Wolfgang Stender

Gewerkschaft Textil-Bekleidung
Gewerkschaft Textil-Bekleidung
Video 1 – 3:00
Aufsichtsrati
Mitbestimmungi
Unternehmeni
Ich war im Aufsichtsrat. Ich hab also nach, was die Mitbestimmungsgesetze der Bundesrepublik Deutschland angalten, hab ich in mehreren Aufsichtsräten mitgewirkt, das war in Westdeutschland war das in der J. F. Adolff AG (Pause), fast 4.000 Arbeitnehmer beschäftigt, jung für … nur Spinnerei, Streichgarnspinnerei und Baumwoll… und Wollspinnerei. Ich habe erreichen können, dass in einer ganz schwierigen wirtschaftlichen Lage das Unternehmen frisches Geld zur Verfügung gestellt bekommen hat als Kapital in Baden-Württemberg, wo Lothar Späth, der Ministerpräsident, die Zusagen mir gemacht hat. Da haben wir damals das Unternehmen durch gerettet und haben 7 Millionen Euro an fresh money, wie die immer so schön sagen, als Eigenkapital bekommen. Nicht die Kapitalseite hat das erreicht, da war keiner da, der für sie spricht. Jeder würde gesagt haben, von uns kriegst du keinen Pfennig. Ich war in der Württembergischen Bank und hab versucht, als so Antichambrierer, ich war eigentlich der stellvertretende Vorsitzende, hätte überhaupt gar keine Rechte vielleicht gehabt da hinzugehen, aber der Herr Fabritius, das war ein Senior von einer ganz bedeutenden Firma in Württemberg, der hat mich gebeten, doch ihm Arbeit abzunehmen. Und für wat ist ein Stellvertreter da? Arbeitmacher. Also musste ich ihm die Arbeitnehmer abnehmen und bin dann zu den Banken gegangen. Die haben mich derart abblitzen lassen und haben mir sogar gesagt, ich würde mich in die Geschäfte des Vorstandes einmischen, da wär ich nicht kompetent für. Ich hätte Aufsicht zu führen und Rat zu geben, aber keine aktive Geschäftspolitik zu betreiben. Ich hab natürlich dem Banker, das war der Direktor der Deutschen Bank, gesagt, dass ich das voll verstehe was er sagt, nur er hat vergessen, dass ich zwei Hüte trage. Wieso? Ja, ich hab einen Gewerkschaftshut auf, gucken Sie mal hin, nehm ich ab, nehm den andern, jetzt hab ich einen Aufsichtsratshut auf. Und ich bin als Gewerkschaftshut mit Aufsichtsratstätigkeiten überhaupt gar nicht befasst, sondern ich kümmere mich darum, ob die Sicherheit der Arbeitsplätze gewährleistet wird. Ich bin dafür zuständig, dass die Arbeitnehmer wissen, dass ich für sie eintrete, wenn Kapitalnot ist und die Betriebe geschlossen werden sollen, dass der Betrieb weitergeführt werden kann. Also da hatte ich ihn natürlich an der falschen Stelle erwischt und dann hab ich gesagt, im Übrigen würde sich eine Gewerkschaft nie erlauben, einen Ministerpräsidenten zu übergehen, wenn eines seiner Kinder in Not ist.
