Wilhelm Vogler

IG Bergbau und Energie
IG Bergbau und Energie
Audio 1 – 4:50
Bildungi
Nationalsozialismusi
Audio 3 – 3:30
Mitbestimmungi
Akademie der Arbeit in der Universität Frankfurt am Maini
Christliche Soziallehrei
Wir kommen also, ich komme aus nem richtigen katholischen Haus heraus und mein Großvater sachte dann imma, mein Vater hat nen Haus gebaut und ich hab ne Kirche gebaut. Der hatte also in Husen nich wahr, war der Kirchbaumeister da und wie die Berchleute warn, ham die dort alle nich wahr selber gemacht und er wahr sehr auch stark in der Kirsche, Kirsche verbunden und das hab ich als Kind so mitgemacht. Das war also einfach so, Sonntags gehörte man in die Kirche, man war Messdiener und alles und wie ich eben schon mal sachte, hab ich, war ich also so nen Spätzunder. Mein Vatter lechte Wert darauf, ich sollte also zur höheren Schule wie man das früher nannte, aber im fünften und sechsten, also in der vierten und fünften Klasse, da war ich einfach noch nicht so weit und dann nach´em sechsten Schuljahr hab ich dann also in der Volksschule mitgemacht, war in der Bildungsarbeit, damals gab´s die sogenannten Schulen, Oberschulen für Aufbau, da kam man also, mit sechs Jahren konnte man einsteigen und konnte dann auch das Abitur machen. Da gab es eine Schule in Unna und eine Schule in Rüten an der Möhne, da war mein Onkel ein, ein Onkel nich wahr mütterlicherseits war da Postmeister und da wir nach Unna nich wollten, das war auch so, das wussten wir, das war so ne ziemlich scharfe HJ-Angelegenheit, bin ich also nich wahr in Rüten an der Möhne, da zur Oberschule gegangen und das is vielleicht auch ganz wichtich, das war ne richtich katholische Schule. Da wurde zwar zu Führers Geburtstach und neunten November mal ne Feier gemacht, aber ansonsten, die Lehrer warn alle grundkatholisch, wir hatten zum Beispiel einen Geschichtslehrer, der kam mit seinem Päckchen rein, schmiss das hin und machte dann nur diese Bewegung, sachte auch nicht Heil Hitler und es war auch an der Schule verpönt, Mitglied im Jungvolk zu sein. Ich war dann also nich im Jungvolk, sondern wir warn in der katholischen Jugend und dann wurde ja, kam ja der Kriech ging immer weiter, dann ham meine Eltern gesacht ne ne, du kommst getz also nach Hause hin, wenn dann uns was passiert, passiert uns alles gemeinsam und ich bin dann doch neunzehnhundert, neunzehnhundert einundvierzich dann nich wahr von Rüten wech, hatte das einjährige wie man das nannte und ging dann nach Unna zur Schule und genau es passierte das, was wir vorher wussten, ich hatte also mit Nationalsozialismus so nichts zu tun, das war auch bei uns in der Familie verpönt, mein Vater war zwar, war auch, war Beamter, aber kein Parteimitglied, sondern der war für die Kriechsbeschädichten sofort nachem Kriech bis in die Hitlerzeit, war der und brauchte deshalb nich in die Partei. Ich komme später nochmal auf diese Geschichte zurück und jedenfalls, ich ging nach Unna und das erste war, wie ich in Unna kam, wurde ich gefracht, bist du in der HJ? Nein. Ja, dann also Freund, mal getz Mitglied der HJ, dann wurde ich, bin ich zur HJ gegangen, weils gar nich anders ging. Ich kann mich so erinnern, HJ war Sonntagsmorgens, da bin ich erst in die Frühmesse gegangen unter der Jacke hatte ich meine HJ Uniform und dann sind wir HJ spielen gegangen. Ja, dann ging das also, ich hatte auf dieser Schule, weil ich nun katholisch war auch immer so nen bisschen Schwierichkeiten, die Lehrer warn also sehr nazibedüngt, der Direktor vor allen Dingen und dann kam ich neunzehnhundert, Anfang neunzehnhundert zweienvierzich wurde ich dann das erste Mal von der HJ zu einem sogenannten Wehrertüchtigungslehrgang einberufen und das Ziel dieses, dieses Lehrgangs war damals, dass wir uns freiwillich zum Militär oder zur SS melden sollten. Und mein Vater hatte gesacht, du kannst alles machen da in dem Lehrgang, aber erstens meldest du dich nich zum Militär freiwillich und zur SS schon gar nicht.
