Ulrich Thöne

Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft
Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft
Video 1 – 5:00
Internationale Gewerkschaftsorganisationeni
Bildungi
Video 3 – 4:09
Christlich Demokratische Union Deutschlands (CDU)i
Meine Position gewerkschaftlich, zusammengefasst, die hat sich, differenzierter kann ich das heute ausdrücken, also insoweit war es, aber ist im Grunde genommen dieselbe. Ich gehe davon aus, dass wir eine Gesellschaft brauchen, die nach anderen Prinzipien funktioniert. Ich teile Jean Jaurès‘ Aussage, dass Demokratie Sozialismus verlangt. Das heißt noch längst nicht, wie ich irrtümlich annahm, dass gleich alles verstaatlicht werden muss. Es gibt andere Formen, es gibt andere Wege, es gibt andere Möglichkeiten, überhaupt keine Frage. Aber die Entscheidung über die wirtschaftlichen Mittel müssen demokratische Prinzipien verfolgen, müssen nach demokratischen Prinzipien erfolgen, sodass gewissermaßen der Einsatz der Mittel auch adäquat der Probleme gestellt werden kann. Und alles, was auf dem Weg passiert, ist von Bedeutung. Und die Messlatte ist für mich, ob die Arbeitnehmer im Prinzip bei diesem oder jenem Kompromiss dazugewinnen, die Seite, oder verlieren. Seit 30 Jahren kriegen wir einen auf die Mütze, und zwar richtig reichlich. Deswegen wird es auf unserer Seite nötig sein, dass wir uns anders als Macht zusammenschließen müssen. So. Und wir müssen das thematisieren. Die Hoffnung darauf – das ist jetzt der zweite Teil – die Hoffnung darauf, dass wir das anders regulieren könnten, indem einzelne vorpreschen oder indem bestimmte Fragen ausgeklammert werden oder man auf noch andere Kompromissmöglichkeiten, die halte ich für illusorisch. Deswegen ist für mich ein klares Aussprechen gewesen, was die Frage der Bildungsfinanzierung angeht: Wenn der Staat nicht mehr Geld einnimmt, dann geht das mit der Bildung den Bach herunter, a la longue gesehen. Das ist für mich ein Credo, das ist meine Position. Ich habe dementsprechend versucht, dagegen zu organisieren, dass wir AGen aufbauen und all so was, die Diskussion forcieren. Und andere sehen das anders und sagen, dass also, wenn ich es jetzt mal positiv ausdrücken würde, für sie und ein bisschen schwieriger für mich, dann würde ich sagen, auf dem Spielfeld kann man nur verlieren, wir müssen woanders angreifen, damit wir da wieder stärker werden. Gut. Kann ich aber sagen, trotzdem ist es falsch, weil der Fokus darf da nicht verloren gehen. Und was für mich noch eine Position ist, ist das, was wir anfangs hatten, die Frage mit guter Arbeit. Und für mich ist vollkommen klar, dass wir als Gewerkschafter, dass wir unmöglich agieren können, wenn wir nicht sagen, alle. Und wenn wir alle sagen, müssen wir alle meinen. Und das kann nicht am Personalausweis oder am Pass ein Ende haben, weil letztlich alles auf alles wirkt, es ist nicht eine reine moralische Position, wiewohl das auch eine Bedeutung für sich hat, aber die Grundlagenposition, dass man nur gemeinsam stärker wird, wenn man auch gemeinsam handelt. Und das kann nur heißen, so ein Grundrecht wie gute Arbeit gehört sich für alle, und das werden wir zum Ziel setzen müssen, so schwierig und illusorisch das jetzt auch erscheint. Und das heißt für uns, dass ich in der GEW angefangen habe, das ist, glaube ich, einer der Punkte, der am sichtbarsten ist, in der GEW angefangen habe, dass die GEW sich beteiligt am Kampf für gute Arbeit in Form des Kampfes gegen die Kinderarbeit. Wir haben eine eigene Stiftung gehabt, wir unterstützen Projekte und all so was, dass das Thema Kinderarbeit ein zentrales, also ein wichtiges Thema in der GEW ist, ist dieser Tatsache geschuldet, des Gedankens, dass wir ein Teil, uns bewusst werden, ein Teil der internationalen Bewegung zu sein als Gewerkschaftsbewegung, die für gute Arbeitsbedingungen für alle kämpft und nicht nur im Auge hat, das, was als Tagesinteresse des einzelnen Mitglieds gerade entscheidend ist, sondern diese Veränderung in den gesellschaftlichen Strukturen zur Folge hat. Und das ist, das wiederum zu sehen, nicht eine kurzfristige Lösung nur anzustreben, das ist schon eine Besonderheit meiner Position. Die ist unbequem, weil sie häufig genug illusorisch dasteht und als etwas, was zu breit ist für die Tür, was da nicht durch passt. Und deswegen möchte man es am besten liegen lassen und mit einem kleineren Teil durchgehen. Aber nun, so ist es. Ich denke, dass man Wege finden muss, die Tür entweder zu verbreitern oder das Ding so zu bewegen, dass es da durch passt, weil anders geht es nicht.
