Roland Issen

Deutsche Angestellten-Gewerkschaft
Deutsche Angestellten-Gewerkschaft
Video 1 – 2:45
Nationalsozialismusi
Bildungi
Video 2 – 2:59
HWP Hamburgi
Duales Ausbildungssystemi
Bildungi
Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB)i
Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)i
Video 3 – 5:32
Bildungsurlaubi
Industrie-/Berufsgewerkschafti
Bundesagentur für Arbeiti
Internationale Gewerkschaftsorganisationeni
Humanisierung der Arbeiti
Bündnis für Arbeiti
Arbeitgeberi
Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB)i
Ich hatte kein Fahrrad. Meine Mutter konnte sich das nicht leisten. Sie hat, glaub ich, drei, vier Jahre kämpfen müssen, damit sie und wir als politisch Verfolgte anerkannt wurden. Das waren relativ komplizierte Prüfungsverfahren, man musste Zeugen beibringen und so weiter und so fort. Also zu der Zeit haben wir sehr spartanisch leben müssen, und es war von der Gruppe geplant, von dieser Jungschargruppe, in der ich mitgewirkt habe, eine Radtour über 'n paar Tage. Und irgendjemand hatte mir versprochen, mir ein Fahrrad zu leihen für diese Tour und das wurde nichts. Das Fahrrad wurde nicht angeliefert und für mich brach fast eine Welt zusammen. Und dann hab ich mir gesagt, ich will mir selber ein Fahrrad anschaffen. Und dann bin ich im Herbst zu den Bauern, nicht nur ich, sondern das haben viele der Schüler gemacht, zum Kartoffellesen gefahren. Da gab’s 2 Mark 50 für den Nachmittag und ein bisschen später, wenn die Zeit des Runkelrübenziehens gekommen war, habe ich dann auch Runkelrüben gezogen. Dafür gab’s dann 3 DM pro Nachmittag, und so hab ich mir dann mein erstes Fahrrad für 90 DM zusammengespart und gekauft, und ein Jahr später hab ich gedacht, es wär doch ganz schön, eine Drei-Gang-Schaltung noch da zu haben, die kostete, glaub ich, 25 oder 30 Mark. Die hab ich mir dann auch bei den Bauern verdient. Und dieses Fahrrad habe ich dann, glaub ich, wie meinen Augapfel gehütet. Während der Zeit meiner ... meines Besuchs da des Aufbaugymnasiums habe ich am Sommer mir immer das Geld für die Monatskarte gespart und bin mit dem Fahrrad zur Schule gefahren. Das waren 15 Kilometer hin und 15 Kilometer zurück. Wenn das Wetter schön war, war das ganz angenehm, aber da ich nun keine Monatskarte mehr hatte, bedeutete das auch, bei schlechtem Wetter sich aufs Fahrrad setzen zu müssen und manchmal auch gegen den Wind anstrampeln zu müssen, aber es waren 7 Mark 80, die ich da an Fahrgeld für die Monatskarte gespart habe und das war dann verfügbares Taschengeld. Ein... ein richtig eigenes Taschengeld habe ich gar nicht bekommen, bei Geburtstagen oder besonderen Anlässen gab’s mal zwei oder drei Mark und das war’s dann auch. Ja, insofern … nachher hat sich dann die Situation der Familie schon gebessert, weil dann die Anerkennung kam und meine Mutter wurde so behandelt wie die Witwe eines Oberregierungsrats, war vergleichbare Einstufung dann ...
Ich stand vor der Frage, machst du jetzt ein reguläres Hochschulstudium, wahrscheinlich über acht oder zehn oder möglicherweise noch mehr Semester je nach Studienzweig, und hatte dann Kenntnis von der HWP bekommen, der Hochschule für Wirtschaft und Politik hier in Hamburg, wenn man so will eine Hochschule des zweiten Bildungswegs, Voraussetzung war eigentlich, dass man eine abgeschlossene Berufsausbildung hatte, bevor man dort mit dem Studium beginnen konnte. Mir wurde dann anerkannt die Zeit bei der Bundeswehr – vier Jahre und ich bekam dann die Zulassung zur Aufnahmeprüfung, die ich bestanden habe, das war kein großes Problem, und begann dann mein Studium mit den beiden Schwerpunktfächern Volkswirtschaft und Soziologie. In diesem Studiengang mit mir gemeinsam war Björn Engholm, später SPD-Vorsitzender, Jürgen Steinert, späterer Senator hier in Hamburg, ein Kollege Siegfried, ich komm jetzt nicht auf seinen Nachnamen, der war nachher im Vorstand IG Metall und nachher auch im DGB und andere, die „Karriere“ gemacht haben in Anführungsstrichen. Ja, und ich war in der Zeit Mitglied in der gewerkschaftlichen Hochschulgruppe, die gab’s da bei der HWP, und es war die Phase, wo sich der Sozialistische Hochschulbund praktisch spaltete in das Entstehen des SHB, des Sozialdemokratischen Hochschulbundes, und ich war dann Vorsitzender des SHB an der HWP hier in Hamburg. Es ist nur eine kleine Episode, es muss in der Zeit gewesen sein, als Willy Brandt zu Chruschtschow nach Ost-Berlin rüberfahren wollte, um so ein bisschen den Versuch zu machen, das angespannte Verhältnis aufzulockern, zu verbessern. Es war aber nicht die offizielle Linie offensichtlich der Parteiführung, und ich hatte dann eine kleine Demonstration vor dem Altonaer Bahnhof organisiert, indem wir Willy Brandt den Rücken stärken wollten, und zwar nach Ost-Berlin zu fahren. Daraufhin wurden wir zur Parteileitung hier in Hamburg zitiert und es wurde uns der Ausschluss aus der SPD angedroht. Nun war der damalige SPD-Vorsitzende ein alter erfahrener, ich würd auch sagen, weiser Mann und der hat dann mit dazu beigetragen, dass das so ein bisschen unter die Kategorie fiel jugendlicher Leichtsinn, Unerfahrenheit und so weiter im politischen Geschäft. Wir blieben also in der SPD. Einer derjenigen, die uns damals mit rauswerfen wollten, war Werner Noll, nee, Werner Noll war der Geschäftsführer, der spätere Vizepräsident des Bundesnach… oder Verfassungsschutzes kam aus Hamburg, ich hab den Namen vergessen, jedenfalls wir blieben also in der SPD.
