutscher Gewerkschaftsbund (FDGB)i
Rahmenkollektivvertragi
Sozialplani
Audio 4 – 2:24
Neues Forumi
Betriebsrati
Es gab auf den Beratertreffen immer wieder Auseinandersetzungen, wie das konkret ablaufen sollte. Die Mehrheit hat sich durchgesetzt. Die Betriebsratsbewegung sollte unterstützt werden, wobei unklar war, auf welcher Grundlage wir überhaupt Betriebsräte wollten. Es gab das Arbeitsgesetzbuch der DDR ja noch, also Betriebsgewerkschaftsleitungen und Vertrauensleute in den Betrieben. Betriebsräte waren in den Betrieben etwas ganz Neues, mit allen Problemen. Die Hoffnung war einfach da, mehr erreichen zu können, mehr Mitbestimmung haben zu wollen, frei gewählte Betriebsräte zu haben, ohne daß die ganzen Regularien zu beachten waren. Es war auf den Beratertreffen immer unklar, wie man konkret damit umgehen könnte, ob man einen eigenen Entwurf machen sollte. Wir haben zum Teil Betriebsvereinbarungen gemacht und haben in großen Teilen das Betriebsverfassungsgesetz als Grundlage für die Arbeit der Betriebsräte hergenommen.
Wenn ich gewollt hätte, hätte ich den ganzen Tag mit den FDGB-Funktionären verbringen können. Weil sie ständig von mir partizipieren wollten, mit allen Problemen, die da so dranhingen. Ich habe sehr schnell versucht, mich zu entziehen. Ich bin vierzehn Tage später aus dem FDGB-Haus ausgezogen, weil ich Kontakte zu einem anderen Kollegen aufgenommen habe, den ich in Berlin kennengelernt hatte. Das war der BGL-Vorsitzende der Stadtwirtschaft, vergleichbar mit der Müllabfuhr, Straßenreinigung bei uns, und dieser Kollege bot mir an, ein Büro in der Stadtwirtschaft zu beziehen. Zwar auf der Ebene des stellvertetenden Betriebsdirektors und mit Blick auf den Schlachthof. Das war sehr amüsant, weil der Viehauftrieb dort fast jeden Tag stattfand. Aber letztlich hatte ich die Möglichkeit, in einem organisationspolitisch sehr wichtigen Betrieb direkt tätig zu werden und wurde nicht mehr so kontrolliert. Ich hatte eine offene Unterstützung und konnte in dem Betrieb ein- und ausgehen, wie ich das wollte. Ich konnte mich wesentlich freier bewegen und es wurde nicht mehr so kontrolliert, was bei mir ablief. Alle ankommenden Telefonate liefen ja im FDGB-Haus über die Zentrale und ich war nie sicher, was die tatsächlich für Auskünfte gegeben haben, weil ich oft von Kollegen und Kolleginnen gehört hatte, daß sie in der FDGB-Zentrale mit der Auskunft „Der ist ja nie da“ zurück verwiesen wurden oder Gespräche, die an mich gerichtet waren, dann bei der MSK (Mitarbeiter der Staatsorgane) landeten oder an andere Gewerkschaften weitergeleitet wurden. Diese wussten oft, was ich wo mache. Zum Teil kamen sie mit Zetteln zu mir: „Hier habe ich zwei oder drei Termine für Dich.“ Sie haben sehr stark kontrolliert, was ich wo mache. Sie haben an mehreren Stellen gesagt: „Du kommst in gewisse Dienststellen nicht rein, lass uns die Kontakte vermitteln.“ Während ich sehr früh versucht habe, nur die Termine aufgrund von Anrufen und persönlichen Kontakten oder Versammlungen, die ich besucht habe, wahrzunehmen. Mit dem hauptamtlichen Apparat habe ich sehr wenig und nur da, wo es notwendig war, zusammengearbeitet.
Je mehr wir an Einfluss gewannen. Sie stellten selber fest, daß wir in den Betrieben von den Belegschaften aufgenommen wurden als diejenigen, die alles wussten, angefangen von der Autoversicherung über Auslegungen von Rahmenkollektivverträgen, über Sozialpläne, Umstrukturierung, westliche Partnerschaften und Ähnliches mehr. Eigentlich waren wir immer die kompetenten Ansprechpartner. Es lief so, daß die FDGB-Vertreter, also ihre Einzelgewerkschaftsvertreter, in heiklen Fragen zu mir kamen. Sie gingen mit auf die Versammlung, sodaß es meistens so aussah, daß sie die Veranstaltung eröffneten und begrüßten, und danach machte ich die nächsten zwei, drei Stunden alles alleine. Sie spielten eine Statistenrolle. Sie haben immer wieder versucht, eigenständige Positionen zu vertreten, weil sie in der Phase, etwa April/ Mai, fast wöchentlich nach Berlin gefahren sind, um sich neue Anleitungen zu holen, wie sie mit Problemen umzugehen haben. Das führte dazu, daß sie immer wieder irritiert waren. Sie haben meine Position mitgenommen, kamen von Berlin wieder und sagten: „Ja, so ist das ja nicht, wir müssen das alles nochmal revidieren.