Ursula Engelen-Kefer

IG Metall
IG Metall
Video 1 – 4:34
Gleichstellungi
Bildungi
Gerechtigkeiti
Video 2 – 3:00
Sozialstaati
Solidaritäti
Video 3 – 3:22
Betriebsrati
Betriebsrentei
ALG I und ALG IIi
Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB)i
Rationalisierungi
Ich glaub, das Allerwichtigste ist mein Blick auf die Gesellschaft und auch mein Widerstandsgeist, denn das was mir als Frau oder als junges Mädchen und als Frau zugedacht war in meiner Generation, damit war ich nicht einverstanden. Das hab ich von Anfang an als Kind, selbst als ich noch gar nicht richtig gedacht habe, das war einfach intuitiv, habe ich das abgelehnt. Also die Frau zu sein, die sich anzupassen hat, die den Mann zu bedienen hat, die die Kinder zu versorgen hat, das hab... habe ich abgelehnt und wollte ein solches Leben nicht führen. Und das hab ich meiner Mutter schon gesagt als ich 6 Jahre alt war. Da habe ich sie, hat sie mir mal später erzählt, gefragt, ob ich auch später studieren dürfte, was ja in meiner Generation für Mädchen absolut unüblich war. Und das ist so Ausdruck meiner wirklichen Haltung, die schon ganz frühzeitig da war. Auch also wie gesagt emotional, nicht ... nicht rational, emotional und die sich dann immer mehr in rationale Entwicklungen verändert hat. Das … und ich hab mich immer mehr bestätigt gefühlt, je mehr ich gesehen habe um mich herum wie Frauen behandelt wurden, auch in gutsituierten Familien. Ich fand das abartig und dann habe ich das gepaart, oder das ist bei mir verbunden gewesen mit einem Gerechtigkeitsgefühl, aber die Gerechtigkeit ist, das war jetzt nicht unbedingt soziale Gerechtigkeit, oder Menschen aus dem Elend herauszuholen, das hab ich ja nie erfahren, sondern ich hab … bei uns ging’s sehr bescheiden zu. Wir sind ja 'ne Flüchtlingsfamilie, da gab’s nix in der Nachkriegszeit. Andere in meiner Umgebung hatten immer Hunger, ich hatte keinen, weil ich sehr genügsam war, aber ich hatte deshalb nicht mehr. Und das hat mir auch gar nix ausgemacht. Ich hab da nie das Gefühl gehabt, ich bin unterprivilegiert, muss da raus, muss mich da in eine andere soziale Schicht hineinbegeben, das war mir alles so egal wie sonst was. Ich hatte also auch in den ersten Jahren, ich würde sagen, bestimmt auch so im jugendlichen Alter einen Widerwillen gegen diesen materiellen Aufstiegsgedanken, so, dass man was werden muss, dass man was sein muss und man ist nur was, wenn eben eine entsprechende materielle Basis um sich herum hat. Das hat … Ich hab zeitweilig sogar 'n richtigen Widerstand entwickelt, die ... die normalen Kleidungsstücke zu kaufen und mich so zu benehmen und auch so im äußeren Erscheinungsbild und in meinem Verhalten zu sein, wie man zu sein hatte aus so 'nem mittleren Bildungsbürgertum hinaus … heraus. Und das ist einfach der Ausdruck, dass ich bei mir innerlich sagte, das ist für mich keine Wertebasis. Für mich war es wichtiger, im Wald spazieren zu gehen, Natur zu erleben, oder auch ich hab sehr gerne Tiere gehabt, oder mich mit der ... wichtigen Fragen, die mir wichtig erschienen im Leben, sehr tief inhaltlich auseinanderzusetzen. Also Gespräche zu führen mit anderen, die auch den tiefen Blick hatten und das nicht nur so oberflächlich taten. Das war eigentlich ein inhaltlicher Ansatz, da kann ich nicht sagen, das ist durch irgendwelche Aus… äußeren Einflüsse gekommen. Und aus dieser Situation heraus hat sich das entwickelt. Also Widerstand gegen meinen vorbezeichneten Weg als, selbst wenn ich 'ne gute Ausbildung habe, dann Familie und Mann bedienen, das war für mich sowieso das Unerträglichste überhaupt, und dann eben gleichzeitig entwickelte sich dies immer mehr in Richtung, dass ich auch mein Umfeld sozial wahrnahm, also die soziale Situation. Und das hat sich vor allem gesteigert, als ich in Amerika war, in New York. Das war ja Anfang der 20er Jahre, ist ja eine wichtige Zeit, und das war für mich ein Schlüsselerlebnis, dass ich gesagt habe, so nie. Und wenn ich etwas kann und mich dafür einsetze, dann eben entweder als Ärztin, ich wollt ja ursprünglich mal Ärztin werden, weil ich dachte, da kann ich Menschen helfen, aber ich kann auch für mich Prestige entwickeln. Ich wollte auch für mich Prestige, also jemand sein, aber nicht weil ich eben Geld habe oder gut aussehe oder eben elegante Kleidung habe, sondern ich wollte jemand sein, weil ich eben etwas zu sagen hatte.
Natürlich gibt’s besondere menschliche Eigenschaften. Die sind nicht immer alle drauf ausgerichtet, mit dem andern solidarisch zu teilen und sich für den andern einzusetzen, sondern da geht’s drum, wie kann ich meine Interessen durchsetzen. Und das Entscheidende an einem … an unserm System der sozialen Marktwirtschaft oder eines Sozialstaates ist ja grade, dem Grenzen zu setzen, und zwar so, dass möglichst viele möglichst in menschenwürdigen Bedingungen miteinander existieren können. Und der Kapitalismus macht ja genau das Gegenteil, das ist ja eine Ellbogengesellschaft. Der Kapitalismus sagt, ich muss alle so in die Lage versetzen, damit die sich möglichst gut mit ihren Individualinteressen durchsetzen können und das höchste individuale Interesse ist Geld machen. Also um es jetzt mal ganz primitiv auszudrücken. Man orientiert sich an der Zielsetzung Gewinnmaximierung und ordnet dem alles unter. Nicht? Und das ist genauso … finde ich genauso unerträglich wie