Yilmaz Karahasan

IG Metall
IG Metall
Video 1 – 5:16
Betriebsrati
Arbeiterwohlfahrti
Video 2 – 3:31
35-Stunden-Wochei
Automationi
Mindestlohni
Arbeitslosigkeiti
Arbeitsverhältnisi
Gerechtigkeiti
Rationalisierungi
Video 3 – 4:39
Migrationshintergrundi
Bildungi
Arbeitslosigkeiti
Bildungi
Gleichstellungi
Migrationshintergrundi
... also als ich in Deutschland jetzt auch als Elektriker angefangen habe zu arbeiten, war ich ja bei Siemens in Amberg als einziger Nichtdeutsche in der Abteilung im gesamten Betrieb fast. Dort habe ich auch keine Probleme oder so was gehabt mit den Kollegen. Im Gegenteil, die haben mich auch unterstützt, weil ich sprachlich noch nicht so ganz auf der Höhe war. So. Dann, also zweiter Betrieb in Deutschland war ja Ford-Werke. Dort habe ich wirklich gesehen, dass – wie gesagt – die Arbeitsbedingungen ziemlich schwierig waren. Ich … In der sogenannten Ypsilon-Abteilung, Endmontage sozusagen, musste man ja an den Bändern arbeiten, diese Taylor... Taylorismus-Geschichte, also Fließbandarbeit, oder in der sogenannten FK-Halle, Rohbau und Presswerk. Da wurde Krieg geführt, sage ich mal. Laut, schnell. Und als ich zum Beispiel nach vier Wochen als Betriebselektriker, nachdem ich etwa vier Wochen als Betriebselektriker gearbeitet habe, wurde mir zum Beispiel angeboten, ob ich nicht als Dolmetscher arbeiten würde bei Ford. Ich hab natürlich das sofort angenommen und dann war ich zunächst in dieser Rohbau ... also in der FK-Halle, also Rohbau und Presswerk, und etwa vier oder sechs Wochen danach haben die Vorarbeiter, Meister protestiert, den wollen wir nicht als Dolmetscher haben. Wieso? Er übersetzt ja nicht, was wir sagen. Ich konnte auch nicht übersetzen, was sie sagen. Weswegen nicht? Die sagten mir, sag mal dem Kollegen da an der Presse zum Beispiel, der soll schneller arbeiten. Und ich sah, der badete in Schweiß und führte Krieg sozusagen und dann ich sollte ihm dann noch sagen, schneller arbeiten. Das habe ich natürlich nicht gesagt. Im Gegenteil, dann habe ich gesagt: Das kann ich nicht sagen, siehst du nicht, dem Vorarbeiter oder Meister, der arbeitet doch! Was willst du denn noch? Und so hatten sie dann natürlich gesagt, den wollen wir nicht. Und tatsächlich wurde ich dann strafversetzt als Dolmetscher in eine andere Halle und das Gleiche passierte dort. Und nach mehreren Monaten und dann irgendwann sollte ich dann entlassen werden, wurde ich also zur Personalabteilung gerufen. Und Betriebsrat natürlich schaltete sich ein und dann kommt ein Betriebsratsmitglied zu mir und sagt, was machst du denn. Gar nichts, was denn. Die Kollegen in der Motorenhalle, das war also W-Halle, hätten … haben davon Wind bekommen, dass ich entlassen werden soll und dann hätten sie sozusagen teilweise die Arbeit darnieder gelegt oder zum Hallenpersonalbüro gegangen, ja, wo ist denn Kollege Karahasan, also den wollen wir haben und so weiter und so fort. Ich hatte wirklich keine Ahnung davon zunächst. Also auf jeden Fall wurde dann sozusagen mit der Geschäftsleitung vereinbart, dass ich doch nicht entlassen werde, aber nicht mehr als Dolmetscher tätig sein darf. Mir wurde also verboten als ... zu dolmetschen. Okay. Dann habe ich am folgenden Tag sozusagen als Elektriker wieder in der gleichen Halle weitergearbeitet. Das war meine Bedingung. Also ich bin bereit als Elektriker weiter zu arbeiten, aber ich bleibe in der Halle. Das haben sie auch akzeptiert, aber dann begann natürlich so ein Nervenkrieg. Wenn ich mit einem Kollegen da sprach irgendwie, türkisch, ne, dann kam jeder Meister oder Vorarbeiter, haben wir dir nicht gesagt, du sollst nicht dolmetschen. Um dolmetschen zu können, muss man ja zu dritt sein. Wir sind zu zweit. Da gibt es nichts zu dolmetschen. Also, so ging’s. Und etwa einen Monat danach bekam ich ja diesen … dieses Angebot von der Arbeiterwohlfahrt, ob ich nicht als Sozialberater bei AWO arbeiten würde und so bin ich dann dahin. Also dieser Nervenkrieg ging dann auch … oder dauerte nur einen Monat. Ja, das heißt, also die Arbeitsbedingungen waren nicht besonders gut. Das Tempo war schlimm. Das Verhalten der Vorgesetzten war nicht gerade freundlich oder menschlich, sondern unangemessen.