“ Aber eine strategische Linie habe ich nicht gesehen, außer daß sie natürlich um ihre Gewerkschaften gekämpft haben, daß sie gemeint haben, sie könnten sich selber reformieren. Immer wieder an den verschiedensten Punkten, wo sie zum Teil selbst fast nicht daran geglaubt haben, daß die jeweiligen Bezirksverantwortlichen, zum Teil eingesetzt, zum Teil basisdemokratisch gewählt, immer wieder versucht haben zu sagen: „Wir haben uns doch reformiert. Wir lösen uns doch vom FDGB, Teile des FDGB sind schon weg. Wir sind rechtlich eigenständig, wir sind die Gewerkschaft, die sich selber erneuert, mit neuen Gewerkschaftsdelegierten und mit allem, was dazu gehört.“ Sie haben versucht, ein Stück weit den Einfluss der ÖTV wieder zurückzudrängen.
Also wir hatten festgestellt, daß die Kollegen und Kolleginnen in der DDR oder dann im Ostteil der Bundesrepublik Probleme haben, diesen Aufbau selber zu bewerkstelligen. Das war die Erfahrung der Beratersekretäre. Wir brauchten eine massive Westunterstützung, aber parallel dazu möglichst schnell Kollegen und Kolleginnen, die das demokratische Vertrauen haben, oder die herangebildet werden müssen, um diese Aufgaben als Gewerkschaftssekretäre oder auch als Geschäftsführer wahrnehmen zu können. Es ist den kommissarischen Geschäftsstellenleitern gesagt worden: Zieht Euch Leute heran aus dem Osten. Ob das nun aus dem „Neuen Forum“ ist oder ob das neu gewählte Betriebsräte sind und Ähnliches mehr. Die sollten zu Gewerkschaftssekretären ausgebildet werden. Das war regelmäßig Gegenstand der Beratungen, mit unterschiedlichem Erfolg. Ich habe selber, nachdem das Gewerkschaftsmagazin Gewerkschaftssekretäre für die fünf neuen Bundesländer ausgeschrieben hat, bestimmt an über hundert Personalgesprächen teilgenommen, wo sich natürlich sehr stark Ostleute beworben haben. Aber ich glaube, fast 90% kamen aus den alten Gewerkschaften. In diesen Personalgesprächen haben wir eine Grundsatzlinie gehabt, daß wir diese Funktionäre nicht als neue Funktionäre haben wollen. Aufgrund der Einschätzung, wie eng der Staatsapparat, der politische Apparat, die ja stark identisch sind, und die Gewerkschaften Hand in Hand gearbeitet haben, und die auch nicht das Vertrauen der Kollegen haben, haben wir eine gewisse Vorauswahl getroffen, wer dafür überhaupt infrage kam, auch festgelegt, wer dafür nicht infrage kam, um wirklich neue Kräfte in der ÖTV zu haben. Wir haben in den Gesprächen wieder festgestellt, daß viele von den Alt-Funktionären nicht die Zeichen der Zeit erkannt haben, sich auch nicht die demokratische Entwicklung, Aufbau und Funktion von Gewerkschaften unter den neuen Vorzeichen vorstellen konnten. Ich war manches Mal auch erschrocken, wie viele geglaubt haben, alte Strukturen in die ÖTV retten zu können. Deshalb haben wir erst nach und nach relativ und wenig Leute aus dem Ostteil bekommen, die sich dieser Aufgabe stellten und es ist auch nach wie vor eine Aufgabe, hier noch mehr zu tun, als wir in der Vergangenheit geschafft haben.
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Reinhard Büttner, geboren 1952, absolvierte eine Lehre zum Kaufmann. 1969 trat er in die Gewerkschaft HBV ein. Fortan engagierte er sich in der Jugendvertretung und besuchte Schulungen und Seminare für Funktionäre. 1972 wurde er in den Betriebsrat seines damaligen Betriebes gewählt.

Nach seiner Bundeswehrzeit begann Büttner 1974 eine hauptamtliche Tätigkeit beim DGB-Landesbezirk NRW als Organisationssekretär in Bielefeld, Minden und Siegen. 1979 wechselte er zur Gewerkschaft ÖTV und arbeitete bei der Kreisverwaltung München. Von 1984 bis 1990 war Büttner Geschäftsführer der Verwaltungsstelle in Regensburg.

Im Februar 1990 ging Büttner als Beratungssekretär der ÖTV nach Gera. Im Sommer 1990 wechselte er zum zentralen ÖTV-Organisationsbüro nach Berlin, wo er zuständig für den Aufbau der ÖTV im Osten war. Von 1991 bis 1994 übernahm Büttner den Vorsitz des Landesbezirks Thüringen, danach war er bis 1998 Geschäftsführer der ÖTV in München. Von 1999 bis 2013 war Büttner als Geschäftsführer für Personal und Soziales und als Arbeitsdirektor bei den Stadtwerken München beschäftigt.

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