Die originäre Aufgabe ist natürlich der Gewerkschaften, für angemessene Entlohnung der Beschäftigten zu sorgen mittels des Instrumentes der Tarifpolitik. Zweitens, über den Lohn und das Gehalt hinaus gilt es, auch im Rahmen tarifpolitischer Möglichkeiten auf die Arbeitsbedingungen derjenigen, die in den Betrieben und Verwaltungen tätig sind, Einfluss zu nehmen, Stichwort Humanisierung der Arbeitswelt, also hier dafür zu sorgen, dass die Arbeitsbedingungen humanen Gesichtspunkten und Forderungen hinreichend entsprechen. Dritter Punkt war, darauf zu achten, dass der Faktor Arbeit auf den Arbeitsmärkten möglichst nicht in eine Entwicklung hineingerät, wo es ein deutliches Überangebot gegenüber nachgefragter Arbeit gibt. Da greift dann das Instrument der Arbeitszeitverkürzung, des Bildungsurlaubs, um nur mal so zwei Beispiele zu nennen, hinein. Eine vierte Aufgabe für die DAG, vielleicht nicht in dieser Ausprägung für die einzelnen Industriegewerkschaften, sehr wohl aber für den DGB, war im Rahmen der Spitzenverbandsfunktion auf politische Entscheidungen Einfluss auszuüben. Das heißt also, auf die Gesetzgebung im Rahmen der Selbstverwaltungseinrichtungen, in der Sozialversicherung den Anspruch der Beschäftigten zur Geltung zu bringen, an dieser Selbstverwaltung dann auch ihren angemessenen Anteil zu haben. Im Bereich der Ersatzkrankenkassen ist uns das ja zu 100 Prozent gelungen, da gab’s nur Arbeitnehmervertreter in den Gremien. In der Rentenversicherung gab’s praktisch die Parität zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmervertretern. In der Bundesanstalt für Arbeit gab’s die Drittelparität zwischen öffentlichem Interesse, Arbeitgeberseite und Arbeitnehmerseite, Gewerkschaften. In den Berufsgenossenschaften wieder eher die Parität. Also unser Feld ist auf der einen Seite direkt ausgerichtet auf die Arbeitsbedingungen und was damit zusammenhängt und auf der andern Seite, jedenfalls für die Spitzenorganisationen im Besonderen, für die Einzelgewerkschaften des DGBs bei sehr speziellen Dingen sicherlich dann auch dort, beispielsweise im Rahmen der Berufsausbildung, das ist ja auch immer ein Feld gewesen, auf dem die Gewerkschaften bei der Entwicklung neuer Berufsbilder aktiv mitgearbeitet haben. Das Feld ist relativ groß und dann natürlich auch im Rahmen der internationalen Gewerkschaftsarbeit sich darum zu kümmern, dass wir ein Mindestmaß an abgestimmtem Verhalten der Gewerkschaften erreichen über die internationalen Gewerkschaftsorganisationen und uns nicht wechselseitig auch noch Konkurrenz machen, auch so was hat es ja gegeben. Eine meiner ersten Erfahrungen, ich hab 'ne Zeit lang zugearbeitet in meiner Funktion in der Wirtschaftspolitik für meine Chefin damals, Gerda Hesse, stellvertretende Vorsitzende, die Mitglied des Wirtschafts- und Sozialausschusses in Brüssel war, und ich hab dann an den Vorbereitungssitzungen dieses Gremiums dann häufig mitgewirkt und war dann immer überrascht, dass man da viel häufiger, als man das auf der deutschen Seite registrieren konnte, ein abgestimmten Verhalten zwischen Gewerkschaftsvertretern, Regierungsvertretern und Arbeitgebervertretern auf der Brüsseler Ebene plötzlich registrierte, und wir haben uns häufig dann auch unsere wechselseitigen Konkurrenzkämpfe zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften geleistet. Das war übrigens ein Grund, warum ich dem Kohl klargemacht habe, dass es sinnvoll wäre, grade mit Blickrichtung Brüssel, doch den Versuch zu unternehmen, Gewerkschaften, Wirtschaft und Regierung in informellen Gesprächen an einen gemeinsamen Tisch zu bekommen, um zu sehen, ob wir – grade was unsere Interessen, die nationalen Interessen in Brüssel anbelangt – nicht etwas stärker mal auch koordiniert dort auftreten, und das war dann der Beginn der Kanzlergesprächsrunden bei Kohl, an der dann damals Hans Georg Meier für den DGB, Zwickel für IG Metall, Herbert Mai für die ÖTV, ganz am Anfang noch Wulf-Mathies, und ich für die DAG teilgenommen haben. Und das war ein interessanter Meinungs- und Erfahrungsaustausch, der sich häufig so von acht Uhr abends bis weit nach Mitternacht dann hinzog. Und dann hab ich dem Kohl in der nächsten Wahlperiode vorgeschlagen gehabt, dass er das auf eine etwas formalere Ebene setzt, Stichwort Bündnis für Arbeit, und da hat er erst 'n bisschen gezögert, aber dann hat er es doch gemacht.
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Roland Issen wurde am 7. Januar 1938 in Münster geboren und wuchs im zehn Kilometer entfernten Telgte auf. Nach der mittleren Reife schloss er eine Ausbildung an der Handelsschule an und wurde danach als Angestellter in einer Baustoffhandlung tätig. Zwischen 1956 und 1960 diente Issen als Zeitsoldat bei der Luftwaffe. Bis 1962 holte er in Abendkursen sein Abitur nach, studierte dann als Stipendiat der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft (DAG), deren Mitglied er bereits 1956 geworden war, an der gewerkschaftsnahen Hochschule für Wirtschaft und Politik in Hamburg (HWP) Volkswirtschaft und Soziologie und erwarb 1964 sein Diplom.