Die Gewerkschaften, insbesondere IG Metall hat ja sehr früh mit den Zukunftskongressen begonnen. Ich erinnere mich und ich war selbst dabei, ich glaube 1971 oder … also in den 70er Jahren haben wir gerade in Oberhausen als IG Metall eine ... einen Zukunftskongress durchgeführt unter dem Motto „Qualität des Lebens“. Und es ging also um Automation und Rationalisation und so weiter und so fort, die wir nicht verdammt haben, sondern auch als Chance begreifen, begriffen haben und nach wie vor begreifen. Das heißt, die Gewerkschaften sind ja nicht gegen Fortschritt, gegen Automatisierung und so weiter, sondern diese Fortschritte müssen natürlich im Interesse der Menschen, nicht nur im Interesse des Kapitals oder Kapitalbesitzer, sondern wirklich der Bevölkerung, der Menschen genutzt und umgesetzt werden. Ganz simpel gesagt, also eigentlich wären wir als Gesellschaft zum Beispiel in Deutschland, selbst in Europa auch in der Lage, mit – sagen wir mal – 30-Stunden- oder 25-Stunden-Woche auszukommen, wenn die Verteilung der Güter gerechter wäre oder vorgenommen werden könnte. Denn Rationalisierung, Automatisierung muss ja nicht automatisch zu Arbeitslosigkeit führen. Wenn man natürlich in der gleichen Zeit, also die Arbeitszeit nicht reduziert, aber dagegen nur automatisiert, dann ist logische Konsequenz halt Arbeitslosigkeit, ist ja klar. Aber dann, deswegen haben wir ja in den 80er Jahre diese 35-Stunden-Woche gegen den Widerstand, aber enormen Widerstand der Arbeitgeber zum Beispiel durchgesetzt. Und das muss weitergehen. Das muss in der Tat, die Arbeitszeitverkürzung, weitergehen. Überstundenabbau weitergehen. Die prekären Arbeitsverhältnisse müssen beseitigt werden. Ja. Und Einkommen sozusagen oder Mindestlohn, es wird ja von Mindestlohn mindestens 8 Euro 50 Euro … Also vor 10 Jahren hat man mit dieser Diskussion begonnen, vor 10 Jahren hat man, oder 8 Jahren, was weiß ich, 8 Euro 50 Euro gesagt. Man sagt immer noch 8 Euro 50. Das ist doch auch nicht, ja, ausreichend. Wenn man unbedingt eine Zahl nennen will, dann vielleicht muss man 10, 11 Euro sagen oder am besten wäre es, Mindestlohn meinetwegen, wenn wir von Tariflohn oder Ecklohn ausgehen, mindestens soundso viel Prozent eines Durchschnittseinkommen muss als Mindestlohn. Und dann ist es später sozusagen bei den Veränderungen, Entwicklungen ist es dann automatische Anpassung, wenn man einen Prozentsatz von einem … von einer bestimmten Größe nimmt. Sollte man mal darüber auch nachdenken. Das heißt, es gibt noch viele Baustellen, gewerkschafts- und gesellschaftspolitisch noch zu beackern.