zu sagen, wir machen sie alle gleich und jeder kriegt nur ein bestimmtes Stückchen von dem gleichen Kuchen. Aber diejenigen, die den Kuchen verteilen, die haben schon die größten Stücke für sich auf die Seite gebracht. Das ist ja der Sozialismus, nicht. Es funktioniert ja überhaupt nicht und da gibt’s genauso Privilegien wie im kapitalistischen System und deshalb fand ich beide nicht … in dieser ... in dieser Brutalität nicht akzeptabel. Und deshalb war für mich der Ansatz eines sozialstaatlichen Gestaltungssystems, dessen ist praktisch unser Grundgesetz, ich fand unser Grundgesetz da immer optimal, natürlich gibt’s da immer Verbesserungsmöglichkeiten, aber in der ... in der Balance zwischen Kollektiv... Kollektivinteressen, Individualinteressen, materiellen Interessen und immateriellen Interessen, nicht, und vor allem einer gewissen Sicherheit. Mich hat sehr geprägt auch aus der Zeit in USA, das Interesse an der sozialen Sicherheit und das hat mich auch persönlich geprägt im familiären Bereich, als meine Großmutter aus dem, die war ja in … ist ja von Prag aus ins Konzentrationslager gekommen und ist dann … hat dann überlebt und ist wieder zurückgekommen und hat bei uns in der Familie gelebt und hat aber trotz allem eine kleine Rente bezogen. Und das war ihr Stückchen Menschenwürde, denn selbst wenn die Familie noch so gut für dich ist, wenn einer nix hat und immer abhängig ist von dem, was der andere hat, dann wird der andere ja auch korrumpiert. Denn irgendwann mal, so gute Menschen gibt’s gar nicht, es gibt nicht den guten Menschen, Menschen sind Menschen, so wie sie ... wie sie eben sind mit ... mit ihren Eigenschaften und deshalb muss man ihnen Rahmen setzen.
Wir haben meines Erachtens eine zunehmende Spaltung in den Gewerkschaften. Wir haben auf der einen Seite die exportorientierten Gewerkschaften, IG Metall, große Teile der IG Metall, der BCE, die sehr gut zurechtkommen, die haben ja auch wieder Mitglieder gewonnen, denen ... und die haben 'ne hohe Einnahme … hohe Einnahmen, weil ihre Leute viel verdienen. Der Export ist ja glänzend gelaufen und die Facharbeiter und auch angelernte Arbeitnehmer, Techniker, das sind ja so Gewerkschaftsmitglieder, verdienen hervorragend, kriegen dann noch 'n Bonus dazu und das läuft gut und davon leben die. Und das sind auch die großen Betriebsräte, die in den Vorständen sitzen, nicht, zwar weniger im Hauptvorstand, aber in den erweiterten Vorständen und damit natürlich die Politik diktieren. Und die ... die wollen nicht unbedingt noch mehr für die Hartz IV-Empfänger ausgeben oder für die soziale Sicherung. Da haben sie jetzt kalte Füße gekriegt, weil sie demnächst ja auch mal in Rente gehen und das haben die ja jetzt mitbekommen, dass durch diese sogenannten Riester-Reformen auch ihre eigene Rente, die gesetzliche Rente tangiert wird und so toll ist das nicht immer mehr mit den Betriebsrenten, die dann da draufgezahlt werden. Also das haben sie schon mitbekommen, aber damals als Schröder da anfing und als diese Auseinandersetzung um die Riester-Renten ging, interessierte die das überhaupt nicht. Also das ist die eine Seite und die andere Seite ist ver.di mit … und NGG natürlich, schwache, kleine Gewerkschaft, die haben sehr viele Dienstleister und die verdienen ja nix. Nicht? Also während die Klientel der exportorientierten Industrie wird weniger wegen der hohen Produktivität, Rationalisierung und die Umschichtung geht in die personenbezogenen Dienstleistungen. Die sind schwer organisierbar und da sind schwer vernünftige Arbeitsbedingungen durchsetzbar. Und das ist die Spaltung der Gesell… Gewerkschaft und die bräuchten mehr den Gesetzgeber. Also der Bsirske, der hat das begriffen, dass Hartz IV und diese andern prekären … die … die … die Deregulierung in Richtung Niedriglohnsektoren ihn negativ … sich für ihn negativ auswirkt, aber meistens heult er mit den Wölfen, denn er hat ja auch die andern großen Bereiche. Der hat die großen Versorgungsbetriebe, die sind wiederum gut organisiert und da wird auch ordentlich bezahlt. Das sind kommunale Betriebe, da setzt er auch noch was durch. Aber die ganz … die Zunahme der Beschäftigung ist da auch nicht. Die Zunahme der Beschäftigung ist in den personenbezogenen Dienstleistungen, und da wird immer weniger durchgesetzt. Und das ist die Schwäche der Gewerkschaften und die Spaltung der Gewerkschaften. Und dazu bräuchte es einen starken DGB, der da den Ausgleich schafft. Ist ja auch in der Satzung vorgesehen und den gibt es nicht mehr. Denn seit wir nur acht, wir haben ja acht Gewerkschaften nur noch, davon drei, die wirklich was zu sagen haben und die sagen, was brauchen wir 'n DGB. Natürlich brauchen sie den DGB als ein Aushängeschild, als 'ne Serviceeinrichtung und so wird der ja immer mehr betrieben.
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Ursula Engelen-Kefer wurde am 20. Juni 1943 in Prag geboren. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wuchs sie zunächst in Höxter, dann in Düsseldorf auf, wo sie auch ihr Abitur ablegte. Ab 1962 studierte sie Wirtschaftswissenschaften in Köln und erwarb 1967 ihr Diplom. 1970 schloss sie ihre Doktorarbeit zum Thema „Umschulung in einer wachsenden Wirtschaft – dargestellt am Beispiel der USA“ ab. Während ihrer Promotionsphase lebte sie in New York und war auch als freie Wirtschaftsjournalistin tätig.