Da sich Issen wegen seines Stipendiums bei der DAG verpflichtet hatte, nach seinem Studienabschluss für die Gewerkschaft zu arbeiten, begann er dort im November 1964 als hauptamtlicher Mitarbeiter. Zunächst an der zentralen DAG-Jugendausbildungsstätte in Naumburg bei Kassel tätig, wechselte er 1966 als Referent für Bildungs- und Berufspolitik zum Bundesvorstand nach Hamburg, wo er bereits 1967 Abteilungsleiter des Ressorts Wirtschaftspolitik wurde. Zwischen 1969 und 1975 leitete er zudem den Gesamtbetriebsrat der DAG.

Im Oktober 1978 wurde Issen Mitglied des DAG-Bundesvorstandes und übernahm das Ressort Tarif- und Betriebspolitik Industrie. Im selben Jahr zog er zudem für die SPD in die Hamburger Bürgerschaft ein, der er bis 1991 angehörte.

1983 wurde Issen in einer Kampfabstimmung zum stellvertretenden Bundesvorsitzenden der DAG gewählt, 1987 dann zum Vorsitzenden.  Mit seiner Wahl leitete Issen die Annäherung der DAG an den DGB ein. Mitte der 1990er Jahre vereinbarte die DAG bilaterale Kooperationsabkommen mit verschiedenen Einzelgewerkschaften; 2001 fusionierte unter dem Vorsitz Issens die DAG dann mit vier DGB-Gewerkschaften zur Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di). Roland Issen trat aus Altersgründen nicht mehr zur Wahl an.

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