In dem, in dem Lager, das war nach dem, nach Kriegsende so im Anfang Juni fümenvierzich kam die Parole raus, wer im Berchbau beschäfticht war und in der Landwirtschaft, der wird getz entlassen und da ich ja nun aus´m Bergbau kam und während meiner Zeit auf´er Penne im, zweimal Ernteeinsatz war, das war ja früher so üblich, hab ich gesacht, ich bin Berchmann und auch bin Bauer. Ja und dann hatte ich das große Glück, dass ich Anfang Juli neunzehnhundert fümenvierzich schon entlassen wurde und kam dann also nach Haus´hin. Bin dann erst, weil wir wurden ganz woanders, ich bin dann am elterlichen Haus vorbeigekommen und dann kam auch mein Vater dazu und wie das nun so war, wie geht’s euch, was hast de erlebt und alles sowas, dann erfuhr ich da, dass mein Vater der bei der Post war, die Postgewerkschaft gegründet hatte, also Gewerkschafter und der wurde dann auch nach dem Postamt in Dortmund, Zentralpostamt, war er dann in der Personalabteilung und war auch da im Vorstand der Postgewerkschaft und dann im Laufe der Zeit hab ich dann so mit meinem Großvater nen bisschen diskutiert, der erzählte dann, was ich vorher ja nie gehört hatte, vom christlichen Bercharbeiterverband und von der Zentrumspartei, aber ich war so abgemagert, dass ich gesacht hab, also ich kann im Berchbau nich anfangen, ich geh wieder nach Eineckerholsen, das ist die Soester-Börde wo, ich sach und da brauchen se sicherlich Leute um die Ernte rein zuholen und so war´s auch, als ich dann auf dem Bauernhof ankam, da lebte die, der Bauer war gestorben, da lebte nur die Bäuerin und zwei Töchter und ein polnischer Arbeiter. Der war da in der Landwirtschaft beschäfticht, die warn also froh, dass ich also dahin kam und ich hab dann, dann kam aber so im September der Schwiegersohn, also das, die warn verlobt mit der ältesten Tochter Ida und als die Ernte dann vorbei war, ham die dann also und ich hatte mich getz auch in der Zwischenzeit wieder nen bisschen gekräfticht, dachten die und nein, dann kam noch so, der Pole haute ab und sachte, ich geh zum Berchbau und dann hab ich nachher, als der Junge dann da war, hab ich gesacht ja also ich hau auch hier bei euch ab. Bin dann mit meinem Fahrrad wieder nach Haus´hin gefahren. Ja und dann hab ich gesacht, jetzt will ich im Berchbau anfangen und das große und gute war ein, der Schwager meines Vater, der Onkel Feo, der war auf Scharnhorst im Betriebsrat und mein Onkel August, nen Vetter von meinem Vater, der war auf Gneisenau, Scharnhorst und Gneisenau warn eine sogenannte Verbundszeche. Hier auf Scharnhorst wurden die Kohlen gefördert und auf Gneis-, wurden die Kohlen gemacht und auf Gneisenau gefödert. Jedenfalls der Onkel Feo sachte Willi, du kannst bei uns hinkommen, der war auch für Übertage nich wahr zuständich, und sachte, machst de bei uns erstmal Übertage, gehst gar nicht in die Grube, sondern machst Übertage. Ja und dann kam aber ein, ich will dann lieber erst erst das andere sagen, ich bin dann also am fünfzehnten Oktober fümenvierzich bin ich dann auf Scharnhorst angefangen und das erste nicht wahr, was war, war natürlich Onkel Theo und die Betriebsräte sachten, getz musst de auch Mitglied der IG Berchbau werden, das ist hier bei uns so üblich, bevor man überhaupt beim Betriebsführer vorgestellt war, war ich schon in der Gewerkschaft.