Bei der GEW würde ich sagen, du hast verschiedenes Gefühl von Heimat nach den Landesverbänden sortiert. Und die GEW Berlin ist was anderes als die GEW. Die GEW Bayern was anders als die GEW. Und so weiter und so weiter. Und du hast diese regionalen Aspekte, das wird auch unterstrichen durch die Frage des Föderalismus im Grundgesetz, sind auch jeweils zuständig für die Fragen. Und diese Heimatstelle kommt ja in der Sache heraus. Und was dann besonders stark, würde ich jetzt mal für Bayern sagen, kommt, ist, sie sind bei der GEW, weil sie eine Gewerkschaft ist. Was in anderen Bundesländern vielleicht nicht so stark wäre. Aber ist klar, die Beamtenbundsorganisation ist nicht groß. Und sie müssen sich aus der Minderheit auch klarer abgrenzen an der Stelle. Und … Also, für mich ist keineswegs endgültig entschieden, bei allem Wunschtraum, die ich für die einheitliche Gewerkschaftsorganisation habe, endgültig unterschieden, was im Augenblick der nächste Schritt wäre, den Menschen dieses Heimatgefühl zu belassen, aber dann auch einheitlich handeln zu können. Das ist eine schwierige Tagesaufgabe. Und so kann man es vielleicht am ehesten zusammenfassen. Da ist man mal mehr und mal weniger gut vorbereitet. Und das muss man hinkriegen.
Ich komme von einem kleinen Dorf in Ostwestfalen, das ist der Wahlbezirk von Rainer Barzel gewesen und es gab einen Scherz, wenn man einen Besenstiel hinschreibt und ein CDU-Schild dranmacht, wird der Besenstiel gewählt, egal wer sonst als Konkurrent da aufläuft und da ist was dran. In dem Dorf waren konservative Wertvorstellungen, aber auch überhaupt konservatives Denken vorherrschend, in der damaligen Zeit sowieso, Ende der 60er-Jahre und das, was an Jugendaufbruch kam, schwappte nur sehr unwesentlich zu uns runter, aber es hat doch eine große Rolle gespielt. Das wird heute immer kleingeredet unter den Alt-68ern, da wird immer irgendwelche Orgien mit verbunden und dass man sich doch davon bitte schön, damit nichts zu tun haben will oder sonst wie. Nein, nein, man muss sehen, dass damit eine überkommene Wertvorstellung der fehlerhaften Aufarbeitung und fehlerhaften Verarbeitung der Vergangenheit der 50er-Jahre, dass diese ganze Eiszeit aufgebrochen ist und dass das einen neuen Schwung brachte, und ich will das an einem kleinen Beispiel deutlich machen: Wir sind, als Jugendliche, wir waren angesichts dieser Entwicklung, wir waren weiß ich nicht, wie wir – es gab sicherlich Unterschiede, aber ich war überzeugt, und zwar aufgrund der Tatsache, dass ich es gesellschaftlich aufgenommen habe, nicht aufgrund meiner eigenen Erfahrungen nur –, dass wir Jugendlichen mit unserem Wunsch nach Veränderung recht hatten gegenüber denjenigen Beharrungskräften, die uns als Erwachsene gegenübergetreten sind. Wir waren von der Richtigkeit unseres Tuns überzeugt, unabhängig davon, ob wir da schon was ausprobiert gehabt hätten oder sonst irgendwie und wir waren auch von der Rechtmäßigkeit überzeugt. Und das nur an einem Beispiel: Also ich habe Musik gemacht als kleines Kind, weil meine Eltern Wert drauf gelegt haben, dass ich auch ein Musikinstrument lerne und so. Und ich kannte im Dorf nur Marschmusik und Kirchenmusik, alles andere … so. Und ich habe durch das Radio die andere Musik gehört und logischerweise, das war verbindend über die verschiedenen Elternhäuser hinweg, ohne dass man großartig darüber geredet hat, es war klar, wie man, hast du die schon gehört, findest du das nicht klasse oder sonst wie, das war komplett anders, schlichtweg, was eine ältere Generation mit manchem Ausrutscher belegt hat als alte Negermusik, die will ich hier nicht hören, mach die aus oder so, an die Seite geschoben hat, aber es war sehr klar, diese Altersgeschichte war schon der radikale Gegensatz, der auch nicht versöhnt werden konnte, wie das heute passiert, indem man die Instrumentalisierung in klassische Stücke einbaut oder wie auch immer. Das war getrennt und es gab auch an der Stelle, so richtig Kompromisse, die habe ich nicht gesehen, die habe ich auch nicht erfahren. So kommt es, das Gefühl, das ist wichtig zu vermitteln und ich hoffe, dass dieses Beispiel dazu ausreicht, sonst muss ich noch ein paar andere auskramen, aber es gab das Gefühl, dass wir was anderes wollen, als das, was uns vorgelebt worden ist und dass wir recht haben damit und dass wir raus müssen aus dieser Enge.
Herunterladen Drucken