Begriffe, die in der Sprache benutzt werden, prägen das Denken der Menschen. Und Menschen verhalten sich auch nach ihrem Denken, nach ihrer Meinung. Wenn man die nichtdeutschen Arbeitnehmer in Deutschland früher als Gastarbeiter genannt hat, war ich ja dagegen. Denn wir sind keine Gäste. Gäste lässt man nicht arbeiten, hab ich immer gesagt. Dann hat man ausländische Arbeitnehmer gesagt. Dann hab ich gesagt, nein, wir sind keine Ausländer. Wir sind entweder eingewanderte Inländer, sogar geborene und hier aufgewachsene Inländer, insbesondere in den 70er, 80er Jahren, denn wenn man Deutsche sagt und dann sozusagen das Gegenteil von Deutschen sucht, kann man nicht Ausländer sagen. Das Gegenteil von Ausländer ist Inländer. Also Inländer – Ausländer. Deutsche – Nichtdeutsche. Deswegen hab ich gesagt, entweder sind wir Nichtdeutsche, ne? Aber Ausländer sind wir nicht. Wir sind eingewanderte Inländerinnen und Inländer. Ich erinnere mich an eine wieder Rede – sagen wir mal so – bei einer parteipolitischen Veranstaltung damals in Frankfurt. Unser Oberbürgermeisterkandidat war damals Volker Hauff, noch Kandidat und ich hab dann auch in dieser großen Veranstaltung, Versammlung gesprochen und unter anderem gesagt, ja, liebe Genossinnen und Genossen, ausgehend von einem Ausspruch von John F. Kennedy, der 1961 mal in Berlin gesagt hatte in seiner Rede: Ich bin ein Berliner, dann hat ja ganz Deutschland ... ganz Deutschland gejubelt. Das habe ich zum Anlass genommen und gesagt, ja, liebe Genossinnen und Genossen, ich sage seit über 20 Jahren: Ich bin ein Frankfurter, und kein Mensch nimmt Notiz davon. Also ich hab auch verlangt, dass die nichtdeutschen Kolleginnen und Kollegen sich wirklich identifizieren mit dem Ort, mit der Gesellschaft, in der sie leben. Tatsächlich ist es so, ich hab ja davon auch gesprochen, dass ab praktisch 73/74 eine faktische Einwanderung begonnen, stattgefunden hat und dann ab Mitte 80er Jahre haben wir ja angefangen, praktisch den Kampf für die rechtliche und politische Gleichstellung, Gleichberechtigung zu führen. Also diese drei Phasen muss man immer im Kopf behalten. Die Phase der faktischen Rotation, die Phase der faktischen Einwanderung und die Phase des Kampfes um Emanzipation. Und diese dritte Phase, wenn man so will, geht ja weiter. Wir sind ja noch nicht, immer noch nicht soweit, dass – sagen wir mal – Menschen anderer Herkunft emanzipiert sind im Sinne der, ja, völligen Befreiung von Diskriminierung, Unterdrückung und so weiter und so fort und deswegen muss sozusagen diese Auseinandersetzung um Integration im Sinne der rechtlichen und politischen Gleichstellung, Gleichberechtigung, aber auch der gesellschaftlichen Gleichbehandlung weitergeführt werden. Um das zu erreichen, müssen auch strukturelle Maßnahmen ergriffen werden. Denn eigentlich die Fragen der Integration sind soziale und ökonomische Fragen. Wenn wir die Arbeitslosigkeit beseitigen, sagen wir mal, Vollbeschäftigung erreichen, dann gibt es weniger, in Gänsefüßchen, „Ausländerfeindlichkeit“ oder Konkurrenzdenken. Wenn wir Bildungsreformen durchsetzen, also integrierte Gesamtschulen als Ganztagsschulen flächendeckend anbieten und ermöglichen, dass Kinder, welcher Abstammung auch immer, mindestens also 10 Jahre gemeinsam lernen und entsprechend gefördert werden in kleinen Klassen, dann gibt es, ja, keine Verlierer ...
Herunterladen Drucken

Yilmaz Karahasan wurde am 23. März 1938 im türkischen Kilimli geboren. Nach dem Besuch von Volks- und Mittelschule lernte er von 1954 bis 1957 Elektrotechnik am Knabeninstitut für Handwerk und Gewerbe in Istanbul und arbeitete anschließend als Elektrotechniker im Bergbau der Schwarzmeerstadt Zonguldak. Zwischen 1958 und 1960 war Karahasan als Elektromonteur bei Siemens in Amberg/Oberpfalz beschäftigt und kehrte nach zweijährigem Militärdienst in der Türkei 1962 nach Deutschland zurück. In den Kölner Fordwerken arbeitete er 1963/64 als Betriebselektriker und Dolmetscher, von 1964 bis 1968 als Sozialberater der Arbeiterwohlfahrt (AWO) Mittelrhein. Nach seinem arbeitsbegleitenden Studium an der Sozialakademie Dortmund wurde er 1968 Gewerkschaftssekretär beim Vorstand der IG Metall in Frankfurt und war dort schließlich zwischen 1992 und 1995 Geschäftsführendes Vorstandsmitglied. 

Karahasan ist seit 1963 Mitglied der SPD.

Herunterladen Drucken