Wir hatten das erste Trimester hinter uns und dann eines Morgens kam der Doktor Zinkeisen und bei ihm war ein ganz schlanker, grauhaariger Mann mit Brille. Dann stellte er vor, das is Professor von Nell-Breuning vom Jesuitenkloster in Frankfurt und der wird also getz die christliche Soziallehre und euch was erzählen über die evangelische Sozialethik. Er war da nich wahr und begrüßte uns dann auch und ich hatte sofort also ein Faible für den, aber der hatte auch auf meine, meine Kollegen da schon so nen tollen Eindruck hinterlassen. Jedenfalls es kam die erste Vorlesung, er kam rein, hat dann erst erzählt, das hab ich also vor, Kettler, Kolping, Rerum Novarum, Quadragesimo Anno, das warn seine Themen. Er sachte, wir werden also in dem Trimester werde ich Ihnen das erläutern und im zweiten Semester gehen wir dann auf die aktuelle Politik. Gesucht, getan, die zweite Vorlesung kam und dann kam er rein, guten Morgen meine Damen und Herren, setzen Sie sich, er holte den Stuhl hinterm Pult her, setzte sich auf den Stuhl, schloss die Augen, dann hat er eine dreiviertel Stunde uns also von Kettler, von Kolping, von [...] die ganzen, die ganze christliche Soziallehre hat er uns gemacht und nach dieser, nach dieser Stunde die der Mann da gemacht hatte, er saß da, er sprach, hättest de sofort drucken können, er kam, ich sach nochmal, setzte sich hin nachdem er guten Morgen gesacht hatte und sprach dreiviertel Stunde sprach er, sprach er. Öffnete dann die Augen, wie der dat gemacht hat, dass er genau nach dreiviertel Stunde fertig war, weiß ich auch noch nich, aber sofort nach dem zweiten, dritten Mal war also bei uns im Lehrgang, über, wurde nicht mehr, ich hatte meinen, meinen Frieden, der war also der begeisternde Mann auf der Akademie der Arbeit und im dritten Trimester hatten wir ihn, dann hat er also über die politischen Aufgaben gesprochen, vor alle Dingen sein Hauptthema und Anliegen war die Mitbestimmung, da hatte ich also erstmalich mal was von Mitbestimmung nich wahr gehört und so weiter und hatte uns auch nich wahr von Adam Stegerwald erzählt, das wusste ich aber schon, der ja neunzehnhundert zwanzich ne große Rede zu diesen, dieser Frage auch zum Zusammenschluss von Christen und Sozialdemokraten in der Gewerkschaft gesprochen hatte. Jedenfalls also das war für mich, das größte Erlebnis.
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Wilhelm Karl Vogler wurde am 24. Dezember 1925 in Dortmund-Husen geboren. Von 1931 bis 1941 besuchte er eine stark katholisch geprägte Schule, die er mit der Mittleren Reife verließ. Danach wollte er weiter in Unna zu Schule gehen, wurde jedoch im Herbst 1942 zum Arbeitsdienst und dann zur Wehrmacht eingezogen. Nach der Kriegsgefangenschaft arbeitete er unter anderem in Dortmund auf der Zeche Scharnhorst. Seit Oktober 1945 war Vogler Mitglied der Industriegewerkschaft Bergbau und Energie (IB BE), sein Abitur holte er 1947 nach.

Nach seiner 1951 abgeschlossenen Bergmannsausbildung und zahlreichen Gewerkschaftslehrgängen schloss sich 1952 bis 1953 der Jahreskurs der Akademie der Arbeit in Frankfurt/Main an. Nach der Rückkehr in den Betrieb wurde Wilhelm Vogler zunächst Assistent des Betriebsrates. 1954 wurde er Jugendsekretär der IG Bergbau und Energie, wenige Monate später Bezirksjugendsekretär in Bochum. 1961 versetzte ihn der Gewerkschaftsvorstand als Rechtssekretär nach Bottrop. Dort wirkte er später als Geschäftsstellenleiter und von 1963 bis zu seinem Rentenbeginn 1985 als Bezirksleiter.

Im Oktober 1945 war Wilhelm Vogler Gründungsmitglied der Dortmunder CDU und später auch in der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA) und der Jungen Union (JU) politisch aktiv.

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