Es gab natürlich auch andere Störenfriede, die verhindern wollten, dass wir (kurze Pause) wirtschaftliche Regeln unter irgendwelche Kontingente legen, die Entwicklungsländer oder Schwellenländer stören könnten. Das waren die sogenannten Entwicklungshelfer. Das waren auch die in Deutschland, im Bund … in der Bundesrepublik, die uns als Protektionisten bezeichneten und sie glaubten, damit uns ganz böse getroffen zu haben. Um das zu unterstreichen was sie sagen, haben sie gesagt, ja und den armen Leuten nehmt ihr die Gelegenheit billige Kleider in Deutschland zu kaufen, die aus dem Ausland eingeführt werden. Es ist in keinem Fall mir bekannt geworden, dass die ärmeren Schichten jemals an billigeren Kleidern partizipiert hätten, wie sie in den Entwicklungsländern entlohnt wurden, bezahlt wurden bei den Einkaufpreisen, denn die Aufschläge, die der Handel jeweils für solche Güter unternahm, die waren das Drei- und Vierfache dessen, was sie gekostet haben. Wenn es also wirklich dieses Argument gegeben hätte, den ärmeren Schichten zu helfen, dann hat sich das als heuchlerisch entlarvt und wir als Protektionisten haben nämlich nie gesagt, keine Einfuhren. Wir haben gesagt, wir möchten Einfuhren, die bruchartige Entwicklung in den Industrieländern verhindern und die Arbeitsplätze nicht gewissermaßen von heut auf morgen wegfallen lassen. Wir wollten aber auch für die Entwicklungsländer entsprechende Einkommensverbesserungen ermöglicht sehen, die über das hinaus lief, was man nämlich damals bezahlt hat – 1 Dollar pro Tag. Heute ist es das Höchste, was es in Indien bezahlt wird 2 Dollar pro Tag in der Textilindustrie – heute! Das sind 30 Jahre später fa… praktisch, wenn man das hört. Und insofern waren wir immer drauf, sobald das Welttextilabkommen auszulaufen drohte, für eine weitere Verlängerung zu sorgen. Das haben wir auch 78 geschafft. Die Kontingente waren diesmal so angepasst, dass auch ärmere Entwicklungsländer Kontingente bekamen und dafür mussten Südkorea, Macao, Taiwan und – wie ich’s gerne sage – Hongkong Kontingente abgaben und trotzdem hatten sie immer noch Zuwachsraten. Und vor allen Dingen auch deswegen hatten sie größere Zuwachsraten, weil sie überhaupt die Importbegrenzung nie beachtet haben. In der Bundesrepublik Deutschland mussten die Gewerkschaften dafür sorgen, dass die Tonnagen kontrolliert werden, weil keiner angewiesen wurde zu prüfen, wie viel Tonnen hat Südkorea geliefert und wie viel durfte sie liefern. Das war natürlich eine Katastrophe, denn so kann man keine Handelsabkommen schließen, dass man sagt, wie wollen das zulassen und dann überziehen die alle Jahre immer wieder die entsprechenden Höchstmengen. Insofern waren wir froh, dass wir die … das Wirtschaftsministerium darauf stärker fokussieren konnten, dass sie sich tatsächlich mal darum bemüht haben, Kontingente zu prüfen und dann auf das folgende Jahr anrechnen zu lassen. Das war ja sonst auch nicht möglich.
Also ich will ehrlich sein. Stilbildend waren immer die Frauen: Die Frauen haben eine andere Sprache, sie denken anders, fühlen anders und sind nicht gerne mit Radikalismen, fühlen sich nicht gerne mit Radikalismen beworfen, sondern das, was sie wollen, ist offen und frei das entscheiden zu können, ohne dass man mit verbalen Tiefschlägen operiert. Das hat uns – sagen wir mal – schon immer bestimmt. Ihr müsst vielleicht euch vorstellen, wenn man in der Bekleidungsindustrie in einen Betrieb ging, waren 85 % mindestens Frauen. Mindestens! Denn es gab ja auch Frauen, gab ja auch Betriebe, da waren 90 % oder 100 % Frauen. Wäschebetrieb … Wäschereibetrieb, also wo Damenwäsche und so was oder Herrenwäsche gemacht worden ist, oder wo Anzüge und Hosen und Mäntel hergestellt wurden, da waren natürlich schwere Arbeiten in der Bügelei, da waren Männer dabei. Da konnte man sagen, hier kommt ungefähr das Verhältnis 85 zu 15 zum Tragen. Das gab’s in der Textilindustrie überhaupt nicht. 