Ab 1970 arbeitete Engelen-Kefer im gewerkschaftseigenen Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) in Düsseldorf. 1974 wechselte Engelen-Kefer als Referatsleiterin für Internationale Sozialpolitik zum DGB, 1980 kam die Leitung der Abteilung Arbeitsmarkt hinzu. Im Jahr 1980 entsandte der DGB Engelen-Kefer als Arbeitnehmervertreterin in den Vorstand der Bundesanstalt für Arbeit (BA). Vier Jahre später wurde sie zur Vizepräsidentin der BA berufen und war in dieser Position vor allem für die Planung und Koordination der Arbeitsmarktpolitik zuständig.

1990 wurde Engelen-Kefer zur stellvertretenden Vorsitzenden des DGB gewählt. Die Position als Vizepräsidentin der BA gab sie mit dieser Wahl  auf, blieb der Institution aber bis 2002 als alternierende Vorstandsvorsitzende erhalten. Als stellvertretende DGB-Vorsitzende setzte sie sich unter anderem gegen die Zunahme befristeter Arbeitsverhältnisse sowie Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnausgleich ein und warf den Arbeitgebern die Beschneidung zentraler Arbeitnehmerrechte vor.

Engelen-Kefer, bereits 1972 in die SPD eingetreten, setzte sich kritisch mit der Arbeits- und Sozialpolitik der rot-grünen Regierung unter Gerhard Schröder auseinander. Dennoch wurde sie 2003 und 2005 als Beisitzerin im Bundesvorstand der SPD bestätigt, in dem sie seit 1986 tätig war. Erst 2009 scheiterte ihre Wiederwahl.

2006 schied Engelen-Kefer als stellvertretende DGB-Vorsitzende aus.

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