Ulrich Thöne wurde 1951 in Paderborn geboren und wuchs in der ostwestfälischen Kleinstadt Lichtenau auf. Seine Kindheit und Jugend war geprägt durch das katholisch-konservative Umfeld seiner Heimat. Nach dem Abitur absolvierte er eine Banklehre in Münster, wo er mit der Lehrlingsbewegung in Kontakt kam. Während der Ausbildung trat Thöne in die Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (HBV) ein, wurde zum stellvertretenden Landesschülersprecher der Berufsschulen in Nordrhein-Westfalen gewählt und 1973 Vorsitzender des Kreisjugendausschusses des DGB-Kreises Münster.

Von 1973 bis 1978 studierte Thöne Wirtschafts- und Sozialwissenschaften sowie Pädagogik in Münster. Nach längerer Wartezeit begann er sein Referendariat erst 1982 in Berlin. Von 1986 bis 1995 arbeitete er als Berufsschullehrer im Wedding. Während dieser Zeit wurde Thöne, der 1982 zur Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) gewechselt war, zum stellvertretenden Vorsitzenden des Personalrates Lehrer und Erzieher Wedding gewählt. Nach seiner Wahl zum stellvertretenden Vorsitzenden im Personalrat für berufsbildende Schulen wurde er vom Unterricht freigestellt.

1999 gewann Thöne die Wahl zum Vorsitzenden der GEW Berlin. Nach dem Rückzug von Eva-Maria Stange wurde Thöne 2005 zum Bundesvorsitzenden der GEW gewählt. Er setzte sich u.a. für eine Erhöhung der Bildungsausgaben ein und wandte sich gegen die Privatisierung von Bildung. 2013 kandidierte er nicht mehr für eine Wiederwahl.

Herunterladen Drucken