60 % waren Männer, 40 % Frauen. Das ist ein großer Unterschied. Das waren auch schwere Arbeiten zum Teil. Wer in einen Veredlungsbetrieb hineingegangen ist und hat gesehen, was für schwere Dinge zu tragen waren, zu schieben, zu zerren, aufzubäumen, herunterzuholen in der Weberei, in der Spinnerei, das … das war ein ganz anderes Arbeiten. Und deswegen war da der Anteil der Männer wesentlich höher. Und da muss man auch sagen, in einer Weberei und in einer Spinnerei sind auch Werkstätten, Schlosser, Elektriker, da sind Handwerker mit Spezialkenntnissen. Insofern war der Anteil immer höher. Und dann gab’s natürlich noch etwas, wo der Stolz der Männer zum Ausdruck kam. Es gab Facharbeiterberufe, die Männer erlernt hatten und die sie auch als Männer ausübten. Und wenn das die Frauen nicht erlernt hatten, konnten sie es auch nicht ausüben, dann waren sie eben nur die Hilfskräfte. Aber in der Textilindustrie war es so, dass wir wirklich viele qualifizierte Arbeitskräfte hatten, wo es heute ein bisschen traurig ist, wenn man sieht, wie sich das alles entwickelt hat. Aber Ton, Stimmung, Ansehen unserer Gewerkschaft, das wurde durch die Frauen bestimmt. Nicht ausdrücklich, weil sie als Frauen repräsentativ in den obersten Spitzen gesessen haben, sondern weil sie uns gezwungen haben, ihnen gegenüber uns anders zu verhalten, als wenn wir mit dem Kollegen, der mit dem Vorschlaghammer arbeitet, zu reden haben. Und ich meine, das ist eine ganz andere Form der Achtung, das können vielleicht andere gar nicht verstehen, andere Gewerkschaften. Deswegen wird auch der Ton in der Mitgliedschaft ganz anders gewesen sein, so wie ich es bei einigen Gelegenheiten ja kennengelernt habe. Und so ist auch eine Gewerkschaft immer nur deutbar und erklärbar, wenn man weiß, welche Mitglieder dahinterstehen. Und weibliche Mitglieder, die haben ganz andere Ansichten, was die Führung zu sein hat, kein Radikalinski, sondern Menschen mit Verstand, mit Augenmaß, mit Vernunft, die die wirklichen Interessen auch vorher erfragen, erforschen, oder aufs Auge gedrückt bekommen, wenn sie es nicht verstehen, wat sie bisher nicht verstanden haben. Das merkten sie dann und keiner will von Frauen abgefertigt werden, sondern will dem entgegentreten und sogar für sie fürsorglicher eintreten, als man es sonst kann. Ich jedenfalls hab immer mit großer Hochachtung in die Betriebe der Bekleidungsindustrie hineingeguckt, wenn ich gesehen habe, wie die gebeugten Köpfe über die Nähmaschine Arbeit durchschob in einem Tempo, das ich nicht mal sehen konnte und das die so exakt, so qualitativ hochwertig, so präzise gemacht haben, dass wir stolz auf die sein konnten, die da gearbeitet haben. Und das muss sich in einer Gewerkschaft ausdrücken. Das geht gar nicht anders.
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Wolfgang Stender wurde am 2. Juli 1931 in Lübeck geboren. Nach Volksschule und abgeschlossener Maurerlehre arbeitete er unter anderem als Jungbergmann und Bauhilfsarbeiter sowie als Konfektionär in der Bekleidungsindustrie. 1948 trat er der Gewerkschaft Textil-Bekleidung (GTB) seiner Heimatstadt bei und amtierte von 1955 bis 1958 als deren Vorsitzender. 1959 wechselte Stender als Sekretär in die GTB-Verwaltungsstelle Stuttgart und war zwischen 1961 und 1964 als Geschäftsführer der Verwaltungsstelle Backnang tätig. Von 1964 bis 1973 arbeitete er erst als Tarifsekretär beim GTB-Hauptvorstand in Düsseldorf und dann bis 1987 als Sekretär der Vorsitzenden Karl Buschmann und Berthold Keller. Schließlich kehrte Stender als Vorstandssekretär in die Abteilung Tarif zurück. 1989 wurde er als Leiter der Abteilung Tarif in den Geschäftsführenden Hauptvorstand gewählt und wirkte dort bis 1994. In seine hauptamtliche Zeit bei der GTB fallen der Kampf um das Welttextilabkommen (1973/74), die Errichtung der Kritischen Akademie Inzell (1977) sowie die vielfältigen Herausforderungen in der ostdeutschen Textil- und Bekleidungsindustrie nach der Wende 1989/90.

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